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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 22.04.1998
Aktenzeichen: I R 109/97
Rechtsgebiete: GewStG 1984, EStG


Vorschriften:

GewStG 1984 § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2
BUNDESFINANZHOF

Im gewerbesteuerrechtlichen Organkreis ist der beim Organträger zusammenzufassende Gewerbeertrag des Organkreises nur insoweit um Teilwertabschreibungen des Organträgers auf Beteiligungen an Organgesellschaften zu erhöhen, als die Teilwertabschreibungen betragsmäßig den erlittenen Verlusten der Organgesellschaften entsprechen. Der Teilwert der Beteiligung kann jedoch auch ohne Rücksicht auf während des Organschaftsverhältnisses entstandene Verluste unter den Betrag der Anschaffungskosten sinken. In einem solchen Fall sind Teilwertabschreibungen zulässig (Abgrenzung zum Senatsurteil vom 6. November 1985 I R 56/82, BFHE 145, 78, BStBl II 1986, 73).

GewStG 1984 § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2

Urteil vom 22. April 1998 - I R 109/97 -

Vorinstanz: FG Düsseldorf (EFG 1997, 1448)


Gründe

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) leitet als Holdinggesellschaft eine Reihe von Unternehmen, an denen sie unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist. Zu den Geschäftsbereichen der Unternehmensgruppe gehört u.a. der Maschinenbau. In diesem Geschäftsbereich ist die Klägerin über die R-GmbH, deren Geschäftsanteile sie zu 100 v.H. hält, zu 69,9 v.H. an der J-AG beteiligt. Die J-AG hielt seit 1983 sämtliche Geschäftsanteile an der J-GmbH. Diese Gesellschaft war ihrerseits alleinige Gesellschafterin der H-GmbH. Zwischen der Klägerin als Organträgerin einerseits und den genannten Beteiligungsgesellschaften als Organgesellschaften andererseits bestanden steuerlich anzuerkennende Organschaftsverhältnisse, wobei von den genannten Unternehmen nur die J-GmbH mit der Klägerin einen Ergebnisabführungsvertrag (EAV) geschlossen hatte.

Das Stammkapital der H-GmbH belief sich im Streitjahr (1985) auf 4 Mio. DM, ihre Rücklagen betrugen 3,1 Mio. DM. In den Jahren 1978 bis 1984 erlitt sie Verluste in Höhe von insgesamt 16 562 767 DM. Die Klägerin glich diese Verluste jeweils über die ihr nachgeordneten Unternehmen des Organkreises aus; die Verluste wurden ihr zugerechnet. 1977 und 1985 erzielte die H-GmbH Gewinne in Höhe von 1 518 477 DM und 631 514 DM. In der Unternehmensplanung der Unternehmensgruppe waren für die H-GmbH für die Jahre 1986 bis 1989 folgende Gewinne geplant: 0,1 Mio. DM, 0,5 Mio. DM, 0,6 Mio. DM, 0,6 Mio. DM. In einem internen Vermerk wurden im Juli 1985 Zweifel geäußert, ob diese Ergebnisse tatsächlich zu erzielen seien. Der Investitionsbedarf in den nächsten drei Jahren wurde auf 4 bis 6 Mio. DM geschätzt; man ging ferner davon aus, daß zusätzliche Mitarbeiter eingestellt werden müßten, was zu in der Planung nicht berücksichtigten Kostenbelastungen führe. Die künftigen Ertragsaussichten der H-GmbH wurden daher als "bestenfalls ausgeglichen, mit größter Wahrscheinlichkeit aber negativ" beurteilt. In dem Vermerk wurde deshalb empfohlen, die Beteiligung an einen Wettbewerber zu veräußern. Hierbei sollte ein Veräußerungsverlust in Kauf genommen werden, weil dieser niedriger eingeschätzt wurde als die künftig zu erwartenden Betriebsverluste.

Die angesprochene Veräußerung erfolgte sodann durch Vertrag vom 11. November 1985 mit Wirkung zum Jahreswechsel 1985/86 für 2,5 Mio. DM. Die Veräußerin, die J-GmbH, bildete für die Zeit vom 1. Januar bis zum 30. November 1985 ein Rumpfwirtschaftsjahr und schrieb den Buchwert der Beteiligung an der H-GmbH in Höhe von 7 081 666 DM zum Bilanzstichtag (30. November 1985) gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf 2,5 Mio. DM ab. Die J-GmbH wurde durch Vertrag vom 28. November 1985 mit Wirkung zum 30. November 1985 mit der J-AG verschmolzen. Der Kaufpreis für die Anteile an der H-GmbH wurde seitens der Erwerberin aufgrund von Gewährleistungsverpflichtungen hinsichtlich der Bilanzansätze in der Bilanz der H-GmbH zum 31. Dezember 1985 in den Jahren 1987 und 1988 um insgesamt 1,5 Mio. DM gemindert.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) vertrat die Auffassung, daß die von der J-GmbH auf die Beteiligung an der H-GmbH vorgenommene Teilwertabschreibung im gewerbesteuerlichen Organkreis --mit Rücksicht auf die Anweisung in Abschn. 42 Abs. 1 der Gewerbesteuer-Richtlinien (GewStR) 1984 und das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 6. November 1985 I R 56/82 (BFHE 145, 78, BStBl II 1986, 73)-- rückgängig zu machen sei, und erließ einen dementsprechend geänderten Gewerbesteuer-Meßbescheid 1985. Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen gerichteten Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 1448 abgedruckten Gründen statt.

Seine Revision begründet das FA mit Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet.

1. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) 1984 gelten Kapitalgesellschaften, die derart in ein anderes inländisches gewerbliches Unternehmen eingegliedert sind, daß die Voraussetzungen des § 14 Nr. 1 und 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) erfüllt sind, als Betriebsstätten des anderen Unternehmens (sog. gewerbesteuerrechtliche Organschaft). Trotz dieser Fiktion bilden die eingegliederten Kapitalgesellschaften (die Organgesellschaften) und das andere Unternehmen (der Organträger) kein einheitliches Unternehmen. Sie bleiben vielmehr selbständige Gewerbebetriebe, die einzeln für sich bilanzieren und deren Gewerbeerträge getrennt zu ermitteln sind (ständige Rechtsprechung des BFH, siehe Urteile vom 17. Februar 1972 IV R 17/68, BFHE 105, 383, BStBl II 1972, 582; in BFHE 145, 78, BStBl II 1986, 73; vom 23. Januar 1992 XI R 47/89, BFHE 167, 158, BStBl II 1992, 630; vom 2. Februar 1994 I R 10/93, BFHE 173, 426, BStBl II 1994, 768; vom 25. Juli 1995 VIII R 54/93, BFHE 178, 448, BStBl II 1995, 794; vom 25. Oktober 1995 I R 76/93, BFH/NV 1996, 504, und vom 18. September 1996 I R 44/95, BFHE 181, 504, BStBl II 1997, 181). Die Organschaft führt jedoch dazu, daß die persönliche Gewerbesteuerpflicht der Organgesellschaften für die Dauer der Organschaft dem Organträger zugerechnet wird (s. Senatsurteil vom 27. Juni 1990 I R 183/85, BFHE 161, 157, 160, BStBl II 1990, 916, 918). Deshalb ist der einheitliche Gewerbesteuermeßbetrag für die zum Organkreis gehörenden Gewerbebetriebe --das sind die Gewerbebetriebe des Organträgers und der Organgesellschaft(en)-- allein gegenüber dem Organträger festzusetzen.

Um den für die Festsetzung des Steuermeßbetrages nach dem Gewerbeertrag maßgebenden Gewerbeertrag des Organkreises zu ermitteln, sind die getrennt ermittelten Gewerbeerträge des Organträgers und der Organgesellschaft(en) zusammenzurechnen und die Summe um die sich aufgrund der Zusammenrechnung etwa ergebenden steuerlichen Doppelbelastungen oder ungerechtfertigten steuerlichen Entlastungen zu korrigieren. Je nachdem, um welchen Rechenposten es sich handelt, sind die Korrekturen entweder bereits bei den selbständig ermittelten Gewerbeerträgen der zum Organkreis gehörenden Betriebe oder nachfolgend durch Hinzurechnungen zu bzw. Abzüge von der Summe der getrennt ermittelten Gewerbeerträge vorzunehmen. Rechtsgrundlage der Korrekturen ist § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG (s. Senatsurteile in BFHE 145, 78, BStBl II 1986, 73, m.w.N.; BFHE 173, 426, BStBl II 1994, 768; BFHE 178, 448, BStBl II 1995, 794; BFHE 181, 504, BStBl II 1997, 181).

2. Auf die vorgenannte Weise sind auch Gewinnminderungen infolge Teilwertabschreibungen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG) auf Beteiligungen an Organgesellschaften bei der Ermittlung des Gewerbeertrages des Organkreises durch entsprechende Hinzurechnungen zu korrigieren (neutralisieren), soweit die Teilwertabschreibungen betragsmäßig den erlittenen Verlusten der Organgesellschaften entsprechen. Wie der erkennende Senat in seinem Urteil in BFHE 145, 78, BStBl II 1986, 73 entschieden hat, mindern derartige Teilwertabschreibungen den Gewerbeertrag des Organkreises nicht. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird auf dieses Urteil verwiesen.

3. Im Streitfall ist die Vorinstanz von diesen Rechtsprechungsgrundsätzen ausgegangen und hat sie zutreffend angewandt. Zwar hat der Senat in seinem Urteil in BFHE 145, 78, BStBl II 1986, 73 (unter 2. der Entscheidungsgründe) vermutet, daß bei einer Teilwertabschreibung durch den Organträger in oder nach jenem Jahr, in welchem die Organgesellschaft den Verlust erlitten hat, die Wertminderung der Beteiligung zumindest auch auf den Vorgängen bei der Organgesellschaft beruht, die dort zu einem negativen Jahresergebnis geführt haben. Daran hält der Senat ebenfalls fest. Verluste eines Unternehmens verringern in der Regel den Wert der Beteiligungen an diesem Unternehmen. Das schließt indes nicht aus, daß es sich im Einzelfall anders verhalten kann; die Vermutung ist widerlegbar.

Nach Feststellung und Sachverhaltswürdigung des FG ist dies der Klägerin vorliegend gelungen. Das FG hat angenommen, daß die Minderung des Teilwertes der Beteiligung an der H-GmbH nicht durch deren Verluste verursacht worden sei, vielmehr durch mangelnde künftige Rentabilität. Dieser Umstand sei nicht identisch mit den die Ertragssphäre betreffenden Verlusten der Vergangenheit. Ausschlaggebend für die Ermittlung des Kaufpreises für die Beteiligung an der H-GmbH seien nicht Substanzwertgesichtspunkte gewesen, sondern die künftigen Ertragsaussichten. - Diese Feststellungen und Wertungen des FG liegen auf tatsächlichem Gebiet; an sie ist der erkennende Senat gebunden (vgl. § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Verstöße gegen die Denkgesetze oder die Gesetze der Logik sind ebensowenig erkennbar wie gegen Verfahrensregeln und werden auch nicht geltend gemacht. Sie erweisen sich nach dem festgestellten Sachverhalt auch als plausibel und nachvollziehbar. Der zunächst mit der Erwerberin vereinbarte Kaufpreis von 2,5 Mio. DM ist erst anschließend --nach der Anteilsübertragung-- auf 1 Mio. DM ermäßigt worden. Es erscheint deshalb naheliegend, daß alleinige Ursache des unter dem Buchwert und der Summe des Stammkapitals und der Rücklagen liegenden Kaufpreises die geringen Ertragsaussichten der H-GmbH gewesen sind, nicht aber die ursprünglichen Verluste.

Soweit das FA mit seiner Revision eine abweichende Auffassung vertritt, setzt es lediglich seine Auffassung an die Stelle der Auffassung des FG, ohne diese im Ergebnis widerlegen zu können. Nach den Feststellungen des FG ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, daß der niedrige Kaufpreis auf einen (negativen) Firmenwert zurückzuführen wäre. Es erweist sich im Ergebnis auch als unbeachtlich, ob eine Verpflichtung der Klägerin zu einer --dann verlustbedingten-- Teilwertabschreibung bestanden hatte, wenn die Beteiligung an der H-GmbH nicht veräußert, sondern gehalten worden wäre. Der Besteuerung unterliegen tatsächlich verwirklichte und nicht hypothetische Sachverhaltsabläufe. Im übrigen blieb es auch unter solchen --gedachten-- Umständen bei den entgegenstehenden Feststellungen der Vorinstanz.



Ende der Entscheidung

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