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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 14.07.2004
Aktenzeichen: I R 111/03
Rechtsgebiete: KStG


Vorschriften:

KStG § 8 Abs. 3 Satz 2
Zahlt eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer zusätzlich zu seinem Festgehalt Vergütungen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit, so liegt darin nicht immer eine verdeckte Gewinnausschüttung (Abgrenzung zu den Senatsurteilen vom 19. März 1997 I R 75/96, BFHE 183, 94, BStBl II 1997, 577, und vom 27. März 2001 I R 40/00, BFHE 195, 243, BStBl II 2001, 655).
Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die steuerliche Behandlung von Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit, die eine GmbH ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer gezahlt hat.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH, die eine Bundesautobahn-Tankstelle betreibt. Sie hat ihren Betrieb gepachtet und unterliegt nach dem Vertrag mit der Verpächterin einer ununterbrochenen Betriebspflicht. Gesellschafter der Klägerin waren im Streitjahr (1998) A mit einem Anteil von 52 v.H. und dessen Sohn B mit einem Anteil von 48 v.H. am Stammkapital. A und B waren zugleich Geschäftsführer der Klägerin, die ca. 40 Arbeitnehmer (einschließlich Aushilfen) beschäftigte.

Nach dem mit A abgeschlossenen Geschäftsführervertrag hatte dieser u.a. Anspruch auf ein Gehalt von 49 400 DM pro Jahr. Ferner war vereinbart, dass A seine Arbeitskraft vorrangig der Klägerin zur Verfügung stellen musste und dass seine wöchentliche Arbeitszeit 38,5 Stunden betrug. A war zu Mehrarbeit verpflichtet, falls die Belange der Klägerin dies erforderten. Nachtarbeit sowie Arbeiten an Sonn- und Feiertagen sollten gesondert vergütet werden, sonstige Mehrarbeit hingegen nicht. Ergänzend dazu heißt es im Geschäftsführervertrag, dass § 3b des Einkommensteuergesetzes (EStG) entsprechend gelte.

Die Klägerin zahlte im Streitjahr an A neben einem Grundgehalt von 49 400 DM und sonstigen Leistungen im Wert von ca. 12 790 DM "steuerfreie Zuschläge" in Höhe von 6 516,63 DM. Letztere behandelte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) bei der Besteuerung der Klägerin als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA). Der dagegen gerichteten Klage hat das Finanzgericht (FG) stattgegeben; sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 425 abgedruckt.

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA eine Verletzung des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG). Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet und deshalb gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Die Annahme des FG, dass die an A gezahlten Zuschläge keine vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG seien, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

1. Die Klägerin hat nach den Feststellungen des FG an ihren Gesellschafter-Geschäftsführer A Zuschläge für Arbeiten an Sonn- und Feiertagen sowie zur Nachtzeit gezahlt. Diese Zahlungen sind Betriebsausgaben, die den Bilanzgewinn der Klägerin mindern. Sie sind aber, sofern sie durch das Gesellschaftsverhältnis zwischen der Klägerin und A veranlasst oder zumindest mitveranlasst sind, zugleich vGA. In diesem Fall dürfen sie das zu versteuernde Einkommen der Klägerin nicht mindern (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG), weshalb sie dann dem Bilanzgewinn außerhalb der Bilanz hinzuzurechnen sind.

2. Nach gefestigter Rechtsprechung des erkennenden Senats sind gesonderte Vergütungen, die eine GmbH ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer für die Ableistung von Überstunden zahlt, aus steuerrechtlicher Sicht regelmäßig vGA (Senatsurteile vom 19. März 1997 I R 75/86, BFHE 183, 94, BStBl II 1997, 577; vom 27. März 2001 I R 40/00, BFHE 195, 243, BStBl II 2001, 655; Senatsbeschluss vom 8. März 2000 I B 90/98, BFH/NV 2000, 991, m.w.N.). Diese Beurteilung beruht auf dem Gedanken, dass ein Geschäftsführer sich in besonderem Maße mit den Interessen und Belangen der von ihm geleiteten Gesellschaft identifizieren und die notwendigen Arbeiten auch dann erledigen muss, wenn dies einen Einsatz außerhalb der üblichen Arbeitszeiten oder über diese hinaus erfordert. Eine gesonderte Vergütung zusätzlicher Arbeitszeiten verträgt sich mit diesem Aufgabenbild nicht, weshalb sie regelmäßig als durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst anzusehen ist. Das gilt namentlich dann, wenn die zusätzliche Vergütung nur für Arbeiten an Sonn- und Feiertagen und zur Nachtzeit gezahlt werden soll, da eine solche Regelung die Annahme rechtfertigt, dass dem Gesellschafter-Geschäftsführer aus im Gesellschaftsverhältnis liegenden Gründen die in § 3b EStG vorgesehene Steuervergünstigung verschafft werden soll (Senatsurteil in BFHE 183, 94, BStBl II 1997, 577). Diese Grundsätze sind auch dann anwendbar, wenn --wie nach den Feststellungen des FG im Streitfall-- der Gesellschafter-Geschäftsführer für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeiten ausschließlich die in § 3b EStG genannten Zuschläge erhält und diese anhand des Festgehalts berechnet werden (Senatsbeschluss vom 19. Juli 2001 I B 14/00, BFH/NV 2001, 1608). Daran hält der Senat fest.

3. Die genannte Rechtsprechung besagt jedoch nicht, dass die Zahlung von Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschlägen an einen Gesellschafter-Geschäftsführer stets als vGA einzustufen ist. Vielmehr kann eine entsprechende Vereinbarung im Einzelfall durch überzeugende betriebliche Gründe gerechtfertigt sein, die geeignet sind, die Vermutung für die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis zu entkräften. Dann liegt keine vGA vor (Senatsurteil in BFHE 183, 94, BStBl II 1997, 577; Senatsbeschlüsse vom 28. Februar 2000 I B 19/99, BFH/NV 2000, 990; vom 8. März 2000 I B 33/98, BFH/NV 2000, 990).

4. Ob eine Vereinbarung zwischen einer GmbH und ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer ausschließlich betrieblich oder --statt dessen oder zugleich-- durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, muss im gerichtlichen Verfahren in erster Linie das FG anhand aller Umstände des konkreten Einzelfalls beurteilen (Senatsurteil vom 23. Juli 2003 I R 80/02, BFHE 203, 114, BStBl II 2003, 926, m.w.N.). Dessen Würdigung kann im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob sie in verfahrensfehlerhafter Weise zustande gekommen ist und ob sie gegen Denkgesetze oder gegen allgemeine Erfahrungssätze verstößt (Senatsurteile vom 27. Februar 2003 I R 46/01, BFHE 202, 241, BStBl II 2004, 132; vom 4. Juni 2003 I R 24/02, BFHE 202, 494, BStBl II 2004, 136). Ist all dies nicht der Fall, so ist der Bundesfinanzhof (BFH) gemäß § 118 Abs. 2 FGO auch dann an die Beurteilung seitens des FG gebunden, wenn eine abweichende Würdigung des Veranlassungszusammenhangs gleichermaßen möglich oder nahe liegend ist.

5. Wurde eine bestimmte Vereinbarung nicht nur mit dem Gesellschafter-Geschäftsführer, sondern auch mit vergleichbaren gesellschaftsfremden Personen abgeschlossen, so kann dies gegen eine Veranlassung der Vereinbarung durch das Gesellschaftsverhältnis sprechen. Eine solche Gestaltung weist nämlich darauf hin, dass die Vereinbarung speziell in dem betreffenden Unternehmen auf betrieblichen Gründen beruht (Senatsurteil vom 22. Oktober 1998 I R 29/98, BFH/NV 1999, 972; vgl. auch Senatsurteil vom 9. Juli 2003 I R 36/02, BFH/NV 2004, 88). Hält die zu beurteilende Regelung in diesem Sinne einem betriebsinternen Fremdvergleich stand, so kann eine vGA auch dann im Einzelfall zu verneinen sein, wenn eine entsprechende Regelung im allgemeinen Wirtschaftsleben unüblich ist oder aus anderen Gründen regelmäßig zur vGA führt.

6. Im Streitfall hat das FG hiernach ohne Rechtsfehler angenommen, dass die streitige Vereinbarung nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst war. Es hat dazu vor allem darauf abgestellt, dass die Klägerin nicht nur mit A und B, sondern gleichermaßen mit ihren übrigen Arbeitnehmern zusätzliche Zahlungen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeiten vereinbart hat. Jene Arbeitnehmer waren zwar nicht Geschäftsführer der Klägerin, weshalb sie nicht kraft eines besonderen Treueverhältnisses zu einem Einsatz auch über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus verpflichtet waren. Doch hat das FG einerseits festgestellt, dass zwei von ihnen Gehälter erhalten haben, die sich in derselben Größenordnung bewegten wie die Gesamtbezüge des A. Nach den unbestrittenen Angaben der Klägerin gegenüber dem FG handelte es sich bei diesen beiden Arbeitnehmern um für den Betrieb mitverantwortliche Schichtführer, also um Angestellte mit Leitungsfunktionen. Andererseits hat das FG die im Streitfall gegebenen Verhältnisse dahin gewürdigt, dass eine regelmäßige Nachtarbeit (auch) von leitungsbefugten Personen betriebsnotwendig gewesen sei und dass A sich dem nicht habe entziehen können. Mithin befand sich A sowohl hinsichtlich der erforderlichen Dienstzeiten als auch im Hinblick auf seine Gesamtbezüge in einer Situation, die mit derjenigen der beiden Schichtführer vergleichbar war. Daraus konnte das FG ohne Verstoß gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze folgern, dass hinsichtlich der an A gezahlten Zuschläge die Vermutung der Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis durch die Gleichbehandlung jener gesellschaftsfremden Arbeitnehmer widerlegt ist.

Diese Würdigung wird entgegen der Annahme des FA nicht dadurch ausgeschlossen, dass A im Gegensatz zu den beiden Schichtführern keiner Weisungsbefugnis unterlag und bestimmte Aufgaben an andere Arbeitnehmer delegieren konnte. Denn die ihnen obliegenden Leitungsaufgaben konnten A und B nach Lage der Dinge nur den beiden Schichtführern anvertrauen, die indessen ohnehin in etwa demselben Umfang wie die Geschäftsführer Nacht-, Sonntags- und Feiertagsdienste leisteten und dafür ungefähr genau so hoch wie jene bezahlt wurden. Es kann dahinstehen, ob es angesichts der ununterbrochenen Betriebspflicht der Klägerin überhaupt möglich gewesen wäre, sämtliche anstehenden Sonntags-, Feiertags- und Nachtschichten allein durch die beiden Schichtführer leiten zu lassen. Jedenfalls hätte ein solches Vorgehen der Klägerin wegen des damit verbundenen Lohnaufwands keinen nennenswerten Vorteil gebracht. Unter diesen Umständen muss darin, dass die Gesellschafter-Geschäftsführer und namentlich A selbst einen Teil der Nachtschichten übernommen haben und dafür im betriebsüblichen Rahmen Zuschläge erhalten haben, keine durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Gestaltung gesehen werden.

7. Im Ergebnis hat das FG die der Klägerin gegenüber festgesetzten und festgestellten Beträge zu Recht antragsgemäß geändert. Die Revision muss mithin als unbegründet zurückgewiesen werden.

Die im FG-Urteil erörterte weitere Frage, ob die von der Klägerin gezahlten Zuschläge für A gemäß § 3b EStG steuerfreie Einnahmen darstellen, ist nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits. Hierüber ist vielmehr ausschließlich im Rahmen der Veranlagung des A zur Einkommensteuer zu entscheiden.

Ende der Entscheidung

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