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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 11.02.2009
Aktenzeichen: I R 15/08
Rechtsgebiete: AO, FGO EStG


Vorschriften:

AO § 169 Abs. 1
AO § 171 Abs. 3
AO § 171 Abs. 3a
AO § 181 Abs. 5 S. 1
FGO § 126 Abs. 2
EStG 1990 § 10d Abs. 1
EStG 1990 § 10d Abs. 2
EStG n.F. § 10d Abs. 4 S. 6
EStG n.F. § 52 Abs. 25 S. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Feststellung eines verbleibenden Verlustabzugs der Ablauf der Feststellungsfrist entgegensteht.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine im Jahr 1994 gegründete GmbH, gab für 1994 und für das Streitjahr 1995 zunächst keine Körperschaftsteuererklärungen ab. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) veranlagte sie daraufhin für diese Jahre nicht zur Körperschaftsteuer. Für das Folgejahr (1996) erließ er einen Körperschaftsteuerbescheid, in dem er die Besteuerungsgrundlagen schätzte.

Während eines deshalb geführten Einspruchsverfahrens reichte die Klägerin ihre Jahresabschlüsse für 1994 und 1995 ein. Diese weisen für 1994 einen Verlust in Höhe von 1 962,75 DM und für 1995 ein Ergebnis von 0 DM aus. Die Klägerin beanstandete im Rahmen ihres Einspruchsvorbringens mit Schreiben vom 18. August 2005, dass in dem Bescheid für 1996 kein verbleibender Verlustabzug aus den Jahren 1994 und 1995 berücksichtigt worden sei. Dazu erklärte das FA, der Ansatz eines Verlustvortrags sei wegen des Ablaufs der Feststellungsfristen für die Vorjahre nicht zulässig.

Nachdem die Klägerin dem widersprochen hatte, erließ das FA einen Bescheid, mit dem es die Feststellung eines verbleibenden Verlustabzugs auf den 31. Dezember 1994 und den 31. Dezember 1995 ablehnte. Der deshalb erhobene Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg. In dem daraufhin eingeleiteten Klageverfahren ist unstreitig geworden, dass der Verlust in Höhe von 1 962,75 DM steuerlich nicht dem Jahr 1994, sondern dem Streitjahr zuzuordnen ist.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt (FG Köln, Urteil vom 11. Dezember 2007 13 K 1179/06). Es führte aus, durch den Antrag der Klägerin auf Berücksichtigung des Verlustabzugs sei die Festsetzungsfrist für die Körperschaftsteuer 1996 gemäß § 171 Abs. 3 und Abs. 3a der Abgabenordnung (AO) gehemmt worden. Diese Frist sei daher noch nicht abgelaufen, was wegen § 181 Abs. 5 Satz 1 AO dazu führe, dass die streitgegenständliche Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs weiterhin zulässig sei. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 546 abgedruckt.

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA eine Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Revision ist unbegründet und deshalb gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat das FA zu Recht verpflichtet, den Verlustvortrag der Klägerin auf den 31. Dezember 1995 antragsgemäß festzustellen.

1.

Nach § 10d Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG 1990) sind in einem Veranlagungszeitraum angefallene Verluste, die nicht nach § 10d Abs. 1 EStG 1990 ausgeglichen worden sind, in den nachfolgenden Veranlagungszeiträumen wie Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen (Verlustabzug). Der am Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibende Verlustabzug ist gesondert festzustellen (§ 10d Abs. 3 Satz 1 EStG 1990). Diese Regelungen gelten im Bereich der Körperschaftsteuer sinngemäß (§ 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes).

2.

Im Streitfall hat das FG festgestellt, dass sich der nach Maßgabe des Körperschaftsteuerrechts ermittelte verbleibende Verlustabzug der Klägerin zum 31. Dezember 1995 auf 1 962,75 DM beläuft. Diese Feststellung ist nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffen worden und deshalb für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO).

3.

Der verbleibende Verlustabzug der Klägerin auf den 31. Dezember 1995 muss, wie das FG zu Recht entschieden hat, gemäß § 10d Abs. 3 Satz 1 EStG 1990 festgestellt werden. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin eine solche Feststellung erst im Jahr 2005 beantragt hat. Im Zeitpunkt der Antragstellung war zwar die Frist für die Festsetzung einer Körperschaftsteuer für den Veranlagungszeitraum 1995 abgelaufen. Das hindert aber den Erlass des von der Klägerin begehrten Feststellungsbescheids nicht.

a)

Für die Feststellung eines verbleibenden Verlustabzugs gelten die Vorschriften über die Besteuerung sinngemäß (§ 181 Abs. 1 Satz 1 AO). Daher sind auf sie u.a. die Bestimmungen über die Festsetzungsfrist (§§ 169 ff. AO) entsprechend anwendbar. Ein Feststellungsbescheid darf deshalb regelmäßig nicht mehr ergehen, wenn die Feststellungsfrist abgelaufen ist (§ 181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 169 Abs. 1 AO).

b)

Im Streitfall war die Feststellungsfrist für den Veranlagungszeitraum 1995 im Zeitpunkt der Antragstellung durch die Klägerin abgelaufen. In diesem Zusammenhang muss nicht erörtert werden, ob der Anlauf jener Frist nach § 170 Abs. 1 AO oder nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 181 Abs. 1 Satz 2 AO zu bestimmen ist (vgl. dazu Bundesfinanzhof --BFH--, Urteil vom 10. Juli 2008 IX R 86/07, BFH/NV 2009, 363, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt; Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 30. November 2007, BStBl I 2007, 825). Denn die Frist hat im einen Fall mit Ablauf des 31. Dezember 1999, im anderen mit Ablauf des 31. Dezember 2002 und damit jedenfalls vor Beginn des Jahres 2005 geendet (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO). Darüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.

c)

Nach § 181 Abs. 5 Satz 1 AO kann aber eine gesonderte Feststellung auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist erfolgen, soweit sie für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist. Diese Regelung greift auch dann ein, wenn --wie im Streitfall-- für das Verlustjahr keine Steuer festgesetzt wurde und ein Steuerbescheid insoweit wegen des Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht mehr ergehen kann (BFH-Urteil vom 2. August 2006 XI R 65/05, BFHE 214, 492, BStBl II 2007, 921). Sie ist im Streitfall einschlägig, da sich die Feststellung des Verlustvortrags auf den 31. Dezember 1995 auf die Festsetzung der Körperschaftsteuer 1996 auswirkt und die für diese Steuerfestsetzung geltende Frist im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem FG nicht abgelaufen war. Letzteres ist nicht nur in dem angefochtenen Urteil ausgeführt, sondern auch zwischen den Beteiligten unstreitig; der Senat geht daher von der Richtigkeit dieser Beurteilung aus. Demnach folgt aus § 181 Abs. 5 Satz 1 AO, dass der Erlass des von der Klägerin begehrten Feststellungsbescheids nicht am Ablauf der Feststellungsfrist scheitert.

d)

Diese Beurteilung wird durch das Jahressteuergesetz 2007 --JStG 2007-- (BGBl. I 2006, 2878, BStBl I 2007, 28) nicht berührt. Nach § 10d Abs. 4 Satz 6 EStG i.d.F. des JStG 2007 (EStG n.F.) ist zwar "§ 181 Abs. 5 der Abgabenordnung ... nur anzuwenden, wenn die zuständige Finanzbehörde die Feststellung des Verlustvortrags pflichtwidrig unterlassen hat". Diese Vorschrift gilt aber ihrerseits nur für bei Inkrafttreten des JStG 2007 noch nicht abgelaufene Feststellungsfristen (§ 52 Abs. 25 Satz 5 EStG n.F.). Um eine solche geht es im Streitfall nicht, da § 181 Abs. 5 AO nicht eine Hemmung des Ablaufs einer Feststellungsfrist anordnet, sondern vielmehr eine Feststellung nach Ablauf jener Frist erlaubt (BFH-Urteile vom 31. Oktober 2000 VIII R 14/00, BFHE 193, 392, 397, BStBl II 2001, 156, 157; vom 10. Juli 2007 IX R 90/07, BFHE 222, 32); die Vorschrift ändert daher nichts daran, dass im Streitfall die Frist zur Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs auf den 31. Dezember 1995 bei Inkrafttreten des JStG 2007 abgelaufen war. Das FG hat mithin zu Recht angenommen, dass § 10d Abs. 4 Satz 6 EStG n.F. im Streitfall nicht eingreift. Auf die Überlegungen des FA zur Frage der "Pflichtwidrigkeit" i.S. des § 10d Abs. 4 Satz 6 EStG n.F. muss angesichts dessen nicht eingegangen werden.

Ende der Entscheidung

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