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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 22.10.1998
Aktenzeichen: I R 15/98
Rechtsgebiete: AO 1977, GmbHG, KStG


Vorschriften:

AO 1977 § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
GmbHG § 73
GmbHG § 30
KStG § 11 Abs. 4 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, befand sich seit dem 1. Juli 1993 in Liquidation. Sie stellte zu diesem Zeitpunkt eine Liquidationseröffnungsbilanz auf und bildete für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 30. Juni 1993 ein Rumpfwirtschaftsjahr. Seit dem 31. März 1996 ist die Klägerin wieder werbend tätig.

Am 28. Dezember 1994 faßte die alleinige Gesellschafterin der Klägerin den Beschluß, Gewinne für 1989 und 1990 mit Zahlungsfälligkeit zum 1. März 1995 auszuschütten. Die Klägerin beantragte daraufhin, die für die Streitjahre 1989 und 1990 ergangenen Körperschaftsteuerbescheide gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) wegen der sich infolge der Ausschüttungen ergebenden Körperschaftsteuerminderungen zu ändern.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) behandelte die Ausschüttung als andere Ausschüttung bzw. als Abschlagszahlung auf den Liquidationserlös und lehnte den Änderungsantrag ab.

Die daraufhin erhobene Klage hatte Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1998, 902 abgedruckt.

Seine Revision begründet das FA mit Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet.

Zwischen den Beteiligten steht in der Sache lediglich die Frage in Streit, ob auch nach Eintritt einer GmbH in das Liquidationsstadium Gewinne durch Gewinnverteilungsbeschluß offen ausgeschüttet werden können, sofern die betreffenden Wirtschaftsjahre, für die ausgeschüttet wird, vor Beginn der Liquidation geendet haben. Der erkennende Senat hat dies in seinen Urteilen vom 12. September 1973 I R 9/72 (BFHE 110, 353, BStBl II 1974, 14) und vom 17. Juli 1974 I R 233/71 (BFHE 113, 112, BStBl II 1974, 692) bejaht, ebenso wie die Frage, ob gleiches auch bezogen auf Gewinnausschüttungen für ein Rumpfwirtschaftsjahr gilt, das wegen der Auflösung der Körperschaft bis zum Auflösungstag gebildet worden ist. Der Senat ist in beiden Fragen der seinerzeit im Handelsrecht herrschenden Auffassung (vgl. die Nachweise im Urteil in BFHE 110, 353, BStBl II 1974, 14) gefolgt, wonach die Beschlußfassung auch noch nach dem genannten Zeitpunkt erfolgen kann. Für die Ausschüttung selbst sei lediglich die Vorschrift des § 73 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) zu beachten; die Ausschüttung dürfe sonach erst nach Ablauf des Sperrjahrs und nach Tilgung oder Sicherstellung der Schulden der Gesellschaft erfolgen. Außerdem müsse die Schutzvorschrift des § 30 GmbHG beachtet werden, d.h. Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis, auch vor Auflösung festgestellte Dividendenforderungen, dürfen vor Erfüllung der Voraussetzungen des § 30 GmbHG nicht zu einer Rückzahlung des Stammkapitals führen (vgl. z.B. Rasner in Rowedder, Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, § 73 Rz. 8, § 30 Rz. 13, m.w.N.).

Der Streitfall und das Vorbringen der Revision geben keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzurücken. Daß die genannten Urteile noch zum alten Körperschaftsteuerrecht ergangen sind, ändert daran nichts, weil die Gesetzeslage in der hier in Rede stehenden Frage im wesentlichen gleichgeblieben ist. Auch und gerade die Regelung in § 11 Abs. 4 Satz 3 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977, wonach das Abwicklungs-Anfangsvermögen um den Gewinn eines vorangegangenen Wirtschaftsjahres, der im Abwicklungszeitraum ausgeschüttet wurde, zu kürzen ist, verdeutlicht, daß entsprechende Gewinnverteilungsbeschlüsse, die nach Beginn der Liquidation gefaßt worden sind, die Verteilung des Liquidationsvermögens unberührt lassen. Dafür, daß der Regelung lediglich klarstellender Charakter für Gewinnausschüttungen aufgrund vorher gefaßter Gewinnverteilungsbeschlüsse beizumessen wäre, ist nichts ersichtlich. Dementsprechend hat sich das steuerliche Schrifttum der bisherigen Senatsrechtsprechung vorbehaltlos und einhellig angeschlossen (vgl. z.B. Wacht in Arthur Andersen, Körperschaftsteuergesetz, § 11 Rz. 46; Graffe in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 11 Rz. 34; Streck, Körperschaftsteuergesetz, 5. Aufl., § 11 Anm. 9 a.E.; s.a. Wassermeyer in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 20 Rdnr. D 14).

Die zwischenzeitliche Entwicklung im Handelsrecht erzwingt ebenfalls keine abweichende Einschätzung. Zwar erweist sich das handelsrechtliche Schrifttum in der Streitfrage als kontrovers (vgl. einerseits Lutter/Hommelhoff, Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 14. Aufl., § 69 Rz. 7; Schulze-Osterloh in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 16. Aufl., § 69 Rz. 6, § 72 Rz. 24; anderseits Hohner in Hachenburg, Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, § 69 Rz. 25; K. Schmidt in Scholz, GmbH-Gesetz, 8. Aufl., § 69 Rz. 25; Rasner in Rowedder, a.a.O., § 69 Rz. 5 und § 72 Rz. 13; Meyer-Landrut in Meyer-Landrut/Miller/Niehues, Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, § 69 Rz. 5). Insofern verhält es sich aber nicht anders als in den Zeitpunkten, in denen die Urteile in BFHE 110, 353, BStBl II 1974, 14 und in BFHE 113, 112, BStBl II 1974, 692 beschlossen wurden. Die Erwägungen, die den Senat seinerzeit zu seiner Auffassung bewogen haben, gelten nach wie vor. Auf sie ist deswegen, um Wiederholungen zu vermeiden, zu verweisen.

Ende der Entscheidung

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