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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 27.06.2001
Aktenzeichen: I R 2/01
Rechtsgebiete: KStG
Vorschriften:
KStG 1991 § 27 Abs. 1 | |
KStG 1991 § 28 Abs. 2 Satz 1 | |
KStG 1991 § 30 Abs. 1 Satz 1 | |
KStG 1991 § 54 Abs. 11 Satz 2 |
Gründe:
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH mit einem abweichenden Wirtschaftsjahr vom 1. Juli bis zum 30. Juni. Anlässlich der Bilanzfeststellungen zum 30. Juni 1991 und 30. Juni 1992 beschlossen ihre Gesellschafter, die Jahresüberschüsse 1990/1991 in Höhe von 174 905,41 DM und 1991/1992 in Höhe von 179 053,02 DM auf neue Rechnung vorzutragen. Der Gewinnvortrag aus den vorhergehenden Wirtschaftsjahren betrug 606 479,01 DM. Am 29./30. Juni 1994 beschloss die Gesellschafterversammlung der Klägerin eine Gewinnausschüttung für das Wirtschaftsjahr 1990/91 in Höhe von 180 235 DM und für das Wirtschaftsjahr 1991/92 in Höhe von 293 153 DM. Die Beträge wurden am 25. Oktober 1994 ausbezahlt.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) stellte die Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals (vEK) gemäß § 47 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1991) zum 30. Juni 1994 ohne eine Verringerung durch die offenen Gewinnausschüttungen für die Wirtschaftsjahre 1990/91 und 1991/92 und nach Umgliederung des positiven Teilbetrags EK 56 in EK 50 und EK 02 gemäß § 54 Abs. 11 Satz 2 KStG 1991 fest. Die Körperschaftsteuer für 1991 und 1992 (Streitjahre) wurde infolge der beschlossenen Gewinnausschüttungen unter Berücksichtigung von Körperschaftsteuerminderungen festgesetzt, wobei das FA abweichend von der Klägerin nicht von Ausschüttungen aus dem EK 56, sondern von einer Verwendung des EK 50 ausging (vgl. Bundesministerium der Finanzen --BMF--, Schreiben vom 16. Mai 1994, BStBl I 1994, 315).
Die gegen die Feststellung des vEK zum 30. Juni 1994 und gegen die Festsetzung der Körperschaftsteuer 1991 und 1992 gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 232 abgedruckt.
Seine dagegen gerichtete Revision begründet das FA mit Verletzung materiellen Rechts.
Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist unbegründet.
1. Nach § 27 Abs. 1 KStG 1991 mindert oder erhöht sich im Falle einer Ausschüttung die Körperschaftsteuer um den Unterschiedsbetrag zwischen der eingetretenen Belastung des Eigenkapitals (Tarifbelastung), das nach § 28 KStG 1991 als für die Ausschüttung verwendet gilt, und der Belastung, die sich hierfür bei Anwendung eines Steuersatzes von 36 v.H. des Gewinns vor Abzug der Körperschaftsteuer ergibt (Ausschüttungsbelastung). Nach § 28 Abs. 2 Satz 1 KStG 1991 sind Gewinnausschüttungen, die auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluss für ein abgelaufenes Wirtschaftsjahr beruhen, mit dem vEK zum Schluss des letzten vor dem Gewinnverteilungsbeschluss abgelaufenen Wirtschaftsjahres zu verrechnen.
Zu diesen Tatbestandsvoraussetzungen hat das FG in tatsächlicher Hinsicht und den erkennenden Senat bindend (vgl. § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) festgestellt, dass die Klägerin am 29./30. Juni 1994 jeweils eine Ausschüttung für die Wirtschaftsjahre 1990/91 und 1991/92 beschlossen und noch in 1994 an die Gesellschafter ausgezahlt hat. Beide Ausschüttungen sind solche i.S. von § 28 Abs. 2 Satz 1 KStG 1991, weil sie auf einem Gewinnverteilungsbeschluss für ein bereits abgelaufenes Wirtschaftsjahr beruhen. Dass sie nicht solche sind, die im jeweiligen Folgejahr für das zurückliegende Wirtschaftsjahr beschlossen wurden, vielmehr sog. Nachtragsausschüttungen für weiter zurückliegende Wirtschaftsjahre, ist unbeachtlich. Auch solche Ausschüttungen entsprechen den einschlägigen handelsrechtlichen Vorschriften und sind steuerlich anzuerkennen (vgl. Senatsurteile vom 11. April 1990 I R 38/89, BFHE 161, 443, BStBl II 1990, 998; vom 29. November 2000 I R 45/00, BFHE 193, 500, BStBl II 2001, 326, jeweils m.w.N.). Für beide Arten von Ausschüttungen sieht deshalb § 28 Abs. 2 Satz 1 KStG 1991 eine Verrechnung mit dem zum 30. Juni 1993 festgestellten vEK vor.
2. Bei dieser Rechtsfolge bleibt es ungeachtet des Umstandes, dass die Ausschüttungen nicht im Wirtschaftsjahr der Beschlussfassung, sondern im Oktober 1994 und damit im nachfolgenden Wirtschaftsjahr bei der Klägerin abflossen. Der Regelungswortlaut in § 28 Abs. 2 Satz 1 KStG 1991 und die darin bestimmte Zeitpunktfixierung sind eindeutig; sie belassen keine Auslegungsmöglichkeiten. Allein maßgeblich ist hiernach die Beschlussfassung über die Gewinnausschüttung, nicht aber der tatsächliche Mittelabfluss. Auch die Umgliederung der Eigenkapitalbestände gemäß § 54 Abs. 11 KStG 1991 kann daran nichts ändern.
a) Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die beschlossene Gewinnausschüttung das vEK erst bei Abfluss vermindert. In der Zwischenzeit ist das für die Ausschüttung verwendete Eigenkapital zwar noch vorhanden, es darf aber steuerrechtlich nicht für andere Ausschüttungen verwendet werden; andernfalls droht die doppelte Verwendung solcher Eigenkapitalanteile. Um diesem Problem zu entgehen, behilft sich die Finanzverwaltung, indem sie die betreffenden Eigenkapitalanteile als verwendet "reserviert" und damit für weitere Ausschüttungen blockiert (Abschn. 78 Abs. 2 der Körperschaftsteuer-Richtlinien --KStR--; vgl. auch Dötsch in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 27 KStG a.F. Rz. 166, § 28 KStG a.F. Rz. 13 f.; Frotscher in Frotscher/Maas, Körperschaftsteuergesetz, § 28 KStG a.F. Rz. 18; Koenig in Seeger/Mössner, Körperschaftsteuergesetz, § 28 Rz. 26 ff.). Nach anderer Auffassung soll sich stattdessen bei einer Ausschüttung, die in dem dem Gewinnverteilungsbeschluss folgenden Kalenderjahr vollzogen wird, das vEK in dem Kalenderjahr des Gewinnverteilungsbeschlusses vermindern (vgl. z.B. Jünger in Lademann, Körperschaftsteuergesetz, § 28 Rz. 15 ff.).
b) Für den Streitfall muss diese Frage nicht entschieden werden. Denn gleichviel, welcher Rechtsauffassung man folgt, geht die in § 28 Abs. 2 Satz 1 KStG 1991 bestimmte Verwendungsfiktion der in § 54 Abs. 11 KStG 1991 angeordneten Umgliederung des vEK auch bei verspätet abgeführten Gewinnausschüttungen vor.
aa) Gemäß § 54 Abs. 11 KStG 1991 sind noch vorhandene Restbestände des EK 56 infolge der Steuersatzsenkung von zuvor 56 v.H. auf 50 v.H. (vgl. § 23 Abs. 1 KStG 1977 einerseits, § 23 Abs. 1 KStG 1991 andererseits) zum Schluss des letzten vor dem 1. Januar 1995 endenden Wirtschaftsjahres --im Streitfall also zum 30. Juni 1994-- auf die Teilbeträge des EK 50 und EK 02 umzugliedern. Diese Umgliederung ist nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 54 Abs. 11 Satz 2 KStG 1991 "bei der Gliederung" des vEK zum 30. Juni 1994 vorzunehmen. Die Regelung dient letztlich "technischen" Vereinfachungszwecken; nach Ablauf einer fünfjährigen Übergangsfrist zum "Verbrauch" des mit 56 v.H. vorbelasteten Eigenkapitals soll die Gliederungsrechnung nicht mehr mit dem Alt-EK belastet und deshalb der weggefallene (höhere) Steuersatz in der Gliederungsrechnung nicht mehr fortgeschrieben werden.
bb) Dennoch wird die materielle Verwendungsfiktion in § 28 Abs. 2 Satz 1 KStG 1991 dadurch nicht verdrängt. Zwar ist die Ausschüttungsbelastung gemäß § 27 Abs. 1 KStG 1991 erst mit Abfluss der Ausschüttungen herzustellen, vorliegend also im Oktober 1994 und deshalb nach dem Schluss des betreffenden Wirtschaftsjahres 1993/94 am 30. Juni 1994. Die nach diesem Zeitpunkt abgeführte Gewinnausschüttung stellt sich entgegen der Annahme des FG im Hinblick auf die Feststellung der Teilbeträge des vEK auch nicht als ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) dar; die Gewinnausschüttung muss nur im nachrichtlichen Teil des Feststellungsbescheides gemäß § 47 KStG 1991 zum Schluss des Wirtschaftsjahres, das dem Gewinnverteilungsbeschluss vorangeht, berücksichtigt werden. Sie wirkt indes über § 28 Abs. 2 Satz 1 KStG 1991 auf den darin bestimmten Zeitpunkt --den Schluss des letzten vor dem Gewinnverteilungsbeschluss abgelaufenen Wirtschaftsjahres, im Streitfall der 30. Juni 1993-- zurück und knüpft an diesen Zeitpunkt inhaltlich an. Zu diesem Zeitpunkt war die Umgliederung des EK 56 in EK 50 aber noch nicht vorzunehmen, so dass der darauf gerichtete Gesetzesbefehl in § 54 Abs. 11 Satz 2 KStG 1991 im Ergebnis auch nicht unterlaufen werden konnte. Umgekehrt würde aber § 28 Abs. 2 Satz 1 KStG 1991 unterlaufen, wenn die in dem betreffenden Zeitpunkt vorhandenen höherbelasteten Eigenkapitalbestände im Wege der Umgliederung "vernichtet" werden könnten, obwohl sie im Ergebnis für (Nachtrags-)Ausschüttungen verwendet werden. Solange letzteres der Fall ist, ist für die Umgliederung dieser Bestände ohne eine ausdrückliche entgegenstehende Regelung, wie sie in § 54 Abs. 11 Satz 6 KStG 1999 für die mit § 23 Abs. 1 KStG 1991 vergleichbare, abermalige Tarifabsenkung auf 40 v.H. gemäß § 23 Abs. 1 KStG 1999 enthalten ist, kein Raum. Es bleibt vielmehr dabei, dass die hiernach ausgewiesenen Eigenkapitalbestände nach wie vor für die Verrechnung mit --auch nachträglich-- beschlossenen und abgeführten Gewinnausschüttungen für Wirtschaftsjahre, die vor dem 1. Januar 1995 enden, in unveränderter Zusammensetzung zur Verfügung stehen (ebenso z.B. Rekow in Arthur Andersen, Körperschaftsteuergesetz, vor § 27 KStG a.F. Rz. 53 ff. und § 28 KStG a.F. Rz. 26; Bott, daselbst, § 54 KStG a.F. Rz. 181 --bis zur 19. Ergänzungslieferung-- und Rz. 197; Streck, Körperschaftsteuergesetz, 5. Aufl., § 28 Anm. 5; Frotscher in Frotscher/Maas, a.a.O., § 28 KStG a.F. Rz. 18 b). Der hiervon abweichenden Praxis der Finanzverwaltung (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 1994, 315; dem beipflichtend Pung in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, a.a.O., § 54 KStG a.F. Rz. 115 d) ist nicht zu folgen.
cc) Entgegen der Annahme des FA steht dem das Senatsurteil vom 22. Oktober 1998 I R 35/97 (BFHE 187, 440, BStBl II 1999, 171) nicht entgegen. Dort ging es nicht, wie im Streitfall, um eine Gewinnausschüttung für ein abgelaufenes, sondern um eine Vorabausschüttung für das laufende Wirtschaftsjahr. Eine solche ist als "andere Ausschüttung" i.S. von § 28 Abs. 2 Satz 2 KStG 1991 mit dem vEK zum Schluss des laufenden Wirtschaftsjahres zu verrechnen, wenn die Vorabausschüttung in diesem Wirtschaftsjahr abfließt. Alle Vorgänge des Jahres, in dem die Ausschüttung erfolgt, sind also vor der Ausschüttung zu verrechnen. Auch eine Umgliederung von belastetem Eigenkapital ist vorzunehmen, so dass durch die Vorabausschüttung die Umgliederung (und damit der Untergang des höher belasteten Teilbetrages) von vornherein nicht verhindert werden kann.
Ende der Entscheidung
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