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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 15.10.1997
Aktenzeichen: I R 2/97
Rechtsgebiete: KStG, AO
Vorschriften:
KStG § 5 Abs. 1 Nr. 9 | |
AO 1977 § 14 |
Ein der Besteuerung unterliegender wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb liegt vor, wenn eine gemeinnützige Körperschaft
- den Mitgliedern ihrer Unterverbände gegen Bezahlung Versicherungsschutz gewährt oder
- für die genannten Mitglieder einen Gruppenversicherungsvertrag abschließt, aufgrund dessen sie das Beitragsinkasso und Informationspflichten übernimmt und eine Überschußbeteiligung erhält.
KStG § 5 Abs. 1 Nr. 9 AO 1977 § 14
Urteil vom 15. Oktober 1997 - I R 2/97
Vorinstanz: FG Köln (EFG 1997, 485)
Gründe
I.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein e.V., ist als gemeinnützig anerkannt. Er unterhielt in den Streitjahren 1985 bis 1989 einen Rettungsdienst, der von jedermann in Anspruch genommen werden konnte. Dem Rettungsdienst konnten Vereine --nur für alle ihre Mitglieder gemeinsam-- "beitreten". Nach den Feststellungen einer Außenprüfung, die auch das Finanzgericht (FG) seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, war Inhalt der zwischen dem Kläger und den Vereinen abgeschlossenen Verträge die Durchführung und die Kostendeckung von Rettungsaktionen durch Einrichtungen des Klägers. Die Vereine hatten an den Kläger hierfür jährlich pro Mitglied einen festgelegten Preis zu zahlen.
Der Kläger schloß zur Abdeckung der aus den Einsätzen resultierenden Kosten jeweils einen "Versicherungsvertrag" und einen "Rahmenvertrag" mit einem Versicherungsunternehmen ab:
- Nach dem "Versicherungsvertrag" war Versicherungsnehmer der Kläger. In Abweichung von den allgemeinen Versicherungsbedingungen war in § 6 Abs. 2 des Versicherungsvertrages vereinbart, daß ein erwirtschafteter Überschuß an den Kläger nach den im Geschäftsplan festgelegten Grundsätzen ausgeschüttet werden sollte.
- Nach dem "Rahmenvertrag" war Versicherungsnehmer das einzelne Vereinsmitglied. Ein erwirtschafteter Überschuß sollte im Hinblick auf die Geringfügigkeit des auf den einzelnen Versicherungsnehmer entfallenden Überschußanteils nicht an diesen ausgeschüttet, sondern dem Kläger nach den im Geschäftsplan festgelegten Grundsätzen als Spende für humanitäre Zwecke zur Verfügung gestellt werden.
Nach beiden Verträgen war der Kläger verpflichtet, die Mitglieder im Auftrag des Versicherers über die Einzelheiten des Versicherungsschutzes zu informieren. Nach dem "Rahmenvertrag" oblag das Inkasso der Versicherungsbeiträge dem Kläger.
Die dem Kläger zugeflossenen Überschußbeteiligungen beliefen sich auf ... DM.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) beurteilte die Überschußbeteiligung als Einnahmen aus einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, mit dem der Kläger der Besteuerung unterliege.
Gegen die entsprechend ergangenen Körperschaftsteueränderungsbescheide für 1985 bis 1989 legte der Kläger erfolglos Einspruch ein. Die Klage hatte Erfolg (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1997, 485).
Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung des § 14 der Abgabenordnung (AO 1977) sowie des § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 KStG sind Körperschaften, die nach der Satzung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen, von der Körperschaftsteuer befreit. Wird allerdings ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb unterhalten, ist die Steuerbefreiung insoweit ausgeschlossen (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 KStG).
Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist eine selbständige nachhaltige Tätigkeit, durch die Einnahmen oder andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden und die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht. Die Absicht, Gewinn zu erzielen, ist nicht erforderlich (§ 14 Sätze 1 und 2 AO 1977).
1. Die vom Kläger im Zusammenhang mit der Kostendeckung erbrachten Leistungen sind gegenüber der Durchführung der Rettungsaktionen selbständige Tätigkeiten.
a) Die Tätigkeit des Klägers i.S. des § 14 AO 1977 bestand darin, Versicherungsschutz zu gewähren bzw. zu vermitteln und zugunsten des Versicherers Versicherungsbeiträge einzuziehen und Informationspflichten zu erfüllen.
Nach den Feststellungen des FG war der Kläger aufgrund der von ihm mit den Vereinen abgeschlossenen Verträge verpflichtet, Vereinsmitgliedern gegenüber unter bestimmten Voraussetzungen Sach- und Personalleistungen zu erbringen und für die Kostenabdeckung zu sorgen. Diese Feststellungen versteht der Senat unter Berücksichtigung der vom Kläger am 19. Februar 1982 abgeschlossenen Versicherungsverträge dahin, daß der Kläger insoweit unmittelbar zur Kostenübernahme verpflichtet war, da er dieses Risiko durch den "Versicherungsvertrag" abdeckte. Die Gewährung von Versicherungsschutz ist eine Tätigkeit i.S. des § 14 AO 1977.
Für die übrigen Mitglieder, die laut "Rahmenvertrag", anders als nach dem "Versicherungsvertrag", selbst Versicherungsnehmer waren, könnte die Tätigkeit des Kläger im Verhältnis zu den Mitgliedern möglicherweise nur darin bestanden haben, diesen kostengünstige Versicherungsleistungen zu vermitteln. Auch darin läge zwar eine Tätigkeit. Insoweit wäre aber zweifelhaft, ob diese nachhaltig wäre. Eine nachhaltige Tätigkeit entwickelte der Kläger insoweit aber gegenüber dem Versicherer, für den er das Inkasso der Versicherungsbeiträge und bestimmte Informationsaufgaben übernahm (vgl. Urteil des Bundesfinanzhof --BFH-- vom 27. Juni 1990 I R 166/85, BFH/NV 1991, 628).
b) Diese Tätigkeiten sind auch selbständig i.S. des § 14 AO 1977.
Selbständig ist eine Tätigkeit, wenn sie nicht mit anderweitigen Betätigungen der Körperschaft dergestalt zusammenhängt, daß ihre Ausübung ohne die anderweitige Betätigung nicht möglich wäre (BFH-Urteil vom 18. Januar 1984 I R 138/79, BFHE 140, 463, BStBl II 1984, 451, m.w.N.). Daß eine derartige wechselseitige Verflechtung zwischen den Rettungsmaßnahmen und den Versicherungsleistungen i.v. nicht besteht, verdeutlicht allein schon die Tatsache, daß die Rettungsmaßnahmen auch gegenüber solchen Personen erbracht werden, die nicht beim Kläger versichert sind.
2. Der Kläger erzielte im Zusammenhang mit seinen Versicherungsleistungen bzw. mit der Vermittlung kostengünstiger Versicherungsleistung bzw. der Übernahme des Inkassos u.a. auch Einnahmen i.S. des § 14 AO 1977.
a) Soweit der Kläger selbst im Verhältnis zu den Vereinsmitgliedern die Kostentragung übernahm, erzielte er unmittelbar Einnahmen von den Versicherten. Diese Beträge waren keine Mitgliederbeiträge i.S. des § 8 Abs. 6 KStG. Sie wurden ausschließlich dafür bezahlt, daß der Kläger die Kosten für die Mitglieder übernahm. Mitgliedsbeiträge i.S. des § 8 Abs. 6 KStG sind nur solche Beiträge, die ein Mitglied einer Personenvereinigung lediglich in ihrer Eigenschaft als Mitglied nach der Satzung zu entrichten hat. Vereinsbeiträge, die ein Entgelt für bestimmte Leistungen einer Körperschaft zugunsten von Vereinsmitgliedern darstellen, sind keine Mitgliedsbeiträge (vgl. BFH-Urteil vom 28. Juni 1989 I R 86/85, BFHE 157, 416, BStBl II 1990, 550, m.w.N.).
Zu den Einnahmen dieses wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs gehören ferner die dem Kläger vom Versicherer gezahlten Überschußbeteiligungen. Sie stehen in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der rückgedeckten Kostenübernahme. Dies folgt aus dem "Versicherungsvertrag", der dem Kläger unmittelbar als Versicherungsnehmer einen Anspruch auf Überschußbeteiligung einräumt (vgl. § 6 Abs. 2 des Versicherungsvertrages).
b) Soweit der Kläger nicht zur Kostenübernahme, sondern nur zur Vermittlung kostengünstigen Versicherungsschutzes verpflichtet gewesen ist, gilt im Ergebnis nichts anderes.
aa) Insoweit dürfte zwar zweifelhaft sein, ob die Beiträge der Mitglieder und Versicherungsnehmer zur Erlangung des Versicherungsschutzes als sog. durchlaufende Posten (vgl. § 4 Abs. 3 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes) Einnahmen des Klägers i.S. des § 14 AO 1977 sein können. Auf jeden Fall wäre aber (zumindest) die Überschußbeteiligung Einnahme des Klägers, da diese in rechtlich und wirtschaftlich unlösbarem Zusammenhang mit der Vermittlung der Versicherungsleistung bzw. der vom Kläger gegenüber dem Versicherer erbrachten Inkassoleistung o.ä. stand.
bb) Die Überschußbeteiligung ist keine Spende, weil weder die Versicherten noch der Versicherer dem Kläger die Überschußbeteiligung gespendet haben. Die Überschußbeteiligung war Gegenleistung für die vom Kläger im Zusammenhang mit der Vermittlung des Versicherungsschutzes erbrachten Leistungen.
Ende der Entscheidung
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