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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 07.11.2001
Aktenzeichen: I R 28/01
Rechtsgebiete: KStG, EStG, EStG 1990


Vorschriften:

KStG § 54 Abs. 5 a
KStG § 5 Abs. 1 Nr. 9
KStG § 5 Abs. 1 Nr. 18
EStG § 43 Abs. 1 Nr. 1
EStG 1990 § 44c Abs. 1
EStG 1990 § 44c Abs. 2
EStG 1990 § 44c Abs. 1 Satz 2
EStG 1990 § 44c Abs. 1 Satz 1
EStG 1990 § 44c Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
I R 28/01 I R 29/01

Gründe:

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Wirtschaftsförderungsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH.

Ihr flossen im September und im Dezember 1994 (Streitjahr) Kapitalerträge i.S. von § 43 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG 1990) zu. Die Klägerin bzw. (betreffend den Zufluss im Dezember 1994) als deren Vertreter die depotführenden Kreditinstitute (vgl. § 36c EStG 1990) beantragten beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Bundesamt für Finanzen --BfF--), die hierbei einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer gemäß § 44c Abs. 1 EStG 1990 zu erstatten. Der Klägerin war dazu am 29. Oktober 1991 für den Zeitraum vom 1. Januar 1992 bis 31. Dezember 1994 durch das zuständige Finanzamt (FA) gemäß § 44c Abs. 1 Satz 2 EStG 1990 bescheinigt worden, dass sie eine gemeinnützige Körperschaft i.S. des § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) sei und dass sie deshalb die Erstattungsvoraussetzungen des § 44c Abs. 1 Satz 1 EStG 1990 erfülle. Den Anträgen wurde --durch unter Vorbehalt der Nachprüfung stehende Bescheide vom 27. Oktober 1994 und 26. Januar 1995-- entsprochen.

Am 15. Dezember 1994 widerrief das FA die von ihm gemäß § 44c Abs. 1 Satz 2 EStG 1990 erteilte Bescheinigung rückwirkend zum 1. Januar 1994. Grund hierfür war die neugeschaffene Befreiungsvorschrift in § 5 Abs. 1 Nr. 18 KStG i.d.F. des Gesetzes zur Verbesserung der steuerlichen Bedingungen zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland im Europäischen Binnenmarkt --Standortsicherungsgesetz-- (StandOG) vom 13. September 1993 (BGBl I 1993, 1569, BStBl I 1993, 774). Dadurch entfalle die bisherige Behandlung von Wirtschaftsförderungsgesellschaften als gemeinnützig i.S. von § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG, und zwar --entsprechend dem Übergangserlass des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 15. November 1993 (Finanz-Rundschau --FR-- 1994, 30) abweichend von der gesetzlichen Regelung in § 54 Abs. 5 a KStG i.d.F. des StandOG-- erstmals vom Veranlagungszeitraum 1994 und nicht bereits vom Veranlagungszeitraum 1993 an. Die dagegen gerichtete Klage hatte im Revisionsverfahren teilweise Erfolg. Der erkennende Senat bestätigte zwar den zukünftigen Widerruf, weil die Klägerin nicht als gemeinnützig zu behandeln sei. Er hielt die rückwirkende Aufhebung der Bescheinigung indes für nicht rechtmäßig (Urteil vom 21. Mai 1997 I R 38/96, BFH/NV 1997, 904).

Gleichwohl verringerte das BfF die zunächst festgesetzten Erstattungsbeträge gemäß § 44c Abs. 2 EStG 1990 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 18 KStG auf die Hälfte der einbehaltenen Kapitalertragsteuer und forderte die Unterschiedsbeträge durch Änderungsbescheide vom 4. und 5. Februar 1998 zurück. Die Klägerin könne als nicht gemeinnützige Körperschaft i.S. von § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG die volle Erstattung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer gemäß § 44c Abs. 1 EStG 1990 nicht beanspruchen. Die entgegenstehende Bescheinigung des FA sei insofern unbeachtlich. Maßgeblich sei allein die materielle Rechtslage. Der Bescheinigung komme lediglich eine Nachweisfunktion zu.

Die anschließenden Klagen blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) wies sie mit in der Sache übereinstimmenden Gründen ab (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2001, 573).

Ihre dagegen gerichteten Revisionen stützt die Klägerin auf Verletzung materiellen Rechts.

Sie beantragt, die FG-Urteile und die angefochtenen Bescheide aufzuheben.

Das BfF beantragt, die Revisionen zurückzuweisen.

II. 1. Die Revisionen werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden (§ 73 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Ein Ruhen des Verfahrens I R 29/01155 FGO, § 251 der Zivilprozeßordnung) kommt schon deshalb nicht in Betracht, da ein solches lediglich von der Klägerin, nicht aber, wie dies erforderlich ist, auch vom BfF beantragt worden ist.

2. Die Revisionen sind im Ergebnis unbegründet.

Gemäß § 44c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG 1990 ist die nach Maßgabe der §§ 43 ff. EStG 1990 einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer auf Antrag des Gläubigers oder eines depotführenden inländischen Kreditinstituts (§ 44c Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 36c EStG 1990) vom BfF zu erstatten, wenn es sich bei dem Gläubiger der Kapitalerträge um eine inländische Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse i.S. des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG handelt. Handelt es sich um Kapitalerträge i.S. von § 43 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1990 und ist deren Gläubiger eine nach § 5 Abs. 1 mit Ausnahme der Nr. 9 KStG befreite Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse, so erstattet das BfF gemäß § 44c Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG 1990 die Hälfte der einbehaltenen und abgeführten Kapitalertragsteuer. Voraussetzung für die Erstattungen ist gemäß § 44c Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 EStG 1990, dass der Gläubiger dem BfF durch eine Bescheinigung des für seine Geschäftsführung oder seinen Sitz zuständigen FA nachweist, dass er eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse i.S. des Abs. 1 Satz 1 oder des Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift ist.

In den Streitfällen sind das BfF und das FG zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin zwar die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 18 KStG, nicht jedoch diejenigen des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG erfüllt. Im Einzelnen ergibt sich dies bereits aus dem Senatsurteil in BFH/NV 1997, 904 (dort unter II. 4. der Entscheidungsgründe). In diesem Urteil hat der Senat allerdings zugleich entschieden, dass das FA aus verfahrensrechtlichen Gründen gehindert war, die von ihm gemäß § 44c Abs. 1 Satz 2 EStG 1990 erteilte Bescheinigung im Hinblick auf das Streitjahr 1994 aufzuheben. Damit steht fest, dass die Klägerin den formalen Nachweis, die Voraussetzungen des § 44c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG 1990 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG zu erfüllen, im Hinblick auf dieses Jahr in den Zeitpunkten der ursprünglichen Antragstellung erbringen konnte.

Das BfF konnte die gemäß § 44c Abs. 1 EStG 1990 zu erstattende Kapitalertragsteuer gleichwohl durch die angefochtenen Änderungsbescheide vom 4. und 5. Februar 1998 niedriger festsetzen. Denn die Klägerin war gemäß § 44c Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 36b Abs. 2 Satz 4 (und § 36c Abs. 4 Satz 1) EStG 1990 als Gläubigerin der Kapitalerträge verpflichtet, die Bescheinigung an das FA zurückzugeben, sobald sie erkannte, dass die Voraussetzungen für ihre Erteilung weggefallen waren. Dies war spätestens der Fall, nachdem aufgrund des Senatsurteils in BFH/NV 1997, 904 endgültig feststand, dass es sich bei der Klägerin auch bereits im Streitjahr 1994 nicht um eine Körperschaft i.S. von § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG handelte. Aufgrund dieses Urteils blieb die Bescheinigung, soweit sie für das Streitjahr erteilt worden war, zwar wirksam. Sie durfte aber, wie sich aus § 44c Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 36b Abs. 2 Satz 4 EStG 1990 ergibt, dennoch nicht mehr fortdauernd als Nachweis i.S. des § 44c Abs. 1 EStG 1990 verwendet, sondern musste im Anschluss an das Senatsurteil in BFH/NV 1997, 904 zurückgegeben werden. § 36b Abs. 2 Satz 4 EStG 1990 lässt sich nicht entnehmen, dass die Rückgabepflicht nur bei einem künftigen Wegfall der Voraussetzungen des § 44c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG 1990 bestünde, oder dass sie vom Vorliegen einer gemäß §§ 130 ff. der Abgabenordnung (AO 1977) änderbaren Bescheinigung abhinge. Auch dass die Klägerin dieser Pflicht zur Rückgabe nach Sachlage nicht nachgekommen ist und sie sich dem Verwendungsverbot nicht unterworfen hat, kann sich nicht zu ihrem Vorteil auswirken. Vielmehr muss sie sich so behandeln lassen, als ob sie die Bescheinigung zurückgegeben hätte. Ließen sich die persönlichen Erstattungsvoraussetzungen in der Folgezeit bis zum Ablauf der Festsetzungsfristen (vgl. §§ 169 ff. AO 1977) und damit auch in den jeweiligen Rückforderungszeitpunkten gegenüber dem BfF aber nicht mehr nachweisen, durfte die Klägerin die erstatteten Beträge nicht behalten. Nur darüber war in diesem Verfahren zu entscheiden, nicht über die Verhältnisse zu den ursprünglichen Erstattungszeitpunkten, wie im vorangegangenen Verfahren I R 38/96.



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