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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 19.08.2009
Aktenzeichen: I R 3/09
Rechtsgebiete: AO, EStG, UmwStG 1995


Vorschriften:

AO § 164 Abs. 2
AO § 168
AO § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
EStG § 16
EStG § 17
UmwStG 1995 § 21 Abs. 1
Der Gewinn aus der Veräußerung einbringungsgeborener Anteile wird steuerlich rückwirkend geändert, wenn die Vertragsparteien wegen Streitigkeiten über Wirksamkeit oder Inhalt des Vertrages einen Vergleich schließen und den Veräußerungspreis rückwirkend mindern.
Gründe:

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Stadt, war alleinige Anteilseignerin der N-GmbH. Die N-GmbH war aus einer Umwandlung des ehemaligen Stadtwerke-Eigenbetriebs zum Buchwert hervorgegangen, so dass einbringungsgeborene Anteile entstanden waren.

Unternehmensgegenstand der N-GmbH war die Strom-, Gas- und Wasserversorgung sowie die Wasserentsorgung. Die N-GmbH hielt zwei Beteiligungen in der Rechtsform der GmbH (Bäder und öffentlicher Nahverkehr), die dauerdefizitär waren. Die Tochtergesellschaften waren über Ergebnisabführungsverträge mit der N-GmbH verbunden.

Am 23. Januar 2002 veräußerte die Klägerin 49 % der Geschäftsanteile der N-GmbH an die T-GmbH & Co. KG (T) zum Kaufpreis von 125 Mio. DM (63.911.485 €), der auch entrichtet wurde. Zugleich trafen die Parteien eine abweichende Gewinnverteilungsabrede, wonach T grundsätzlich nicht an den Verlusten der beiden Tochtergesellschaften der N-GmbH partizipierte. Allerdings galt dies nicht, soweit die Verluste die Durchschnittsverluste der letzten drei Jahre vor der Veräußerung überstiegen. Insoweit sollte der Verlust auch von der T in entsprechender Höhe der Beteiligung getragen werden.

Da die Veräußerung eine Kapitalertragsteuerpflicht auslöste, meldete die Klägerin eine Kapitalertragsteuer in Höhe von 4.535.898 € an. Dem lag ein Gewinn aus der Veräußerung des Anteils an der N-GmbH in Höhe von 45.358.988 € zu Grunde.

In der Folgezeit kam es zwischen den Parteien zu Meinungsverschiedenheiten über die Gewinnverteilung in Bezug auf die beiden Tochtergesellschaften der N-GmbH. T vertrat die Auffassung, dass ihr die steuerlichen Verluste der Tochtergesellschaften in Höhe ihrer Beteiligung zustünden. Die Klägerin beanspruchte die Möglichkeit des Verlustabzugs dagegen in dem Umfang für sich, in dem sie die Verluste selbst tragen musste. Dieser Streit führte dazu, dass die Gewinne der N-GmbH für die Jahre 2002 bis 2004 zwar festgestellt, jedoch nicht an die Gesellschafter verteilt werden konnten.

Ursächlich für diesen Streit war folgender Ablauf im Vorfeld des Vertragsabschlusses: Die Klägerin hatte im Entwurf des Gesellschaftsvertrages unter § 13 formuliert, dass die Verluste aus dem laufenden Betrieb der beiden Tochter-GmbHs bis zu den vereinbarten Deckelungsbeträgen ihr zu 100 % zugerechnet werden sollten. Dieser Vertrag war T zugeleitet worden, die den entsprechenden Passus strich, ohne dass dies der Klägerin auffiel. Unterzeichnet wurde eine Vertragsfassung, die die betreffende Passage nicht enthielt, was der Klägerin jedoch nicht bewusst war.

Zur Streitbeilegung fanden anschließend diverse Gespräche zwischen den Beteiligten statt. Am 24. Februar 2005 wurde ein Vertrag geschlossen, der mit "Änderung des Anteilskauf- und Abtretungsvertrages vom 23. Januar 2002" überschrieben war. In der Präambel heißt es u.a.:

"Um den im Rahmen dieser Regelung bestehenden Dissens hinsichtlich der Gewinnverteilung (steuerliche Verluste) zu bereinigen, haben sich die Beteiligten nunmehr darauf geeinigt, dass (T) die wirtschaftliche Verantwortung für die Tochtergesellschaften quotal unbeschränkt übernehmen soll. Diese Vereinbarung gilt mit Wirkung ab dem 1. Januar 2002, d.h. die uneingeschränkte Verlustübernahmeverpflichtung besteht bereits ab dem Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums auf den Erwerber. Dementsprechend ist der seinerzeit vereinbarte Kaufpreis anzupassen." Der geänderte Vertrag sah eine Minderung des Kaufpreises um 13,8 Mio. € vor. Die Gewinne der N-GmbH wurden daraufhin im Verhältnis der Beteiligungen auf die Klägerin und T verteilt.

Im Anschluss an diese Verständigung reichte die Klägerin am 7. April 2005 eine geänderte Kapitalertragsteueranmeldung ein, der der geminderte Kaufpreis zu Grunde lag. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte es ab, dem gemäß § 168 der Abgabenordnung (AO) zuzustimmen. Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf war im in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 723 veröffentlichten Urteil vom 18. September 2008 16 K 2635/07 KE der Auffassung, nicht sämtliche mit Vertrag vom 23. Januar 2002 veräußerten Anteile seien einbringungsgeboren, und gab insoweit der Klage statt. Einen darüber hinausgehenden Anspruch auf Änderung der Kapitalertragsteuerfestsetzung hielt es jedoch nicht für gegeben. Die nachträgliche Herabsetzung des Kaufpreises sei kein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.

Die Klägerin rügt eine Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt sinngemäß, das Urteil des FG insoweit aufzuheben, als die Klage abgewiesen worden ist, und das FA zu verpflichten, der geänderten Kapitalertragsteueranmeldung vom 14. März 2006 zuzustimmen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage. Die Kapitalertragsteueranmeldung steht einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 168 Satz 1 AO). Das FA ist verpflichtet, der geänderten Kapitalertragsteueranmeldung vom 5. April 2005 zuzustimmen, da die nachträgliche Herabsetzung des Kaufpreises steuerlich auf den Zeitpunkt der Übertragung der Anteile rückwirkt.

1. Die Kapitalertragsteuer knüpft an den tatsächlich verwirklichten Sachverhalt an. Sie erhöht oder vermindert sich, wenn dieser Sachverhalt sich im Nachhinein ändert und die Änderung steuerliche Rückwirkung entfaltet. Dem muss dann durch eine entsprechende Änderung der Steuerfestsetzung Rechnung getragen werden.

2. Wann ein Sachverhalt in diesem Sinne steuerlich zurückwirkt, wird im Gesetz nicht näher bestimmt. Es genügt aber nicht, dass das spätere Ereignis den für die Besteuerung maßgeblichen Sachverhalt anders gestaltet. Die Änderung muss sich auch steuerrechtlich in der Weise auswirken, dass nunmehr der geänderte anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhalts der Besteuerung zugrunde zu legen ist. Ob diese Voraussetzung vorliegt, entscheidet sich nach dem im Einzelfall anzuwendenden materiellen Steuergesetz (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Juli 1993 GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897; BFH-Urteil vom 21. Dezember 1993 VIII R 69/88, BFHE 174, 324, BStBl II 1994, 648). Die insoweit maßgeblichen Kriterien ergeben sich insbesondere aus der Rechtsprechung zum "rückwirkenden Ereignis" i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.

3. Bei den laufend veranlagten Steuern wie der Einkommensteuer sind die aufgrund des Eintritts neuer Ereignisse materiell-rechtlich erforderlichen steuerlichen Anpassungen regelmäßig nicht rückwirkend, sondern in dem Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem sich der maßgebende Sachverhalt ändert (BFH-Beschluss in BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897). Dieser Grundsatz gilt jedoch nur insoweit, als die einschlägigen steuerrechtlichen Regelungen nicht bestimmen, dass eine Änderung des nach dem Steuertatbestand rechtserheblichen Sachverhalts zu einer rückwirkenden Änderung steuerlicher Rechtsfolgen führt. Eine solche Rechtslage ist insbesondere bei Steuertatbeständen gegeben, die an einen einmaligen Vorgang anknüpfen, und bei denen nachträgliche Änderungen nicht in einer Folgebilanz oder nach den Grundsätzen des Zuflussprinzips in einem späteren Veranlagungszeitraum berücksichtigt werden können.

a) Die Rechtsprechung hat dies zum einen bei Veräußerungsgewinnen i.S. des § 16 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG), zum anderen bei solchen nach § 17 Abs. 2 EStG angenommen und eine rückwirkende Korrektur des Sachverhalts unabhängig davon für geboten erachtet, ob das Ereignis, das für eine Änderung des Veräußerungsgewinns ursächlich war, erst nach dem Zeitpunkt der Veräußerung eingetreten ist. Es kommt auch nicht darauf an, welche Gründe rechtlicher oder tatsächlicher Art zu der rückwirkenden Sachverhaltsänderung geführt haben; insbesondere ist es unerheblich, ob diese "im Kern" bereits im ursprünglichen Rechtsgeschäft angelegt waren (BFH-Beschluss in BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897; BFH-Urteil in BFHE 174, 324, BStBl II 1994, 648; Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 41 AO Rz 119; Klein/Rüsken, AO, 9. Aufl., § 175 Rz 62; von Wedelstädt in Beermann/Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 175 AO Rz 65; Bordewin, Finanz-Rundschau --FR-- 1994, 555, 559).

b) Dementsprechend hat der BFH nach Übertragung einer wesentlichen Beteiligung i.S. von § 17 EStG und vollständiger Bezahlung des Kaufpreises den Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs, mit dem die Vertragsparteien den Rechtsstreit über den Eintritt einer im Kaufvertrag vereinbarten auflösenden Bedingung beigelegt hatten, als ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Veräußerung beurteilt (Urteil vom 19. August 2003 VIII R 67/02, BFHE 203, 309, BStBl II 2004, 107). Ebenso hat er die Herabsetzung des Kaufpreises für einen Betrieb aufgrund von Einwendungen des Käufers über die Berechnungsgrundlage des Kaufpreises durch einen außergerichtlichen Vergleich (BFH-Urteil vom 23. Juni 1988 IV R 84/86, BFHE 154, 85, BStBl II 1989, 41), sowie die Beilegung eines Streits nach Betriebsaufgabe über eine Schadensersatzforderung durch einen außergerichtlichen Vergleich (Urteil vom 10. Februar 1994 IV R 37/92, BFHE 174, 140, BStBl II 1994, 564) als rückwirkende Ereignisse angesehen.

c) Allerdings hat der BFH in den Urteilen in BFHE 203, 309, BStBl II 2004, 107 und vom 14. Juni 2005 VIII R 14/04 (BFHE 210, 278, BStBl II 2006, 15; krit. Bahns, FR 2004, 317, 324) ausgeführt, dass in Fällen, in denen der Kaufpreis bereits vereinnahmt sei, eine im Wege des Vergleichs vereinbarte Änderung des Kaufpreises nur dann ein rückwirkendes Ereignis darstelle, wenn die Änderung auf Gründen beruhe, die im Kaufvertrag selbst angelegt seien. Er hat daher in einem Fall, in dem zunächst Vermögen unentgeltlich unter Vorbehalt eines Nießbrauchs übertragen und später auf das Nießbrauchsrecht gegen eine Abstandszahlung verzichtet worden war, ein rückwirkendes Ereignis verneint, weil der Ablösevorgang weder zivilrechtlich noch steuerrechtlich der ursprünglichen Bestellung des Nutzungsrechts zuzurechnen sei. In dem entschiedenen Sachverhalt handelte es sich demnach nicht um eine Rückabwicklung oder Änderung des ursprünglichen Vertrags aufgrund der Geltendmachung eines Rücktrittsrechts, einer auflösenden Bedingung, des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, eines Anfechtungs-, Wandlungs- oder Minderungsrechts. Es bestand kein Streit über die Auslegung oder die Wirksamkeit des ursprünglich abgeschlossenen Vertrages. Vielmehr wurde ein neuer Vertrag ohne sachlichen Zusammenhang mit dem ursprünglichen Vertrag geschlossen.

d) Schließen die Beteiligten jedoch wegen (echter) Streitigkeiten über die Wirksamkeit eines Vertrages oder dessen Inhalt einen außergerichtlichen Vergleich, bestimmt der Inhalt des Vergleichs rückwirkend die Höhe des Veräußerungspreises (vgl. auch Schmidt/Wacker, EStG, 28. Aufl., § 16 Rz 384, m.w.N.). Dies gilt auch dann, wenn er eine streitige Bestimmung des Vertrages in einer Weise neu regelt, wie sie im Falle einer gerichtlichen Entscheidung so nicht hätte getroffen werden können. Das Wesen des Vergleichs besteht darin, durch eine einvernehmliche neue Regelung den Streit beizulegen. Ist nur die Höhe des Kaufpreises streitig, werden sich die Beteiligten in der Regel bei einer gütlichen Einigung dahingehend verständigen, dass beide Parteien von ihrer ursprünglichen Forderung abrücken und sich auf einen Preis einigen, der zwischen dem ursprünglich geltend gemachten und dem ursprünglich anerkannten Preis liegt. Dies ist jedoch nicht möglich, wenn --wie hier-- eine Partei aus dem Vertrag ein Recht für sich ableitet, das ihr die andere Partei kategorisch abspricht. In diesem Fall wird sich eine einvernehmliche Beilegung des Streits nur dadurch erzielen lassen, dass die Beteiligten andere Klauseln des Vertrages ebenfalls ändern. Wie der BFH im Urteil in BFHE 203, 309, BStBl II 2004, 107 ausgeführt hat, sind die Vertragsparteien nicht zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung gezwungen.

Es kommt auch nicht darauf an, ob tatsächlich ein Anfechtungs- oder Rücktrittsrecht, ein Sachmangel etc. besteht. Voraussetzung für die Annahme eines Ereignisses mit steuerlicher Rückwirkung ist nur, dass die im Vergleich getroffene rückwirkende Änderung des Vertrages durch eine ernstliche Auseinandersetzung über Wirksamkeit und Inhalt des ursprünglichen Vertrages veranlasst ist und die Vereinbarungen auch tatsächlich durchgeführt werden.

4. Die zivilrechtlich auf den Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums der Anteile rückwirkende Änderung des Vertrages ist danach als rückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu beurteilen.

a) Das FG hat zutreffend entschieden, dass die von der Rechtsprechung zu § 16 und § 17 EStG entwickelten Grundsätze auf Veräußerungsgewinne nach § 21 Abs. 1 des Umwandlungssteuergesetzes 1995 anzuwenden sind, da auch insoweit einmalige punktuelle Ereignisse vorliegen. Nach dessen Abs. 1 Satz 1 gilt der Gewinn aus der Veräußerung einbringungsgeborener Anteile als Veräußerungsgewinn i.S. des § 16 EStG. Daneben ist, wenn es sich um die Veräußerung wesentlicher Beteiligungen handelt, auch der Tatbestand des § 17 Abs. 2 EStG erfüllt.

b) Das FG hat jedoch zu Unrecht angenommen, es liege kein Ereignis mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit vor.

aa) Die Klägerin und T stritten darüber, ob der Klägerin die von ihr getragenen Verluste der beiden Tochtergesellschaften der N-GmbH auch für steuerliche Zwecke zuzurechnen seien. Während die Klägerin dies auch für die tatsächlich abgeschlossene vertragliche Fassung unter Vorlage eines Rechtsgutachtens bejahte, war T demgegenüber der Auffassung, ihr seien die Verluste entsprechend ihrer Beteiligung anteilig zuzurechnen. Nur deshalb habe sie sich zur Zahlung eines derart hohen Kaufpreises verpflichtet. Es handelte sich hierbei unstreitig um eine ernstliche Auseinandersetzung über den Inhalt des Vertrages, der dazu führte, dass der Gewinn der Jahre 2002 bis 2004 zwar festgestellt, jedoch nicht auf die Beteiligten verteilt worden war. Zur Beilegung dieses Streites im Wege des Vergleichs haben die Beteiligten sich darauf geeinigt, einerseits den Kaufpreis herabzusetzen, andererseits sollte T die Verluste der Tochtergesellschaften nunmehr auch handelsrechtlich tragen.

bb) Anlass und Grund für den geänderten Vertrag war der ursprünglich abgeschlossene Vertrag, der keine ausdrückliche Regelung darüber enthielt, ob die Klausel, nach der T an den Verlusten der beiden Tochtergesellschaften nicht partizipierte, auch für steuerliche Zwecke galt. Ob insoweit ein Dissens, ein Kalkulationsirrtum oder ein Anfechtungsrecht der Klägerin vorlag, ist ohne Bedeutung. Es kommt auch nicht darauf an, ob die rechtliche Unsicherheit hinsichtlich der Auslegung dieser Klausel, das Anfechtungsrecht der Klägerin oder ihre Drohung, von einem vertraglich eingeräumten Rückkaufsrecht der Anteile Gebrauch zu machen, die Parteien zum Abschluss des Vergleichs veranlasst haben. Einmal sind die Motive, die zu einem außergerichtlichen Vergleich führen, schwer zu ergründen. Häufig werden auch mehrere Gründe ursächlich für die Beilegung eines Streites sein, so dass fraglich ist, auf welches Motiv als das für den Abschluss des Vergleiches maßgebliche abzustellen ist. Überdies stimmen die Motive beider Parteien nicht unbedingt überein. Ausreichend für die Annahme eines Ereignisses mit steuerlicher Rückwirkung im Streitfall ist, dass die Klägerin und T sich über die Auslegung des ursprünglichen Vertrages gestritten haben und zur Beilegung dieses Streites einen außergerichtlichen Vergleich geschlossen haben, in dem sie den ursprünglichen Vertrag dergestalt änderten, dass sich T verpflichtete, die Verluste der beiden Tochtergesellschaften entsprechend ihrer Beteiligung zu tragen und im Gegenzug der Kaufpreis um 13,8 Mio. € ermäßigt wurde.

5. Das FG ist von anderen rechtlichen Grundsätzen ausgegangen. Es hat angenommen, bei einem bereits vollzogenen Rechtsgeschäft sei ein Vergleich i.S. von § 779 des Bürgerlichen Gesetzbuches nur dann ein rückwirkendes Ereignis, wenn zivilrechtlich ein Tatbestand gegeben sei, der zu einer Änderung der dem Veräußerungsgeschäft zu Grunde liegenden schuldrechtlichen Beziehung führe, und der Vergleich ursächlich hierauf zurückzuführen sei. Seine Entscheidung ist daher aufzuheben und der Klage zu entsprechen. Das FA hat die gemäß § 168 Satz 2 AO erforderliche Zustimmung zur geänderten Steueranmeldung zu Unrecht verweigert. Da die Versagung der Zustimmung mit der Verpflichtungsklage (§ 40 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) zu verfolgen ist (vgl. Buciek in Beermann/ Gosch, a.a.O., § 168 AO Rz 50), kann die Klage nicht unmittelbar zur Änderung der Kapitalertragsteuerfestsetzung führen, sondern nur zur Verpflichtung des FA, der geänderten Anmeldung zuzustimmen. Der Tenor der angefochtenen Entscheidung war entsprechend zu ändern.

Ende der Entscheidung

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