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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 11.04.2001
Aktenzeichen: I R 30/00
Rechtsgebiete: FGO, BFHEntlG


Vorschriften:

FGO § 126 Abs. 1
FGO § 120 Abs. 1 Satz 1
BFHEntlG Art. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erließ gegenüber der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) mehrere Steuerbescheide, die die Klägerin mit der Klage angriff. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab und ließ die Revision gegen sein Urteil zu. Das Urteil wurde der Klägerin am 28. Februar 2000 zugestellt.

Die Klägerin legte gegen das Urteil fristgerecht Revision ein, ohne diese zunächst zu begründen. Die Revisionsschrift ist von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin, Steuerberater S, unterzeichnet.

Am 25. April 2000 ging beim Bundesfinanzhof (BFH) die Revisionsbegründungsschrift ein. An deren Ende befinden sich die maschinenschriftliche Wiedergabe des Namens des Prozessbevollmächtigten mit dem Zusatz "Steuerberater", der Bürostempel des Bevollmächtigten und die Unterschrift einer anderen Person mit dem Zusatz "i.A.". Auf die Nachfrage des Senatsvorsitzenden, ob der Unterzeichner der Revisionsbegründungsschrift vor dem BFH postulationsfähig sei, hat die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und folgendes vorgetragen:

Steuerberater S habe die Revisionsbegründung erst kurz vor Antritt eines Urlaubs am 19. April 2000 fertig ausarbeiten können. Am Tag des Urlaubsbeginns sei der betreffende Schriftsatz zwar im Konzept abgeschlossen, aber noch nicht sendefertig geschrieben gewesen. Da der Abreisetermin des S nicht habe verschoben werden können, habe die Büroangestellte A die Revisionsbegründung in Reinschrift erstellt, im Auftrag des S unterzeichnet und sodann zur Post gegeben. A sei seit 14 Jahren in der Kanzlei des S und genieße dessen volles Vertrauen. Zugleich mit ihrem Wiedereinsetzungsantrag hat die Klägerin eine von S unterzeichnete Fassung der Revisionsbegründungsschrift nachgereicht.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unzulässig und muss deshalb gemäß § 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluss verworfen werden. Die Klägerin hat die gesetzliche Frist zur Begründung der Revision nicht gewahrt.

1. Die Zulässigkeit der Revision richtet sich im Streitfall nach den Vorschriften des bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Rechts, da das angefochtene Urteil der Klägerin vor dem 1. Januar 2001 zugestellt worden ist (Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2000, BStBl I 2000, 1567).

2. Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO in der hiernach maßgeblichen Fassung ist die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des finanzgerichtlichen Urteils schriftlich einzulegen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen. Das demgemäß bestehende Schriftlichkeitsgebot erstreckt sich nach ständiger Rechtsprechung des BFH auch auf die Revisionsbegründung. Aus der genannten Regelung folgt deshalb, dass eine Revision innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des angefochtenen Urteils begründet werden muss. Geschieht dies nicht, so ist die Revision unzulässig.

3. Im Streitfall ist die Frist zur Revisionsbegründung durch die von S unterzeichnete nachgereichte Begründungsschrift nicht gewahrt worden. Denn dieser Schriftsatz ist erst nach Fristablauf beim BFH eingegangen. Die innerhalb der Frist --am 25. April 2000-- eingegangene Revisionsbegründungsschrift hatte keine fristwahrende Wirkung, da sie nur von A unterzeichnet und A vor dem BFH nicht postulationsfähig war.

a) Nach Art. 1 Nr. 1 des hier einschlägigen Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) musste sich vor dem BFH jeder Beteiligte durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Deshalb konnte ein beim BFH anzubringender Schriftsatz nur dann Rechtswirkungen entfalten, wenn er durch einen Angehörigen des genannten Personenkreises unterzeichnet war (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 62 Rz. 81, m.w.N.). Das gilt auch für die Revisionsbegründungsschrift (BFH-Urteil vom 28. Juli 1982 V R 64/82, BFHE 136, 199, BStBl II 1982, 641; BFH-Beschluss vom 22. Oktober 1998 VIII R 31/96, BFH/NV 1999, 354).

b) A gehörte nicht zu den hiernach vor dem BFH postulationsfähigen Personen. Der nur von ihr unterzeichnete Schriftsatz war deshalb nicht geeignet, die Revisionsbegründungsfrist zu wahren. Das gilt ungeachtet dessen, dass S zuvor die Revisionsschrift unterzeichnet und auch die Revisionsbegründung abschließend entworfen hatte. Denn erst durch seine Unterschrift unter dem Begründungsschriftsatz hätte S nach außen hin dokumentiert, dass dessen Inhalt von ihm selbst stammt. Das aber ist für eine wirksame Revisionsbegründung erforderlich (BFH-Urteil vom 14. August 1997 III R 35/96, BFH/NV 1998, 332, m.w.N.).

4. Die hiernach eingetretene Fristversäumnis kann nicht im Wege der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand geheilt werden. Eine solche könnte die Klägerin nur dann erhalten, wenn sie die Frist zur Revisionsbegründung ohne Verschulden versäumt hätte (§ 56 Abs. 1 FGO). Das ist nicht der Fall:

Die Versäumung der Frist ist darauf zurückzuführen, dass S kurz vor Fristablauf in den Urlaub abgereist ist, ohne zuvor die Revisionsbegründungsschrift zu unterzeichnen. Das gereicht ihm zum Verschulden. S musste als Steuerberater wissen, dass die Revisionsbegründungsfrist ablief und dass ein nur von A unterzeichneter Schriftsatz diese Frist nicht wahren konnte. Er hätte deshalb dafür sorgen müssen, dass entweder er selbst oder eine andere vor dem BFH postulationsfähige Person die Revisionsbegründungsschrift vor Fristablauf unterzeichnete. Wenn ihm dies aus gewichtigen Gründen nicht möglich war, hätte er zumindest rechtzeitig einen Antrag auf Verlängerung der Frist (§ 120 Abs. 1 Satz 2 FGO) stellen können. All das hat er nicht getan. Statt dessen hat er ohne weitere Vorkehrungen die maßgebliche Frist ablaufen lassen. Sein sich hieraus ergebendes Verschulden muss sich die Klägerin zurechnen lassen.

5. Das Urteil des Senats vom 24. November 1971 I R 116/71 (BFHE 103, 408, BStBl II 1972, 95), auf das sich die Klägerin beruft, ist im Streitfall nicht einschlägig. Es betrifft nicht die hier interessierende Frage der Unterzeichnung eines Schriftsatzes durch eine nicht postulationsfähige Person. Vielmehr ging es dort um eine Klage, die von einem vollmachtlosen Vertreter erhoben worden war. Der Senat hat seinerzeit entschieden, dass der Mangel der Vollmacht durch eine nachträgliche Vollmachtserklärung des Prozessbeteiligten geheilt werden könne. Mit dieser Problematik ist die hier zu beurteilende nicht vergleichbar.



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