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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 17.12.2002
Aktenzeichen: I R 43/02
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO
Vorschriften:
AO 1977 § 163 Abs. 1 Satz 1 | |
FGO § 138 Abs. 2 | |
FGO § 138 Abs. 1 |
Gründe:
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH. An ihrem Stammkapital war zu 60 % T beteiligt, er war zugleich alleiniger Geschäftsführer der Klägerin. Der Geschäftsführervertrag wurde am 17. Februar 1991 abgeschlossen (zu diesem Zeitpunkt hatte der am 27. Dezember 1935 geborene T sein 55. Lebensjahr vollendet). Das Anstellungsverhältnis sollte ohne Kündigung mit dem Monat enden, in dem T das 65. Lebensjahr vollendet. Gleichzeitig wurde ein "Pensionsvertrag" geschlossen, wonach T ein Ruhegehalt zu zahlen war, wenn er dienstunfähig werden sollte oder das 65. Lebensjahr vollendet. Im Jahr 1999 wurde eine Änderungsvereinbarung getroffen, wonach T bis zur Vollendung des 66. Lebensjahres tätig sein sollte und die Pension ab diesem Zeitpunkt zu zahlen war. Für die Pensionsverpflichtung bildete die Klägerin in ihren Bilanzen der Streitjahre 1991 bis 1994 Rückstellungen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) behandelte die Zuführungen zu Pensionsrückstellung in allen Streitjahren als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA).
Die hiergegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg. Auf Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision durch das Finanzgericht (FG) hat der Senat die Revision zugelassen. Während des Revisionsverfahrens hat das FA der Klägerin mit Bescheid vom 12. September 2002 zugesichert, die streitigen Steuern für alle Streitjahre gemäß § 163 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) aus Billigkeitsgründen entsprechend dem Klage- und Revisionsantrag festzusetzen. Das FA hat den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt, die Kosten des Verfahrens der Klägerin aufzuerlegen. Auch die Klägerin hat den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Sie beantragt, die Kosten des Verfahrens dem FA aufzuerlegen.
II. 1. Der Rechtsstreit ist infolge der übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten in der Hauptsache erledigt. Die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache kann auch in der Revisionsinstanz erklärt werden. Dadurch ist das angefochtene FG-Urteil einschließlich der darin enthaltenen Kostenentscheidung gegenstandslos geworden. Der Senat hat nur noch über die Kosten des gesamten Verfahrens zu entscheiden (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. Juli 1985 VIII R 47/84, BFH/NV 1987, 184; vom 25. Januar 1994 V R 128/85, BFH/NV 1995, 918).
2. Im Falle der Erledigung der Hauptsache ist die Kostenentscheidung grundsätzlich nach § 138 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu treffen. Dabei ist nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Allerdings sind gemäß § 138 Abs. 2 FGO, wenn sich ein Rechtsstreit dadurch erledigt, dass dem Antrag des Steuerpflichtigen durch Rücknahme oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsaktes stattgegeben oder der beantragte Verwaltungsakt erlassen wird, die Kosten der Behörde aufzuerlegen. Im Streitfall ist diese Vorschrift nicht anwendbar. Gegenstand des erledigten Rechtsstreits waren die angefochtenen Bescheide betreffend Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbetrag 1991 bis 1994; sie sind vom FA nicht zurückgenommen worden. Ein Erlass aus Billigkeitsgründen, wie ihn das FA ausgesprochen hat, kann der Rücknahme oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts nicht gleichgesetzt werden (BFH-Beschlüsse vom 21. Juni 1972 VII B 153/70, BFHE 106, 20, BStBl II 1972, 707; vom 27. Juni 1972 VII B 7/70, BFHE 106, 248; vom 28. Juli 1998 VII R 111/96, BFH/NV 1999, 71; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 138 Anm. 6).
3. Bei der sonach gemäß § 138 Abs. 1 FGO gebotenen Ausübung des richterlichen Ermessens ist gleichwohl die Tatsache zu berücksichtigen, dass das FA während des gerichtlichen Verfahrens, in dem es die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerbescheide verteidigt hat, die festgesetzten Abgabenbeträge wegen sachlicher Unbilligkeit erlassen hat (vgl. auch BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 71). Wenn für einen Erlass von Abgaben aus Billigkeitsgründen offenbar auch rechtliche Erwägungen (etwa wie vorliegend Gründe des Vertrauensschutzes) maßgebend waren, entspricht es regelmäßig billigem Ermessen i.S. des § 138 Abs. 1 FGO, die Verfahrenskosten der Behörde aufzuerlegen (BFH-Beschluss in BFHE 106, 20, BStBl II 1972, 707). Nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 1. August 1996 IV B 7 -S 2742- 88/96 (BStBl I 1996, 1138), auf das sich das FA in seinem Bescheid vom 12. September 2002 bezieht, sind die Grundsätze des BFH-Urteils vom 21. Dezember 1994 I R 98/93 (BFHE 176, 413, BStBl II 1995, 419), in dem erstmals ein Erdienenszeitraum von 10 Jahren gefordert wurde, nur auf Fälle anzuwenden, in denen die Pensionsvereinbarung --anders als im Streitfall-- nach dem 8. Juli 1995 getroffen worden ist. Bei entsprechender Handhabung durch das FA wäre es nicht zur Klageerhebung am 3. März 1998 und zum vorliegenden Rechtsstreit mit Kostenfolge gekommen.
Bereits aus den genannten Erwägungen entspricht es billigem Ermessen, dem FA die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Daneben kann offen bleiben, ob, wie die Klägerin geltend macht, sich aus dem Senatsurteil vom 19. Mai 1998 I R 36/97 (BFHE 186, 226, BStBl II 1998, 689) entnehmen lässt, dass eine Änderungsvereinbarung nicht nur für die Folgezeit, sondern auch für zeitlich davor liegende Streitjahre rückwirkend zu berücksichtigen ist.
4. Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen (§ 90 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 121 FGO).
Ende der Entscheidung
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