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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 29.03.2000
Aktenzeichen: I R 43/99
Rechtsgebiete: KStG a.F., AktG a.F.
Vorschriften:
KStG § 17 Satz 2 Nr. 3 a.F. | |
KStG § 17 a.F. | |
AktG § 302 Abs. 1 a.F. | |
AktG § 302 Abs. 3 a.F. | |
AktG § 302 a.F. |
Gründe
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) schloss am 18. Juli 1988 mit der neu gegründeten B-GmbH, deren alleinige Gesellschafterin sie ist, einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. In § 2 Abs. 1 des Vertrages verpflichtete sich die B-GmbH, erstmals für das am 30. September 1988 endende Wirtschaftsjahr ihren gesamten Bilanzgewinn an die Klägerin abzuführen. Die Klägerin verpflichtete sich, jeden während der Dauer des Vertrages bei der B-GmbH entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen, sofern der Ausgleich nicht durch eine Auflösung der während der Dauer des Vertrages gebildeten freien Rücklagen erfolgte (§ 3 des Vertrages).
Im Anschluss an eine Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Auffassung, ein körperschaftsteuerrechtliches Organschaftsverhältnis mit einer GmbH als Organgesellschaft setze gemäß § 17 Satz 2 Nr. 3 des Körperschaftsteuergesetzes i.d.F. vor dem Steueränderungsgesetz 1992 (KStG a.F.; jetzt § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG n.F.) eine Vereinbarung entsprechend den Vorschriften des § 302 Abs. 1 und Abs. 3 des Aktiengesetzes (AktG) voraus. Der Gewinnabführungsvertrag zwischen der Klägerin und der B-GmbH enthalte zwar eine dem § 302 Abs. 1 AktG vergleichbare Verpflichtung zum Ausgleich des sonst entstehenden Jahresfehlbetrags. Es fehle jedoch eine dem § 302 Abs. 3 AktG in der bis zum Jahre 1998 geltenden Fassung (AktG a.F.) entsprechende Abrede, auf den Anspruch auf Ausgleich grundsätzlich nicht vor Ablauf von drei Jahren nach der Beendigung des Vertrages zu verzichten oder sich über ihn zu vergleichen. Das FA erkannte deshalb das Organschaftsverhältnis nicht an. Dementsprechend rechnete es das Einkommen der B-GmbH nicht der Klägerin zu, sondern behandelte die Abführung des von der B-GmbH im Wirtschaftsjahr 1989/90 erzielten Gewinns als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) an die Klägerin. Dies führte unter Berücksichtigung der sich Einkünfte erhöhend auswirkenden anzurechnenden Körperschaftsteuer (§ 8 Abs. 1, 2 KStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) im Ergebnis zu einer Erhöhung des zu versteuernden Einkommens der Klägerin im Streitjahr 1990. Gegen den dahin gehend geänderten Körperschaftsteuerbescheid 1990 erhob die Klägerin erfolglos Sprungklage. Die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 730 veröffentlicht.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 17 KStG. Sie ist der Ansicht, § 302 AktG sei nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) auch ohne ausdrückliche Vereinbarung im GmbH-Konzern entsprechend anzuwenden. Deshalb dürfe eine körperschaftsteuerrechtliche Organschaft nicht mehr allein mit der Begründung abgelehnt werden, dass im Ergebnisabführungsvertrag die Vereinbarung einer Verlustübernahme entsprechend § 302 AktG fehle.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Körperschaftsteuer 1990 auf ... DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Revision ist unbegründet. Die Voraussetzungen für die Anerkennung eines körperschaftsteuerrechtlichen Organschaftsverhältnisses zwischen der Klägerin und der B-GmbH lagen im Streitjahr nicht vor, weil der Ergebnisabführungsvertrag vom 18. Juli 1988 keine Vereinbarung enthielt, die dem § 302 Abs. 3 AktG a.F. entsprach.
Verpflichtet sich eine GmbH zur Gewinnabführung, so verlangt § 17 Satz 2 Nr. 3 KStG a.F. für die Anerkennung der Organschaft u.a., dass eine Verlustübernahme entsprechend den Vorschriften des § 302 AktG vereinbart wird. Wie der erkennende Senat durch Urteil vom 17. Dezember 1980 I R 220/78 (BFHE 132, 285, BStBl II 1981, 383) entschieden hat, muss der Ergebnisabführungsvertrag eine dem § 302 Abs. 1 und Abs. 3 AktG entsprechende Vereinbarung enthalten. Entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung (Witt in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 17 KStG Tz. 5 b; Fuchs, Die Wirtschaftsprüfung --WPg-- 1994, 755; Walter, GmbH-Rundschau --GmbHR-- 1999, 1017; Walpert, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1999, 1684) ist daran auch unter Berücksichtigung der jüngeren zivilrechtlichen Rechtsprechung zum GmbH-Konzern festzuhalten (Schwarz in Gail/ Goutier/Grützner, Körperschaftsteuergesetz, § 17 Rn. 35; FG Düsseldorf, Urteil vom 2. Dezember 1991 6 K 307/86, EFG 1992, 415; wohl ebenso Gassner in Lademann, Kommentar zum Körperschaftsteuergesetz, § 17 Anm. 17; Streck, Körperschaftsteuergesetz, 5. Aufl., § 17 Anm. 11).
Zivilrechtlich ist § 302 AktG im GmbH-Vertragskonzern analog anzuwenden (vgl. BGH-Beschluss vom 24. Oktober 1988 II ZB 7/88, BGHZ 105, 324; BGH-Urteile vom 14. Dezember 1987 II ZR 170/87, BGHZ 103, 1; vom 11. November 1991 II ZR 287/90, BGHZ 116, 37; vom 11. Oktober 1999 II ZR 120/98, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2000, 210; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 16. Aufl., Schlussanhang I, GmbH-KonzernR Rn. 77; vgl. auch zum sog. qualifiziert faktischen GmbH-Konzern: BGH-Urteile vom 16. September 1985 II ZR 275/84, BGHZ 95, 330; vom 29. März 1993 II ZR 265/91, BGHZ 122, 123; Hüffer, Aktiengesetz, 4. Aufl., § 302 Rz. 6 ff., m.w.N.). Hierdurch wird die von § 17 Satz 2 Nr. 3 KStG a.F. geforderte Vereinbarung einer entsprechenden Anwendung des § 302 AktG jedoch nicht entbehrlich. Bereits der Gesetzeswortlaut ("vereinbart") spricht dagegen, eine von der Rechtsprechung anhand allgemeiner Grundsätze entwickelte Verpflichtung zur Verlustübernahme anstelle einer vertraglichen Absprache genügen zu lassen.
Bestätigt wird diese Auslegung durch den Zweck des § 17 KStG. Der Gesetzgeber wollte den Organträger in einer außeraktienrechtlichen Organschaft und den Organträger in der aktienrechtlichen Organschaft gleichstellen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- in BFHE 132, 285, BStBl II 1981, 383). Dies erforderte, dass die Anerkennung einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft in beiden Fällen von einer inhaltsgleichen Verlustübernahmeverpflichtung abhängt. Um dies sicherzustellen, durfte der Gesetzgeber für die außeraktienrechtliche Organschaft die vertragliche Vereinbarung einer Verlustübernahme entsprechend den Vorschriften des § 302 AktG selbst dann fordern, wenn sich vergleichbare Ansprüche andernfalls "nur" aufgrund allgemeiner zivilrechtlicher Rechtsgrundsätze ergeben würden. Denn die Rechtsentwicklung im Zivilrecht berücksichtigt keine spezifisch steuerrechtlichen Zielsetzungen. Die "Verlustübernahme entsprechend den Vorschriften des § 302 AktG" i.S. des § 17 Satz 2 Nr. 3 KStG a.F. muss deshalb nicht zwingend identisch sein mit der zivilrechtlichen Verlustübernahmepflicht aufgrund einer analogen Anwendung des § 302 AktG auf den GmbH-Vertragskonzern. So erscheint zivilrechtlich z.B. noch nicht geklärt, in welchem Umfang der Organträger einer außeraktienrechtlichen Organschaft zur Verlustübernahme verpflichtet ist, wenn er der alleinige Gesellschafter der Organgesellschaft ist. Im Schrifttum wird zum Teil die Auffassung vertreten, die Verlustübernahmepflicht gegenüber der sog. Einmann-GmbH beschränke sich darauf, das Stammkapital zu erhalten (so z.B. Zöllner, a.a.O., GmbH-KonzernR Rn. 78, 96; Koppensteiner in Rowedder, GmbH-Gesetz, 3. Aufl., Anhang nach § 52 Rdnr. 82; Stimpel in Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht --ZGR-- 1991, 144, 158 f.; möglicherweise auch Ulmer in Hachenburg, Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 8. Aufl., Anhang § 77 Rdnr. 207 f.; ebenso für den qualifizierten faktischen GmbH-Konzern Hüffer, a.a.O., § 302 Rz. 9; offen gelassen in den BGH-Urteilen vom 20. Februar 1989 II ZR 167/88, BGHZ 107, 7, und vom 23. September 1991 II ZR 135/90, BGHZ 115, 187). Unter diesen Umständen stellt die Regelung in § 17 Satz 2 Nr. 3 KStG a.F. (Nr. 2 n.F.) sicher, dass klare Voraussetzungen für die körperschaftsteuerrechtliche Organschaft bestehen und dass letztere in allen Fällen, d.h. unabhängig von der Rechtsform der Organgesellschaft, eine unbegrenzte Verlustübernahmepflicht des Organträgers erfordert (vgl. auch Zeidler, Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht --NZG-- 1999, 692). Demgemäß bezieht sich die gebotene Vereinbarung entsprechend § 302 Abs. 3 AktG auf die Ausgleichspflicht im vorgenannten Umfang, d.h. sie erfasst --unabhängig von der ansonsten bestehenden Zivilrechtslage-- einen Verzicht auf die Ausgleichspflicht (bzw. einen diese betreffenden Vergleich) selbst dann, wenn das Stammkapital trotz des Verzichts (bzw. des Vergleichs) erhalten bliebe.
Entgegen der Ansicht der Klägerin (wie diese Klempt, Deutsche Steuer-Zeitung 1981, 327; Fuchs, WPg 1994, 755; Walpert, DStR 1999, 1684; Frotscher in Frotscher/Maas, Körperschaftsteuergesetz, Umwandlungssteuergesetz, § 17 KStG Anm. 7; Walter in Arthur Andersen, Körperschaftsteuergesetz, § 17 Rz. 12) ist eine Vereinbarung entsprechend § 302 Abs. 3 AktG a.F. auch nicht deshalb ohne Sinn, weil ein Verzicht während oder nach Ablauf der Dreijahresfrist möglicherweise steuerrechtlich zur Nichtanerkennung des Organschaftsverhältnisses führen würde (vgl. § 14 Nr. 4 Satz 1 KStG a.F., s. jetzt Satz 2). Wie der Senat bereits in BFHE 132, 285, BStBl II 1981, 383 ausgeführt hat, musste der Gesetzgeber sich nicht ausschließlich an steuerlichen Gesichtspunkten orientieren, sondern durfte auch Interessen der Gläubiger und Minderheitsgesellschafter der Organgesellschaft berücksichtigen.
Im Übrigen hat der Gesetzgeber durch das Steueränderungsgesetz 1992 den Wortlaut des § 17 KStG an die vom BGH in BGHZ 105, 324 entwickelten zivilrechtlichen Wirksamkeitserfordernisse für Gewinnabführungsverträge angepasst (vgl. BTDrucks 12/1108, 67). Die Regelung in § 17 Satz 2 Nr. 3 KStG a.F. wurde jedoch in der jetzigen Nr. 2 dieser Norm beibehalten, obwohl die Senatsrechtsprechung (Urteil in BFHE 132, 285, BStBl II 1981, 383) bekannt war und bereits der vorgenannte BGH-Beschluss von einer entsprechenden Anwendung des § 302 AktG im GmbH-Konzern ausgeht. Für die Annahme der Klägerin, der Gesetzgeber habe letzteres übersehen, liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor.
Ende der Entscheidung
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