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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 25.02.2004
Aktenzeichen: I R 44/03
Rechtsgebiete: DBA-Schweiz, KStG 1996, EStG 1997
Vorschriften:
DBA-Schweiz Art. 10 | |
KStG 1996 § 52 | |
EStG 1997 § 43 | |
EStG 1997 § 49 Abs. 1 Nr. 5 |
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob eine 1998 beantragte Vergütung von Körperschaftsteuer gemäß § 52 des Körperschaftsteuergesetzes 1996 (KStG 1996) abkommensrechtlich den Regelungen über Dividenden untersteht.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Schweizer AG, war im Jahr 1990 am Stammkapital einer deutschen GmbH (P-GmbH) mit 99,17 v.H. beteiligt. Die P-GmbH schüttete in diesem Jahr 2 373 814 DM verdeckt an die Klägerin aus, was bei einer späteren Außenprüfung festgestellt wurde. Für die Gewinnausschüttung galt Eigenkapital der P-GmbH i.S. des § 30 Abs. 2 Nr. 3 KStG in der für 1990 geltenden Fassung (KStG 1984) als verwendet, weshalb sich die Körperschaftsteuer der P-GmbH gemäß § 27 Abs. 1 KStG 1984 erhöhte.
Nachdem im Jahr 1998 gegenüber der P-GmbH ein entsprechender Körperschaftsteuerbescheid ergangen war, beantragte die Klägerin im Dezember 1998 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Bundesamt für Finanzen --BfF--) eine Vergütung des Körperschaftsteuer-Erhöhungsbetrags. Das BfF setzte daraufhin den Vergütungsbetrag auf 1 335 270 DM fest, zog aber hiervon Kapitalertragsteuer in Höhe von 66 730,50 DM ab und zahlte nur den Restbetrag an die Klägerin aus. Die Klägerin focht den entsprechenden Bescheid nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit einer Klage an, die das Finanzgericht (FG) abwies. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2003, 1066 abgedruckt.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und das BfF zu verpflichten, sie im Hinblick auf den Körperschaftsteuer-Vergütungsanspruch insgesamt von der Kapitalertragsteuer freizustellen.
Das BfF beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Vergütung der von der P-GmbH gezahlten Körperschaftsteuer einer Kapitalertragsteuer in Höhe von 5 v.H. des Vergütungsbetrags unterliegt.
1. Die Klägerin ist, da sich weder ihr Sitz noch ihre Geschäftsleitung in Deutschland befinden, nicht unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig (§ 1 KStG 1996). Sie unterliegt jedoch gemäß § 2 Nr. 1 KStG 1996 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes in der hier maßgeblichen Fassung (EStG 1997) mit den Gewinnanteilen, die sie von der P-GmbH bezogen hat, der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht. Zu ihren beschränkt steuerpflichtigen Einkünften gehört u.a. die Vergütung der von der P-GmbH gezahlten Körperschaftsteuer gemäß § 52 KStG 1996 (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG 1997).
2. Nach § 43 Abs. 1 Nr. 6 EStG 1997 wird bei Einnahmen aus der Vergütung von Körperschaftsteuer (§ 52 KStG) die Einkommensteuer durch Abzug vom Kapitalertrag erhoben (Kapitalertragsteuer). Das gilt auch dann, wenn der Kapitalertrag beim Gläubiger zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört (§ 43 Abs. 4 KStG). Die Steuer beläuft sich auf 25 v.H. des Kapitalertrags (§ 43a Abs. 1 Nr. 3 EStG 1997), wird jedoch bei Ausschüttungen an eine Muttergesellschaft unter bestimmten --im Streitfall unstreitig vorliegenden-- Voraussetzungen auf 5 v.H. des Kapitalertrags ermäßigt (§ 44d Abs. 1 Nr. 1 EStG 1997). Die Kapitalertragsteuer entsteht mit der Auszahlung des Vergütungsbetrags; in diesem Zeitpunkt muss das BfF den Steuerabzug für Rechnung des Vergütungsberechtigten von der vergüteten Körperschaftsteuer einbehalten (§ 45c EStG). Dies alles gilt auch dann, wenn --wie im Streitfall-- der Vergütungsberechtigte nicht der Einkommen-, sondern der Körperschaftsteuerpflicht unterliegt (§ 49 Abs. 1 KStG 1996).
3. Im Streitfall hat hiernach das BfF zu Recht die der Klägerin zu vergütende Körperschaftsteuer einem Kapitalertragsteuerabzug von 5 v.H. des Vergütungsbetrags unterworfen. Es war nicht verpflichtet, den Kapitalertrag der Klägerin vollständig von der deutschen Besteuerung freizustellen und die einbehaltene Kapitalertragsteuer anschließend an die Klägerin auszukehren. Der Ansicht der Klägerin, dass sich eine solche Verpflichtung aus dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-Schweiz) ergebe, ist nicht beizupflichten.
a) Nach Art. 10 Abs. 1 DBA-Schweiz dürfen Dividenden, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft an eine in dem anderen Vertragsstaat ansässige Person zahlt, in dem anderen Staat besteuert werden. Jedoch darf derjenige Vertragsstaat, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, die Dividende ebenfalls besteuern; die von ihm zu erhebende Steuer darf allerdings, wenn der Dividendenempfänger eine Gesellschaft ist und mindestens 20 v.H. des Stammkapitals der ausschüttenden Gesellschaft hält, 5 v.H. des Bruttobetrags der Dividende nicht übersteigen (Art. 10 Abs. 2 Buchst. b DBA-Schweiz). Diese Regelung enthält die abkommensrechtliche Rechtfertigung dafür, den Kapitalertrag der Klägerin einer deutschen Steuer in Höhe von 5 v.H. zu unterwerfen, und steht damit der von der Klägerin begehrten vollständigen Freistellung des Kapitalertrags von der Körperschaftsteuer entgegen.
b) Die Klägerin stützt ihre gegenteilige Auffassung auf die Annahme, dass die Vergütung der Körperschaftsteuer gemäß § 52 KStG 1996 keine "Dividende" i.S. des Art. 10 DBA-Schweiz und jene Vorschrift deshalb im Streitfall nicht anwendbar sei. Einschlägig sei vielmehr Art. 21 DBA-Schweiz, der nur demjenigen Vertragstaat ein Besteuerungsrecht gewährt, in dem die die Einkünfte erzielende Person ansässig ist. Das FG ist dem zu Recht nicht gefolgt:
aa) Der Begriff "Dividende" ist für Zwecke der Anwendung des Art. 10 DBA-Schweiz in dessen Abs. 4 definiert. Danach umfasst dieser Ausdruck u.a. "Einnahmen aus Anteilen an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung". Hierunter sind alle Einnahmen zu verstehen, die auf der Beteiligung an einer GmbH beruhen. Entscheidend ist der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen der Einnahme und der Beteiligung (Wassermeyer in Debatin/ Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 10 MA Rz. 92), der immer dann besteht, wenn die Einnahme dem Bezieher auf Grund seiner Gesellschafterstellung zufließt (Tischbirek in Vogel, Doppelbesteuerungsabkommen, 4. Aufl., Art. 10 Rz. 188). Das ist bei der Vergütung von Körperschaftsteuer nach § 52 KStG 1996 der Fall.
§ 52 KStG 1996 knüpft an § 51 KStG 1996 an, der bestimmt, dass eine Anrechnung von Körperschaftsteuer gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG 1997 u.a. dann nicht stattfindet, wenn bei einem Anteilseigner die Dividende nicht im Rahmen einer Veranlagung als Einnahme erfasst wird. Zum Ausgleich hierfür ordnet § 52 KStG 1996 an, dass unter bestimmten Voraussetzungen der Anteilseigner eine Vergütung von Körperschaftsteuer erhalten kann. Diese Vergütung steht ebenso wie die durch sie ersetzte Körperschaftsteuer-Anrechnung (vgl. hierzu Kirchhof/Gosch, Einkommensteuergesetz, 3. Aufl., § 36 Rz. 24) nach dem klaren Wortlaut des § 52 KStG 1996 nur dem Anteilseigner zu; eine nicht an der Gesellschaft beteiligte Person könnte sie nicht erhalten. Darin liegt ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Beteiligung und Vergütung, der letztere als Einnahme "aus" der Beteiligung i.S. des Art. 10 Abs. 4 DBA-Schweiz erscheinen lässt.
bb) Dem steht nicht entgegen, dass die Vergütung von Körperschaftsteuer weder auf einer gesellschaftsrechtlichen Grundlage beruht noch durch die Kapitalgesellschaft selbst erfolgt, sondern als steuerrechtlicher Anspruch ausgestaltet und von einer Finanzbehörde --dem BfF-- vorzunehmen ist. Entscheidend ist insoweit vielmehr, dass einerseits die zu vergütende Körperschaftsteuer --anders als z.B. die Kapitalertragsteuer (§ 44 Abs. 1 Satz 1 EStG 1997)-- zu Lasten und für Rechnung der Kapitalgesellschaft erhoben wird und andererseits die Vergütung jener Steuer an eine Gewinnausschüttung durch die Kapitalgesellschaft anknüpft. Das Vergütungsverfahren setzt nämlich voraus, dass eine Gewinnausschüttung durch die Kapitalgesellschaft zur Erhöhung der von dieser geschuldeten Körperschaftsteuer geführt hat (§ 27 Abs. 1 KStG 1996), und gleicht für bestimmte Fallgestaltungen die hierdurch verursachte Minderung der unmittelbar von der Kapitalgesellschaft selbst gezahlten Dividende aus (Utech in Ernst & Young, Körperschaftsteuergesetz, § 52 a.F. Rz. 1). Bei wirtschaftlicher Betrachtung handelt es sich mithin darum, dass der zunächst von der Kapitalgesellschaft an den Fiskus abgeführte Steuererhöhungsbetrag an den Anteilseigner ausgekehrt und hierdurch die Dividende auf denjenigen Betrag aufgefüllt wird, der sich ohne die ausschüttungsbedingte Erhöhung der Körperschaftsteuer ergeben hätte. Dieser Vorgang steht i.S. des Art. 10 DBA-Schweiz einer unmittelbaren Auszahlung einer entsprechend höheren Dividende durch die Kapitalgesellschaft gleich, da die technische Ausgestaltung des Vergütungsverfahrens letztlich nur Ausfluss des im Streitjahr geltenden Körperschaftsteuer-Anrechnungsverfahrens ist, dessen Besonderheiten die abkommensrechtliche Steuerberechtigung nicht beeinflussen können. Angesichts dessen hindert auch der Umstand, dass Art. 10 DBA-Schweiz in Abs. 1 von Dividendenzahlungen durch "eine ... Gesellschaft" spricht, eine Anwendung der Vorschrift auf Zahlungen nach § 52 KStG 1996 nicht. Ist aber die durch eine offene Ausschüttung ausgelöste Vergütung von Körperschaftsteuer "Dividende" i.S. des Art. 10 DBA-Schweiz, so muss dies gleichermaßen für den hier zu beurteilenden Fall der Auslösung durch eine verdeckte Gewinnausschüttung gelten.
cc) Eine abweichende Lesart des Art. 10 DBA-Schweiz ist auch im Hinblick auf dessen Sinn und Zweck nicht geboten. Im Gegenteil wäre es wertungswidersprüchlich, wenn ein Vertragsstaat hinsichtlich der von einer Kapitalgesellschaft ausgeschütteten Erträge ein Quellenbesteuerungsrecht hätte, ein von ihm selbst anlässlich der Ausschüttung gewährter zusätzlicher Vorteil des Anteilseigners aber nur im anderen Vertragsstaat besteuert werden dürfte. Das aber wäre die Folge der von der Klägerin vertretenen Ansicht, die auch unter diesem Gesichtspunkt nicht sachgerecht erscheint. Angesichts dessen vermögen die Ausführungen der Revision zur systematischen Einordnung des Vergütungsanspruchs nach § 52 KStG 1996 die Position der Klägerin nicht zu stützen.
dd) Die Einordnung der Körperschaftsteuer-Vergütung als "Dividende" i.S. des Art. 10 DBA-Schweiz wird zusätzlich dadurch gestützt, dass Art. 10 Abs. 4 DBA-Schweiz --in Übereinstimmung mit dem OECD-Musterabkommen (OECD-MustAbk)-- hinsichtlich der aus sonstigen Gesellschaftsanteilen stammenden Einnahmen darauf abstellt, ob diese nach dem Recht des Quellenstaates den Einnahmen aus Aktien gleichgestellt sind. Die genannte Regelung ist zwar im Streitfall nicht unmittelbar einschlägig, da dem Begriff "sonstige Gesellschaftsanteile" nur diejenigen Beteiligungsformen unterfallen, die in Art. 10 Abs. 4 DBA-Schweiz nicht bereits zuvor genannt sind (vgl. hierzu Tischbirek, a.a.O., Art. 10 Rz. 186; Wassermeyer, a.a.O., Art. 10 MA Rz. 92, m.w.N.); die Beteiligung an einer GmbH wird mithin von ihm nicht umfasst. Dennoch verdeutlicht die Regelung, dass nach dem Willen der Vertragsparteien die abkommensrechtliche Dividendendefinition im Grundsatz alle diejenigen Vorgänge erfassen soll, die das interne Recht der Vertragsstaaten den Regelungen über Dividenden unterstellt. In diesem Sinne knüpft das Abkommensrecht an das nationale Recht an. Angesichts dessen muss der Umstand, dass das deutsche Recht die Vergütung nach § 52 KStG 1996 sowohl generell (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG 1997) als auch speziell im Hinblick auf die Kapitalertragsteuer (§ 43 Abs. 1 Nr. 6 EStG 1997) den Einkünften aus Kapitalvermögen zuordnet, im Zweifel auf das Abkommensrecht durchschlagen.
ee) Schließlich hat das FG zu Recht angenommen, dass das von der Klägerin befürwortete einschränkende Verständnis des Art. 10 Abs. 4 DBA-Schweiz sich weder aus dem Kommentar zum OECD-MustAbk (OECD-MK) noch im Wege eines Gegenschlusses aus anderen deutschen Doppelbesteuerungsabkommen ableiten lasse. Die hierzu von der Klägerin zitierten Abkommen mit Italien, Kanada und den USA weichen nicht in einer Weise von der Regelung im DBA-Schweiz ab, die den Schluss zuließe, dass letzteres die Dividendendefinition auf unmittelbar von der Gesellschaft selbst geleistete Zahlungen beschränkt. Die textliche Abweichung bezieht sich nämlich nur darauf, dass die genannten Abkommen nicht von "aus sonstigen Gesellschaftsanteilen stammenden Einnahmen" (Schweiz), sondern statt dessen von "sonstigen Einkünften" (Italien, Kanada) bzw. von "aus sonstigen Rechten stammenden anderen Einkünften" (USA) sprechen; eine darin möglicherweise liegende inhaltliche Abweichung gegenüber dem DBA-Schweiz betrifft mithin allenfalls die "sonstigen" Erträge, nicht aber die hier interessierenden Erträge "aus Beteiligungen an einer GmbH". Und im Hinblick auf den OECD-MK hat das FG zutreffend ausgeführt, dass namentlich der dortigen Nr. 28 zu Art. 10 OECD-MustAbk nicht die von der Klägerin vertretene Auffassung zu Grunde liegt; auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil, mit denen sich die Revision nicht auseinander gesetzt hat, wird insoweit verwiesen.
Ende der Entscheidung
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