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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 28.01.2004
Aktenzeichen: I R 48/03
Rechtsgebiete: FGO, EStG


Vorschriften:

FGO § 126 Abs. 3 Nr. 2
EStG § 1 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob Arbeitslohn nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 5. Dezember 1966 (DBA-Spanien) von der deutschen Besteuerung freizustellen ist.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zusammenveranlagte Eheleute mit Wohnsitz in Deutschland. Der Kläger war im Streitjahr (1999) bei der X-AG nichtselbständig tätig.

In der Zeit vom 6. April bis zum 23. Juli 1999 hielt sich der Kläger in S (Spanien) auf, wo er für die X-AG Montagearbeiten leistete. In ihrer Einkommensteuererklärung behandelten die Kläger die auf diese Zeit entfallenden Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit als steuerfrei. Dazu legten sie eine Bescheinigung der X-AG vor, nach der auf der Baustelle in S von Dezember 1998 bis Dezember 1999 ständig Mitarbeiter des Unternehmens anwesend waren. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) unterwarf indessen die gesamten Einkünfte des Klägers der Einkommensteuer. Die dagegen gerichtete Klage war erfolglos; das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 1222 abgedruckt.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger eine Verletzung des Art. 15 Abs. 2 Buchst. c DBA-Spanien. Sie beantragen sinngemäß, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer für das Streitjahr in der Weise festzusetzen, dass der Arbeitslohn des Klägers in Höhe von 47 690,04 DM als nach dem DBA-Spanien steuerfrei behandelt wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG. Dessen Feststellungen lassen keine abschließende Antwort auf die Frage zu, ob und inwieweit der Arbeitslohn des Klägers von der deutschen Besteuerung freizustellen ist.

1. Der Kläger hatte nach den im Revisionsverfahren bindenden (§ 118 Abs. 2 FGO) Feststellungen des FG in Deutschland einen Wohnsitz. Er war daher gemäß § 1 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unbeschränkt steuerpflichtig mit der Folge, dass seine Welteinkünfte der deutschen Besteuerung unterliegen. Die Einkünfte des Klägers sind jedoch aus der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer auszunehmen, soweit das DBA-Spanien dies anordnet.

2. Nach Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA-Spanien dürfen Vergütungen, die eine in einem Vertragstaat ansässige Person für eine im anderen Vertragstaat ausgeübte unselbständige Arbeit bezieht, grundsätzlich im anderen Staat (Tätigkeitsstaat) besteuert werden. Ist der Arbeitnehmer in Deutschland ansässig und ist Spanien der Tätigkeitsstaat, so sind die betreffenden Einkünfte von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen (Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-Spanien). Ein Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaats nach Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA-Spanien besteht jedoch nicht, wenn die in Art. 15 Abs. 2 DBA-Spanien genannten Voraussetzungen erfüllt sind; dann ist vielmehr nur derjenige Vertragstaat steuerberechtigt, in dem der Arbeitnehmer ansässig ist. Das ist im Streitfall Deutschland, da nach den Feststellungen des FG davon auszugehen ist, dass der Kläger hier jedenfalls den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen besaß (Art. 4 Abs. 2 Buchst. a DBA-Spanien).

3. Im Streitfall kommt es hiernach darauf an, ob sich aus Art. 15 Abs. 2 DBA-Spanien ein ausschließliches deutsches Besteuerungsrecht ergibt. Das setzt zunächst voraus, dass sich der Kläger nicht länger als 183 Tage in Spanien aufgehalten hat (Art. 15 Abs. 2 Buchst. a DBA-Spanien); diese Bedingung ist im Streitfall unstreitig und zweifelsfrei erfüllt. Dasselbe gilt für die in Art. 15 Abs. 2 Buchst. b DBA-Spanien genannte weitere Voraussetzung, dass die Vergütung von einem nicht in Spanien ansässigen Arbeitgeber gezahlt worden ist; Arbeitgeber des Klägers war die X-AG, und diese war in Deutschland ansässig. Vor diesem Hintergrund geht der Streit zwischen den Beteiligten allein darum, ob auch die in Art. 15 Abs. 2 Buchst. c DBA-Spanien genannte Situation vorliegt, dass nämlich die Vergütung nicht von einer Betriebsstätte des Arbeitgebers im Tätigkeitsstaat (Spanien) getragen worden ist. Das ist im Streitfall deshalb entscheidungserheblich, weil nach dem Wortlaut des Art. 15 Abs. 2 DBA-Spanien (Buchst. b: "und") nur ein kumulatives Vorliegen aller dort genannten Voraussetzungen das Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaats ausschließt (vgl. hierzu schon Senatsurteil vom 21. August 1985 I R 63/80, BFHE 144, 428, BStBl II 1986, 4; Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 5. Januar 1994, BStBl I 1994, 11, unter 1.1).

4. Eine Vergütung wird i.S. des Art. 15 Abs. 2 Buchst. c DBA-Spanien von einer Betriebsstätte des Arbeitgebers im Tätigkeitsstaat getragen, wenn erstens der Arbeitgeber in jenem Staat eine Betriebsstätte i.S. des Art. 5 DBA-Spanien besitzt und zweitens die Vergütung nach Maßgabe des Art. 7 DBA-Spanien der Betriebsstätte zuzurechnen ist. Das hat der Senat im Hinblick auf die gleich lautende Vorschrift im Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz wiederholt entschieden (Senatsurteile vom 24. Februar 1988 I R 143/84, BFHE 152, 500, BStBl II 1988, 819; vom 21. April 1999 I R 99/97, BFHE 189, 292, BStBl II 1999, 694, unter II.3. der Entscheidungsgründe); für das DBA-Spanien gilt dasselbe. Hiernach setzt Art. 15 Abs. 2 Buchst. c DBA-Spanien nicht voraus, dass die Vergütung von der Betriebsstätte an den Arbeitnehmer ausgezahlt oder im Verhältnis zwischen den einzelnen Unternehmensteilen der Betriebsstätte konkret belastet wird (ebenso Niedersächsisches FG, Urteil vom 30. Mai 2000 9 K 228/95, EFG 2000, 941; vgl. auch Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 15 MA Rz. 130 f.). Allein entscheidend ist vielmehr der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen der Vergütung und der Betriebsstättentätigkeit; ist er gegeben, so wird die Vergütung auch dann von der Betriebsstätte "getragen", wenn sie von einem anderen Unternehmensteil ausgezahlt wird und eine unternehmensinterne Verrechnung des Aufwands nicht erfolgt. Die gegenteilige Ansicht des FG ist mit der bisherigen Rechtsprechung, an der der Senat festhält, nicht vereinbar.

5. Im Streitfall kommt es hiernach darauf an, ob die X-AG als Arbeitgeberin des Klägers in Spanien eine Betriebsstätte unterhalten hat und inwieweit der Arbeitslohn des Klägers wirtschaftlich auf Leistungen zu Gunsten dieser Betriebsstätte entfällt. Zu beiden Punkten hat das FG bislang keine Feststellungen getroffen. Es ist statt dessen davon ausgegangen, dass Art. 15 Abs. 2 Buchst. c DBA-Spanien schon deshalb nicht eingreife, weil die X-AG die Montagestelle in S nicht als ihre Betriebsstätte behandelt und infolge dessen keine Verrechnung des Arbeitslohns gegenüber einer spanischen Betriebsstätte stattgefunden hat. Auf die buchtechnische Behandlung durch die X-AG kann es indessen, wie die Kläger zu Recht ausführen, nicht ankommen; maßgeblich sind vielmehr allein die tatsächlichen Verhältnisse (Senatsurteil in BFHE 152, 500, BStBl II 1988, 819, unter II.4.b der Entscheidungsgründe). Diese können nicht im Revisionsverfahren, sondern nur vom FG als Tatsacheninstanz ermittelt werden. Hierzu muss das Verfahren an das FG zurückverwiesen werden.

Ende der Entscheidung

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