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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 07.02.2007
Aktenzeichen: I R 5/05
Rechtsgebiete: AktG, GG, KStG 1996, KStG 2002


Vorschriften:

AktG § 291 Abs. 1
AktG § 302 Abs. 1
GG Art. 20 Abs. 3
KStG 1996 § 14
KStG 1996 § 17
KStG 1996 § 30 Abs. 2 Nr. 4
KStG 1996 § 37 Abs. 2
KStG 2002 § 27 Abs. 6
Veräußert der Organträger seine Beteiligung an der Organgesellschaft, ist ein bei ihm vorhandener besonderer passiver Ausgleichsposten erfolgsneutral aufzulösen (entgegen Abschn. 59 Abs. 5 KStR 1995; R 63 Abs. 3 KStR 2004).
Gründe:

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Holding GmbH, hielt u.a. sämtliche Anteile an der S-GmbH (S). Diese war wiederum zu 65 v.H. an der ST-GmbH & Co. KG (ST) als Kommanditistin beteiligt. Die S besaß außer der Kommanditbeteiligung und Gesellschaftsanteilen an der Komplementär-GmbH der ST keine weiteren Vermögensgegenstände. Am 30. Juni 1997 brachte die Klägerin ihre Anteile an der S zum Verkehrswert in die T-GmbH (T) ein, deren Anteile sie im Streitjahr 1997 am 17. März erworben hatte. Diese Anteile veräußerte sie am 18. Juli 1997 an verschiedene Mitglieder der Familie X.

Wegen der zwischen der Klägerin und der S bestehenden körperschaftsteuerlichen Organschaft wurden ihr von 1990 bis 1996 (handelsrechtliche) Verluste der S in Höhe von insgesamt 68 621 584 DM zugerechnet. Diese rührten aus der Kommanditbeteiligung an der ST her. Nach einem Ausgleich der handelsrechtlichen Verluste der ST durch Forderungsverzichte der S beliefen sich die nicht ausgeglichenen Verluste auf 24 903 620 DM. Infolgedessen war das Kapitalkonto der S bei der ST zum 31. Dezember 1996 von 42 770 000 DM auf 17 866 380 DM gesunken. Eine Teilwertabschreibung ihrer Beteiligung an der ST nahm die S in ihrer Handelsbilanz nicht vor. Zusammen mit nachträglichen Anschaffungskosten stand die Beteiligung bei der S zum 31. Dezember 1996 vielmehr mit 42 770 000 DM zu Buche. Steuerlich wurden der S für 1990 bis 1996 Verlustanteile in Höhe von insgesamt 67 593 695 DM zugerechnet. Das steuerliche Kapitalkonto der S bei der ST reduzierte sich daher zum 31. Dezember 1996 auf 16 238 395 DM. Mit diesem Wert wurde die Kommanditbeteiligung der S an der ST in der Steuerbilanz der S angesetzt.

Nachdem die S in ihrer Handelsbilanz keine Abwertung ihrer Kommanditbeteiligung vorgenommen hatte, stand in den Verlustjahren dem negativen steuerlichen Einkommen der S keine entsprechende handelsrechtliche Verlustübernahme gegenüber. Für diese handelsrechtlichen Mehrabführungen bildete die Klägerin in ihrer Steuerbilanz einkommensneutral passive Ausgleichsposten. Aus den Mehr- und Minderabführungen aus der Organschaft zwischen der Klägerin und der S ergab sich nach Durchführung einer Betriebsprüfung ein Bestand von 12 866 002 DM. Dass dieser Bestand geringer war als die Reduzierung des steuerlichen Kapitalkontos der S bei der ST, beruhte auf der Bildung einer Rückstellung der S für latente Steuerbelastungen aus ihrer Beteiligung an der ST in der Handelsbilanz in Höhe von 11 808 000 DM. Damit sollte berücksichtigt werden, dass künftige Gewinne der ST bis zur Wiederherstellung einer ausreichenden Eigenkapitalbasis nicht entnommen werden könnten, gleichwohl aber nach Beendigung der Organschaft bei der S dennoch der Körperschaftsteuer unterlägen. Da die Rückstellung nur in der Handelsbilanz gebildet worden war, minderte sie die handelsrechtliche Mehrabführung in 1996 und damit auch den passiven Ausgleichsposten bei der Klägerin.

In ihrer Körperschaftsteuererklärung 1997 löste die Klägerin entsprechend Abschn. 59 Abs. 5 Satz 2 der Körperschaftsteuer-Richtlinien (KStR) 1995 den passiven Ausgleichsposten, soweit er die S betraf, gewinnerhöhend auf. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) folgte dem und erließ entsprechende Steuerbescheide. Nach Durchführung der Betriebsprüfung wandte sich die Klägerin gegen die erfolgswirksame Auflösung des passiven Ausgleichspostens. Sie machte geltend, dadurch werde der Vorbehalt des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes --GG--) sowie das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit (Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt. Es fehle eine gesetzliche Regelung für die Auflösung von aktiven und passiven Ausgleichsposten.

Das Finanzgericht (FG) München schloss sich dem an und gab der Klage mit Urteil vom 10. Dezember 2004 6 K 2436/02 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2005, 628) statt.

Mit seiner Revision rügt das FA eine Verletzung materiellen Rechts (§§ 14 bis 19 des Körperschaftsteuergesetzes --KStG 1996--, Art. 20 Abs. 3 GG).

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Das dem Verfahren beigetretene Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat keinen Antrag gestellt.

II.

Die Revision des FA ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Das FG hat zutreffend entschieden, dass bei der Ermittlung des Gewinns aus der Einbringung der Beteiligung an der S in die T der passive Ausgleichsposten nicht erfolgswirksam aufzulösen ist, da es hierfür an einer gesetzlichen Grundlage fehlt.

1. Zwischen der Klägerin und der S bestand in den Streitjahren ein Organschaftsverhältnis. Gemäß § 14 i.V.m. § 17 KStG 1996 war der Klägerin daher das Einkommen der S zuzurechnen. Da die Organgesellschaft nur verpflichtet ist, ihren handelsrechtlichen Gewinn an den Organträger abzuführen (§ 291 Abs. 1 des Aktiengesetzes --AktG--), und der Organträger nur den handelsrechtlich erlittenen Verlust der Organgesellschaft ausgleichen muss (§ 302 Abs. 1 AktG), können steuerlich zugerechnetes Einkommen und tatsächlich abgeführtes Einkommen differieren. Die hieraus resultierenden sog. Mehr- und Minderabführungen werden beim Organträger durch aktive oder passive Ausgleichsposten berücksichtigt. Zweck der Ausgleichsposten ist es, die zweifache Besteuerung desselben wirtschaftlichen Gewinns bzw. die doppelte Berücksichtigung eines wirtschaftlichen Verlustes und die Nichterfassung des Gewinns der Organgesellschaft innerhalb des Organkreises zu vermeiden. Die Zurechnung des Einkommens der Organgesellschaft gemäß § 14 KStG 1996 und die Einkommensermittlung beim Organträger nach allgemeinen Gewinnermittlungsgrundsätzen sollen weder zu einer Doppelbesteuerung des Organeinkommens führen (Senatsurteil vom 24. Juli 1996 I R 41/93, BFHE 181, 53, BStBl II 1996, 614, m.w.N.) noch soll das Organeinkommen unbesteuert bleiben. Mehrabführungen einzelner Jahre werden daher durch Minderabführungen anderer Jahre ausgeglichen.

2. Bei der Klägerin haben sich die von der S erzielten steuerlichen Verluste gewinnmindernd ausgewirkt. Handelsrechtlich stand dem jedoch keine Verlustübernahme in voller Höhe gegenüber. Ursächlich dafür ist, dass die S die Minderung ihres Kapitalkontos bei der ST handelsrechtlich nicht nachvollzogen hat, sondern die Beteiligung nach wie vor mit den Anschaffungskosten von 42 770 000 DM bilanziert hatte und daher handelsrechtlich kein entsprechend hoher Verlust eingetreten ist. Durch die Zurechnung der steuerlichen Verluste in voller Höhe ist die Klägerin so behandelt worden, als habe sie die Verluste der S ausgeglichen, obwohl diese Minderung ihres Betriebsvermögens tatsächlich nicht eingetreten ist. Abzüglich einer handelsrechtlichen Rückstellung ergab sich hierdurch per Saldo ein passiver Ausgleichsposten von 12 866 002 DM.

3. Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung (Abschn. 59 Abs. 2 i.V.m. Abs. 5 Sätze 2 und 3 KStR 1995; BMF-Schreiben vom 26. August 2003, BStBl I 2003, 437 Rz. 40 ff.; R 63 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 Sätze 2 und 3 KStR 2004) und Teilen der Literatur (s. nachfolgend unter 3.a und b) ist der passive Ausgleichsposten infolge der Einbringung der Beteiligung in die T nicht erfolgswirksam aufzulösen. Für eine entsprechende Steuerbelastung fehlt eine Rechtsgrundlage (gleicher Ansicht FG Düsseldorf, Urteil vom 24. August 1989 6 K 382/84, EFG 1990, 77; Neumann in Gosch KStG § 14 Rz 445, 459; Glutsch/Meining, Der Betrieb --DB-- 2007, 308; Walter in Ernst & Young, KStG, § 14 Rz 893; Kolbe in Herrmann/Heuer/Raupach, § 14 KStG Rz 93 f.; s. auch Witt/Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 14 KStG nF Rz 370; Dötsch, DB 1993, 752).

a) Wird die Beteiligung an der Organgesellschaft veräußert, ist nach der Verwaltungspraxis und überwiegender Meinung ein aktiver Ausgleichsposten gewinnmindernd (s. Senatsurteil in BFHE 181, 53, BStBl II 1996, 614) und ein passiver Ausgleichsposten gewinnerhöhend aufzulösen (vgl. z.B. Witt/Dötsch in Dötsch/ Jost/Pung/Witt, a.a.O., § 14 KStG nF Rz 373, 397; Kußmaul/ Richter, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1999, 1717; Dötsch, DB 1993, 752; Kuhn/Reiß, Steuern und Bilanzen --StuB-- 2004, 753, sowie weitere Nachweise nachfolgend unter b).

b) Die Begründung hierfür differiert allerdings. Ein Teil der Literatur ist der Auffassung, der organschaftliche Ausgleichsposten sei lediglich ein bilanztechnisches Mittel, die Einmalbesteuerung des Organeinkommens sicherzustellen (z.B. Jurkat, Organschaft, 1975, Rz 636; Hübel, Die steuerliche Betriebsprüfung --StBp-- 1984, 11). Der Senat hat sich dem im Urteil in BFHE 181, 53, BStBl II 1996, 614 angeschlossen. Nach anderer Auffassung kommt dem organschaftlichen Ausgleichsposten ein materieller Gehalt zu: Es handele sich um einen steuerbilanziellen Korrekturposten zum Wert der Beteiligung (Reiß, StuB 2004, 812; Brezing, DB 1976, 1030; Dantzer, StBp 1983, 176 und 1984, 149; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 14 KStG Rz 310; Witt/Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, a.a.O., § 14 KStG nF Rz 365 ff., 368; Danelsing in Blümich, § 14 KStG Rz 210; Füger/Rieger, Finanz-Rundschau 2003, 543, 546; Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 12 UmwStG Rz 283; Rouenhoff, DStR 2005, 1636; BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 437, Tz. 43, a.A. noch Abschn. 59 Abs. 1 Satz 2 KStR 1995; Oberfinanzdirektion Frankfurt, Verfügung vom 8. November 2005, DStR 2005, 2044).

Diese Auffassung stützt sich vornehmlich auf § 37 Abs. 2 KStG 1996, der bestimmte, dass Minderabführungen bei der Organgesellschaft in den Teilbetrag i.S. des § 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG 1996 einzuordnen waren und demnach wie Einlagen behandelt wurden; ferner nunmehr auf § 27 Abs. 6 KStG 2002, der anweist, dass Mehr- und Minderabführungen in das Einlagekonto der Organgesellschaft zu buchen sind. Hieraus wird geschlossen, dass Minderabführungen als verdeckte Einlage des Organträgers in die Organgesellschaft zu werten und damit auch bilanzrechtlich als Einlage zu behandeln seien. Umgekehrt ergebe sich, dass das Gesetz nach alter wie neuer Rechtslage Mehrabführungen typisierend als Rückzahlungen von gesellschaftsrechtlichen Einlagen ansehe (Frotscher in Frotscher/Maas, a.a.O., § 14 KStG Rz 310 ff.; Witt/Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, a.a.O., § 14 KStG nF Rz 368).

c) Der Senat folgt dieser Auffassung nicht. Weder aus § 37 Abs. 2 KStG 1996 noch aus dem Zweck der Organschaft kann dieses Ergebnis abgeleitet werden.

aa) Wie der Senat bereits in seinem Urteil in BFHE 181, 53, BStBl II 1996, 614 ausgeführt hat, können Einlagegrundsätze aufgrund organschaftsrechtlicher Besonderheiten nicht unmittelbar --etwa durch Erhöhung oder Minderung des Beteiligungsansatzes-- zu einem verminderten oder erhöhten Veräußerungsgewinn führen. Die Mehrabführung ist handelsrechtlich Abführung des laufenden Jahresüberschusses und nicht die Rückzahlung von Einlagen. Grundlage für die Zahlung ist der Ergebnisabführungsvertrag, der zwar auch seine Ursache im Gesellschaftsverhältnis hat, der aber Einlagegrundsätzen vorgeht.

bb) Mehrabführungen können auch nicht fiktiv als Rückzahlung von Einlagen behandelt werden.

aaa) Eine solche Qualifizierung als zurückgezahlte Einlagen folgt insbesondere nicht aus § 37 Abs. 2 KStG 1996. Nach dieser Vorschrift sind Minderabführungen bei der Organgesellschaft in das EK 04 (§ 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG 1996) einzuordnen, Mehrabführungen mindern das EK 04. Aus der Gesetzesbegründung (BTDrucks 7/1470, S. 374 zu § 40) ergibt sich, dass die Regelung verhindern soll, dass der Teil des Eigenkapitals, der durch Minderabführungen entstanden ist, bei einer späteren Abführung oder Ausschüttung bei dem Organträger oder bei den anderen Anteilseignern zur Steuerpflicht oder zur Anrechnung von Körperschaftsteuer führt. Daher sollte dieser Teil des Eigenkapitals der Organgesellschaft wie Eigenkapital zu behandeln sein, das durch Einlagen der Anteilseigner entstanden ist. Abgesehen davon, dass es sich hierbei um eine Regelung über die Gliederung des Eigenkapitals und nicht um eine Gewinnermittlungsvorschrift handelt, lässt sich weder aus dem Wortlaut der Vorschrift noch aus ihrem Zweck ableiten, dass Mehrabführungen beim Organträger fiktiv als Rückzahlung von Einlagen zu beurteilen sind und daher ein passiver Ausgleichsposten beim Organträger im Falle der Veräußerung der Organbeteiligung gewinnwirksam aufzulösen ist.

bbb) Die §§ 14 ff. KStG 1996 enthalten ebenfalls keine Regelungen über die Bildung oder Auflösung von aktiven oder passiven Ausgleichsposten. Auch aus dem Zweck der §§ 14 ff. KStG 1996 lässt sich nicht ableiten, dass Mehrabführungen fiktiv wie die Rückzahlung von Einlagen zu behandeln und daher im Falle einer Veräußerung der Beteiligung an der Organgesellschaft erfolgswirksam aufzulösen sind.

§ 14 KStG 1996 knüpft an das Handelsrecht an und setzt für die Zurechnung des Einkommens der Organgesellschaft einen Ergebnisabführungsvertrag (§ 291 Abs. 1 AktG) voraus. Wegen der Abweichung von steuerrechtlicher Einkommenszuweisung und handelsrechtlicher Verpflichtung ergeben sich beim Organträger Vermögensmehrungen und -minderungen, die, blieben sie endgültig, jedenfalls bei typisierender Betrachtung entweder zu einer doppelten Berücksichtigung desselben Einkommens oder zu einer Nichtberücksichtigung von Einkommensteilen führen können. Obwohl diese Folge offenkundig ist, hat der Gesetzgeber auf eine Regelung über die Behandlung von Mehrabführungen verzichtet und sich auf die Regelung in § 37 Abs. 2 KStG 1996 beschränkt. Dies kann zwar --wie das BMF in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat-- darin begründet sein, dass der Gesetzgeber angesichts der zunächst allgemein akzeptierten Verwaltungsübung keinen Bedarf für eine ausdrückliche Regelung gesehen hat. Nicht zuletzt in Anbetracht der langjährigen Diskussion um das Fehlen einer entsprechenden normativen Rechtsgrundlage (vgl. z.B. Dötsch, DB 1993, 752; zu w.N. s. Kolbe in Herrmann/Heuer/ Raupach, a.a.O., § 14 KStG Rz 93 [S. K 85]) ist jedoch keineswegs auszuschließen, dass er die sich aus Mehrabführungen der Organschaft ergebende steuerfreie Eigenkapitalmehrung des Organträgers bewusst hingenommen hat.

Darauf könnte zwischenzeitlich auch der Umstand hindeuten, dass der Gesetzgeber zwar mit § 14 Abs. 3 KStG Regelungsbedarf für in vorvertraglicher Zeit verursachte Mehr- und Minderabführungen gesehen und mit § 14 Abs. 3 KStG i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Steuerrecht und zur Änderung weiterer Vorschriften (Richtlinien-Umsetzungsgesetz --EURLUmsG--) vom 9. Dezember 2004 (BGBl I 2004, 3310, 3843, BStBl I 2004, 1158) hierfür eine entsprechende Regelung getroffen, darauf für in vertraglicher Zeit verursachte Mehr- oder Minderabführungen aber nach wie vor verzichtet hat. Für die vom BMF ins Feld geführte gewohnheitsrechtliche Verfestigung der Verwaltungspraxis fehlen jedenfalls jegliche Anhaltspunkte. Die Annahme von Gewohnheitsrecht erfordert, dass sich zu einer bestimmten Rechtsfrage durch ständige Übung ein Rechtsbewusstsein der beteiligten Kreise gebildet hat und die Gerichte diese Rechtsüberzeugung teilen (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. November 1997 VII E 6/97, BFHE 184, 237, BStBl II 1998, 121, m.w.N.; Kolbe, ebenda). Daran fehlt es indes. Weder hat der BFH bislang abschließend über die hier in Rede stehende Situation entschieden noch findet sich, wie aufgezeigt, im Schrifttum zu dieser Frage ein einheitliches Meinungsbild.

ccc) Im Übrigen verschiebt § 14 KStG zwar die steuerliche Einkommenszurechnung und durchbricht das Prinzip der Rechtssubjektivität. Das ändert aber nichts daran, dass die Einkommen von Organträger und Organgesellschaft nach wie vor getrennt ermittelt und als solche besteuert werden. Ein (späterer) Gewinn aus der Veräußerung der Anteile an der Organgesellschaft, so denn der --in der Regel nach Ertragswertmaßstäben ermittelte-- Veräußerungspreis überhaupt aus Substanzgesichtspunkten gespeist und durch die (frühere) Mehrabführung erhöht worden sein sollte, fällt aber stets als eigener Gewinn des Organträgers und nicht als (organschaftlich zugerechneter) Gewinn der Organgesellschaft an. Nur um die Neutralisierung des Gewinns der Organgesellschaft kann es bei der Bildung von steuerlichen Ausgleichsposten aber gehen; die prinzipielle Unterscheidung von Organträger und Organgesellschaft als selbständige Rechtsträger bleibt auch in steuerlicher Hinsicht trotz des Ergebnisabführungsvertrags uneingeschränkt erhalten (zutreffend Kolbe, ebenda [S. K 87 f.]; Neumann in Gosch, a.a.O., § 14 Rz 445).

cc) Aktive und passive Ausgleichsposten sind daher bilanztechnische Erinnerungsposten (so schon Senatsurteil in BFHE 181,53, BStBl II 1996, 614), die aus organschaftlichen Besonderheiten resultieren und außerhalb der Steuerbilanz des Organträgers festzuhalten sind, um eine spätere Doppel- oder Keinmalbesteuerung zu verhindern, die mit dem Wesen der Organschaft unvereinbar wäre (Wassermeyer in Herzig, Organschaft, 2003, S. 208, 217). Diese Erinnerungsposten sind aufzulösen, wenn die Doppel- oder Keinmalbesteuerung nicht mehr droht. Die Auflösung ist auch bei Veräußerung der Beteiligung erfolgsneutral. Für die Annahme eines erfolgswirksamen Vorgangs fehlt die gesetzliche Grundlage oder eine aus dem Wesen der Organschaft eindeutig abzuleitende Pflicht. Eine solche aus dem Gesetz abzuleitende Pflicht ist im Steuerrecht als Eingriffsrecht unverzichtbar (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG).

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