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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 29.01.2003
Aktenzeichen: I R 50/02
Rechtsgebiete: GewStG 1991
Vorschriften:
GewStG 1991 § 8 Nr. 1 | |
GewStG 1991 § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 |
Gründe:
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, schuldete der einen ihrer beiden Gesellschafterinnen, einer ausländischen Ltd. (A-Ltd.), aufgrund eines Darlehensvertrages aus dem Jahre 1988 18 000 000 DM. Das Darlehen wurde im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Schachtelbeteiligung aufgenommen und konnte jederzeit zurückgezahlt werden, spätestens jedoch am 31. Dezember 1998. Weiterhin schuldete die Klägerin ihrer anderen Gesellschafterin, ebenfalls einer ausländischen Ltd. (B-Ltd.), aufgrund von fünf Darlehensverträgen aus den Jahren 1990 bis 1992 insgesamt 42 250 000 DM. Die Klägerin hatte diese Darlehen in voller Höhe 30 Tage nach Abgabe einer schriftlichen Mitteilung der Gläubigerin zurückzuzahlen. Eine vorherige Rückzahlung war jederzeit im Ganzen oder zum Teil ohne Vertragsstrafe möglich.
Die Gläubigerinnen erließen der Klägerin mit Erlassverträgen in den Jahren 1990 bis 1992 die genannten Verbindlichkeiten, woraufhin diese ausgebucht wurden. Die gleichlautenden, in englischer Sprache abgefassten Erlassverträge enthielten die folgenden Regelungen:
"2. Die Gläubigerin verzichtet zum ... in voller Höhe auf die Darlehensforderung von ... Die Schuldnerin akzeptiert diesen Verzicht.
3. Die Gläubigerin ist berechtigt, den Betrag von ..., auf den verzichtet wurde, von der Schuldnerin unter der aufschiebenden Bedingung zu fordern, dass die Schuldnerin in der Zukunft einen Bilanzüberschuss erwirtschaftet bzw. einen Liquidationserlös erzielt.
4. Für die nach Abs. 3 entstehende Schuld gelten die gleichen Modalitäten (Verzinsung, Rückführung) wie für die nach Abs. 2 erloschene Schuld."
Im Wirtschaftsjahr 1993 vereinnahmte die Klägerin die am 15. Dezember 1993 beschlossene Vorabdividende einer Beteiligungsgesellschaft in Höhe von 86 871 525 DM und erzielte einen Jahresüberschuss, der die erlassenen Verbindlichkeiten überstieg. Aufgrund der verbesserten Ertragslage passivierte die Klägerin die seinerzeit erlassenen Verbindlichkeiten in Höhe von insgesamt 60 250 000 DM in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1993. Die Verbindlichkeiten wurden sämtlich im Laufe des Streitjahres 1994 getilgt. Für dieses Jahr leistete die Klägerin ebenfalls die entstandenen Zinsen. Für die Zeit zwischen dem Erlass der Verbindlichkeiten und der erneuten Passivierung erfolgten keine Zinszahlungen.
Im Gegensatz zu der Klägerin behandelte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Verbindlichkeiten, die den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1994 in voller Höhe gemindert hatten, als Dauerschulden gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes 1991 (GewStG 1991). Die zugleich erfolgte Hinzurechnung der darauf entrichteten Zinsen als Dauerschuldzinsen gemäß § 8 Nr. 1 GewStG 1991 wirkte sich im Ergebnis nicht aus.
Die Klage gegen den hiernach ergangenen Gewerbesteuermessbescheid war erfolgreich. Das Finanzgericht (FG) gab ihr mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 1186 wiedergegebenen Gründen statt.
Seine Revision stützt das FA auf Verletzung des § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG 1991.
Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Das FG hat angenommen, die streitgegenständlichen Darlehensverbindlichkeiten stellten keine Dauerschulden dar. Das ist jedenfalls im Hinblick auf das der Klägerin von der A-Ltd. gewährte Darlehen unrichtig. Im Hinblick auf die von der B-Ltd. gewährten Darlehen reichen die tatrichterlichen Feststellungen nicht aus, um das Ergebnis der Vorinstanz ohne weiteres zu bestätigen.
1. Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 i.V.m. § 8 Nr. 1 GewStG 1991 wird dem Einheitswert des Gewerbebetriebs die Hälfte der den Betrag von 50 000 DM übersteigenden Schulden als sog. Dauerschulden hinzugerechnet, die wirtschaftlich mit der Gründung oder dem Erwerb des Betriebs (Teilbetriebs) oder eines Anteils am Betrieb oder mit einer Erweiterung oder Verbesserung des Betriebs zusammenhängen --erste Tatbestandsgruppe-- oder der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen --zweite Tatbestandsgruppe--. Die genannten Schulden dürfen gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 GewStG 1991 nur dann wieder hinzugerechnet werden, wenn sie bei der Feststellung des Einheitswerts abgezogen worden sind.
Eine Schuld dient nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals, wenn ihr Gegenwert das Betriebskapital länger als ein Jahr verstärkt (s. z.B. Senatsurteil vom 8. November 2000 I R 37/99, BFHE 193, 416, BStBl II 2001, 722, 724, m.w.N.). Maßgebend sind die tatsächlichen Verhältnisse. Keine Dauerschulden sind --unabhängig von ihrer Laufzeit-- die Verbindlichkeiten des laufenden Geschäftsverkehrs, also solche, die wirtschaftlich eng mit einzelnen bestimmbaren, nach Art des Betriebs immer wiederkehrenden und nicht die Anschaffung oder Herstellung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens betreffenden Geschäftsvorfällen (= laufende Geschäftsvorfälle) zusammenhängen (z.B. Senatsurteil vom 31. Oktober 1990 I R 77/86, BFHE 163, 387, BStBl II 1991, 471; BFH-Urteil vom 19. August 1998 XI R 9/97, BFHE 186, 447, BStBl II 1999, 33, jeweils m.w.N.).
2. Ob die Darlehensverbindlichkeiten gegenüber der B-Ltd. hiernach Dauerschulden sind und dem festgestellten Einheitswert hinzuzurechnen waren, lässt sich derzeit nicht abschließend beantworten.
a) Allerdings ist dem FG darin beizupflichten, dass es nicht ausreicht, im Sinne der zweiten Tatbestandsgruppe allein auf die Gesamtlaufzeit der Verbindlichkeiten vor und nach Verzicht und Bedingungseintritt abzustellen.
aa) Die von der A-Ltd. und der B-Ltd. ausgesprochenen Verzichte standen zwar unter der Bedingung eines später von der Klägerin erwirtschafteten Bilanzüberschusses oder eines Liquidationserlöses; die Gläubigerinnen waren bei Bedingungseintritt berechtigt, das Darlehenskapital zurückzufordern. Das FG hat in diesen Abreden zivilrechtlich aufschiebende Bedingungen gesehen (vgl. § 158 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--); zum 31. Dezember 1993 seien deswegen bei Bedingungseintritt zivilrechtlich neue Verbindlichkeiten entstanden. Das FA beurteilt die getroffenen Abreden demgegenüber als auflösende Bedingungen (§ 158 Abs. 2 BGB), was im Grundsatz zur Folge habe, dass die ursprünglichen Verbindlichkeiten rückwirkend wieder auflebten (vgl. § 159 BGB). In diesem Sinne habe auch der erkennende Senat im Urteil vom 30. Mai 1990 I R 41/87 (BFHE 161, 87, BStBl II 1991, 588) für den dort zu beurteilenden Sachverhalt entschieden (vgl. auch Senatsurteil vom 3. Dezember 1996 I R 121/95, BFH/NV 1997, 265). Eine dritte Auffassung sieht in der Besserungsvereinbarung eine Stundung mit aufschiebend bedingter Fälligkeit (vgl. z.B. Herlinghaus, EFG 2002, 1187, in einer Anmerkung zu dem angefochtenen Urteil, m.w.N.).
bb) Im Einzelnen kann dies vorliegend jedoch unbeantwortet bleiben. Entscheidend ist allein, ob die Besserungsabrede zu einer Belastung des gegenwärtigen Vermögens führt (vgl. ebenso Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl., § 246 HGB Rz. 149). Daran aber fehlt es im Streitfall. Zum einen ist der jeweilige Bedingungseintritt nach den tatrichterlichen Feststellungen hier schuldrechtlich nicht rückwirkend gemäß § 159 BGB ausgestaltet worden; dementsprechend entstand bei Bedingungseintritt auch keine rückwirkende Zinsbelastung (vgl. dazu Urteil des Niedersächsischen FG vom 23. Februar 1999 VI 279/99, EFG 1999, 1147; s. auch Herlinghaus, ebenda). Zum anderen wirkt der Bedingungseintritt bilanzrechtlich ohnehin nicht zurück; die ursprüngliche Verbindlichkeit ist im Erlasszeitpunkt vielmehr aus- und die neue Verbindlichkeit ist bei Bedingungseintritt einzubuchen (vgl. Senatsurteil in BFHE 161, 87, BStBl II 1991, 588; Adler/Düring/ Schmaltz, a.a.O., § 246 HGB Rz. 150; Clemm/Nonnenmacher in Beck'scher Bilanz-Kommentar, 3. Aufl., § 247 HGB Rz. 237; Dusemond/Knop in Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, 3. Aufl., § 266 HGB Rz. 174; Kupsch in Bonner Handbuch der Rechnungslegung, § 246 HGB Rz. 61; Weber-Grellet in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 21. Aufl., § 5 Rz. 550, "Gesellschafterfinanzierung; Eigenkapitalersatz", dort Anm. 2; Crezelius in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 2. Aufl., § 5 Rn. 166, "Besserungsscheine", und in von Gerkan/Hommelhoff, Handbuch des Kapitalersatzrechts, 2. Aufl., Rz. 13.35 ff., jeweils m.w.N.; Bundesminister der Finanzen --BMF--, Schreiben vom 7. November 1990, Der Betrieb --DB-- 1991, 354). Die Gegenmeinung (vgl. z.B. Hüttemann in von Wysocki/Schulze-Osterloh, Handbuch des Jahresabschlusses, 2. Aufl., Abt. III/8 Rz. 58; Herlinghaus, ebenda, jeweils m.w.N.), die sich für einen fortdauernden Bilanzausweis ausspricht, übersieht, dass infolge des Verzichts zwischenzeitlich --bis zum Bedingungseintritt-- Eigen- und kein Fremdkapital vorliegt und dass es infolgedessen in dieser Zeit an einer auszuweisenden Belastung fehlt.
Das FA beruft sich demgegenüber zu Unrecht auf die vom Senat im Urteil in BFHE 161, 87, BStBl II 1991, 588 gemachten Ausführungen dazu, ob die spätere Erfüllung der zunächst erlassenen Forderung nach Bedingungseintritt durch den Darlehensschuldner betrieblich oder aber gesellschaftlich veranlasst ist und deswegen ggf. eine verdeckte Gewinnausschüttung auslöst. Zwar wurde der Forderungsverzicht aufgrund des von Anfang an vereinbarten Vorbehalts dort so behandelt, als sei er nie erklärt worden; die Gesellschaft erfüllte infolgedessen nur ihre ursprünglich eingegangene Verbindlichkeit. Diese Schlussfolgerung betraf jedoch nur die erwähnte Veranlassungsfrage. Sie stand nicht in Zusammenhang damit, wie die Forderung, auf welche bedingt verzichtet worden ist, zu bilanzieren und ertragsteuerrechtlich zu behandeln ist.
Im Ergebnis bleibt es deshalb im Streitfall dabei, dass die ursprünglichen, von der Klägerin seinerzeit ausgebuchten Darlehensverbindlichkeiten infolge des Bedingungseintritts nicht wiederauflebten, sondern auf Grund der Besserungsabrede und Eintritt der in ihr vereinbarten Bedingung neue Darlehensverbindlichkeiten zu passivieren waren.
cc) Dieser ertragsteuerrechtlichen Behandlung ist auch in gewerbesteuerrechtlicher Hinsicht Rechnung zu tragen. Eine Gesamtbetrachtung der ursprünglichen und der nunmehrigen Darlehensverbindlichkeiten und deren Behandlung als Dauerschulden der zweiten Tatbestandsgruppe scheidet unter den im Streitfall gegebenen Umständen aus. Der Bedingungseintritt löste vielmehr neue Darlehensschulden aus, die als solche auch gewerbesteuerrechtlich zu beurteilen sind.
b) Das schließt es indes nicht aus, dass die neu begründeten Darlehensverbindlichkeiten dennoch die tatbestandlichen Anforderungen des § 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 8 Nr. 1 GewStG 1991 erfüllten.
Im Hinblick auf das Darlehen der A-Ltd. kann daran nach den vom FG getroffenen Feststellungen kein Zweifel bestehen. Denn danach wurde dieses Darlehen von der Klägerin zum Erwerb einer Schachtelbeteiligung genutzt. Es handelt sich hierbei um ein mit der Erweiterung oder Verbesserung des Betriebs in Zusammenhang stehendes Darlehen, das i.S. der ersten Tatbestandsgruppe unabhängig von seiner Laufzeit stets als Dauerschuld zu behandeln ist (Senatsurteil vom 18. September 1996 I R 44/95, BFHE 181, 504, BStBl II 1997, 181). Der Umstand, dass die A-Ltd. auf dieses ursprüngliche Darlehen verzichtet hat, steht dem nicht entgegen. Der ursprüngliche Verwendungszweck blieb im Sinne einer Veranlassung unverändert erhalten.
Im Hinblick auf die Darlehen der B-Ltd. hat das FG die Zwecke der Darlehensaufnahmen nicht festgestellt. Eine Subsumtion unter die Tatbestandsmerkmale des § 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 8 Nr. 1 GewStG 1991 ist deswegen nicht möglich.
3. Die insoweit erforderlichen Feststellungen müssen im 2. Rechtsgang nachgeholt werden. Dazu war das Urteil des FG aufzuheben und ist die Sache an dieses zurückzuverweisen.
Ende der Entscheidung
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