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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 30.11.2005
Aktenzeichen: I R 54/04 (1)
Rechtsgebiete: GewStG, FGO, EStG


Vorschriften:

GewStG § 9 Nr. 1
GewStG § 9 Nr. 1 Satz 1
GewStG § 9 Nr. 1 Satz 2
GewStG § 9 Nr. 1 Satz 5
GewStG § 9 Nr. 1 Satz 6
FGO § 126 Abs. 2
EStG § 15
EStG § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
EStG § 15 Abs. 2
EStG § 15 Abs. 3 Nr. 1
EStG § 20
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Streitig ist, ob die sog. erweiterte Kürzung (§ 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes --GewStG--) anzuwenden ist.

Unternehmensgegenstand der 1995 errichteten Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer GmbH, ist "Bewirtschaftung, Errichtung, Erwerb und Betreuung von Immobilien". Die Klägerin hielt in den Streitjahren 1996 bis 1998 Gewerbeobjekte (aktiviertes Grundvermögen: 30 bis 32 Mio. DM), wobei die Abwicklung der kaufmännischen und technischen Verwaltung --auf der Grundlage eines Geschäftsbesorgungsvertrages-- durch die Alleingesellschafterin der Klägerin erledigt wurde. Die Klägerin erzielte darüber hinaus Zinserträge (Guthaben bei Kreditinstituten).

In 1996 beteiligte sich die Klägerin mit einem Betrag von 50 000 DM als Kommanditistin an einer KG. Die KG bewirtschaftete einen Hotel- und Gastronomiebetrieb in den Räumlichkeiten eines branchennahen Bildungszentrums. Der Hotel- und Gastronomiebetrieb der KG wurde im Wesentlichen durch Seminarteilnehmer genutzt, stand aber auch anderen Nutzern offen. Der Klägerin wurden im Rahmen des Feststellungsverfahrens der KG Anteile an "Einkünften aus Gewerbebetrieb" in Höhe von ./. 1 065 DM (1996), ./. 7 358 DM (1997) bzw. ./. 6 201 DM (1998) zugewiesen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte es im Rahmen eines Änderungsbescheides (1996) bzw. im Rahmen der erstmaligen Feststellung des Gewerbesteuermessbetrages (1997, 1998) ab, der Klägerin die sog. erweiterte Kürzung des Gewerbeertrages gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zu gewähren und berücksichtigte Kürzungsbeträge gemäß § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG.

Die dagegen gerichtete Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) Münster sah die Beteiligung an der KG in seinem Urteil vom 26. März 2004 9 K 4158/01 G (nicht veröffentlicht) als begünstigungsschädlich an.

Ihre Revision stützt die Klägerin auf Verletzung von § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide dahin zu ändern, dass anstelle der Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG berücksichtigt wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet und war deshalb gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat die Anwendung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG unter Hinweis auf die Beteiligung der Klägerin an der KG zu Recht ausgeschlossen.

1. Nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG können u.a. solche Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen, auf Antrag den Gewerbeertrag statt um einen bestimmten Hundertsatz des Einheitswerts des Grundbesitzes (dazu § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG) um den Teil des Gewerbeertrags kürzen, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt (sog. erweiterte Kürzung). Die Regelung des § 9 Nr. 1 GewStG hat den Zweck, Doppelbelastungen innerhalb des Rechts der Realsteuern (durch Grundsteuer und Gewerbesteuer) zu vermeiden und insbesondere Kapitalgesellschaften, die kraft Rechtsform gewerbesteuerpflichtig sind (§ 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG), hinsichtlich ihrer gewerbesteuerlichen Belastung solchen Einzelpersonen oder Personengesellschaften, die nicht gewerbesteuerpflichtige Grundstücksverwaltung betreiben, gleichzustellen (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. April 2000 VIII R 68/98, BFHE 192, 100, BStBl II 2001, 359; vom 14. Juni 2005 VIII R 3/03, BFHE 210, 38; Blümich/Gosch, § 9 GewStG Rz. 45, jeweils m.w.N.). Die Klägerin hat mit ihren Steuererklärungen einen Antrag auf Anwendung der Kürzungsregelung gestellt.

2. Der persönliche Anwendungsbereich der gesetzlichen Regelung ist jedoch insoweit eingeschränkt, als ein Steuerpflichtiger die begünstigte Tätigkeit der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes "ausschließlich" ausüben muss bzw. daneben nur die Verwaltung eigenen Kapitalvermögens bzw. die Errichtung und Veräußerung bestimmter Wohngebäude (§ 9 Nr. 1 Sätze 2 und 3 GewStG) betreiben darf; eine Tätigkeit außerhalb des ausdrücklich angeführten "erlaubten" Bereichs hinaus führt zum Ausschluss der Begünstigung.

3. Das Innehaben der KG-Beteiligung ist entgegen der Ansicht der Revision im Rahmen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 9 Nr. 1 GewStG von Bedeutung.

a) Wie der Senat in seinem Urteil vom 22. Januar 1992 I R 61/90 (BFHE 167, 144, BStBl II 1992, 628) entschieden hat, verstößt das Halten einer Kommanditbeteiligung durch ein grundstücksverwaltendes Unternehmen an einer gewerblich geprägten, ebenfalls grundstücksverwaltenden Personengesellschaft gegen das Ausschließlichkeitsgebot des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG (ebenso BFH-Beschluss vom 2. Februar 2001 VIII B 56/00, BFH/NV 2001, 817; Senatsbeschluss vom 17. Oktober 2002 I R 24/01, BFHE 200, 54, BStBl II 2003, 355; s. auch Urteil in BFHE 192, 100, BStBl II 2001, 359; Blümich/Gosch, § 9 GewStG Rz. 92). Denn das Innehaben der Beteiligung sei eine Tätigkeit, die nicht zum Katalog der prinzipiell unschädlichen Tätigkeiten in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG gehöre.

Der Senat sieht keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Im Regelungsbereich des § 15 des Einkommensteuergesetzes (EStG) findet zwar der Terminus "Tätigkeit" nur Verwendung, soweit eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr im eigenen Namen vorliegt (§ 15 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG), nicht aber im Zusammenhang mit § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Das Innehaben einer mitunternehmerischen Beteiligung an gewerblichen Einkünften begründet beim Mitunternehmer einen eigenständigen "Betrieb", da der Mitunternehmer gemeinsam mit den anderen Mitunternehmern i.S. des § 15 Abs. 2 EStG tätig wird (Heuermann, Der Betrieb --DB-- 2004, 2548, 2552; Groh, DB 2005, 2430, 2433).

Im Streitfall ist die Klägerin als Kommanditistin Mitunternehmerin der KG, auch wenn die Mitunternehmerinitiative der Klägerin nach den tatsächlichen Gegebenheiten in der (kapitalistisch verfassten) KG nur in eingeschränktem Umfang möglich war. Jedenfalls bestand nach dem vom FG festgestellten Inhalt des Gesellschaftsvertrages eine Einflussnahmemöglichkeit über den Beirat der Gesellschaft, wobei es ausreicht, dass sich die Klägerin als Kommanditistin an der Wahl der Beiratsmitglieder aus dem Kreis der Gesellschafter beteiligen konnte.

Dass das Ergebnis der Beteiligung gewerbesteuerrechtlich bei der Klägerin durch Hinzurechnung bzw. Kürzung (§ 8 Nr. 8, § 9 Nr. 2 GewStG) ohne Einfluss auf den Gewerbeertrag bleibt, ist bei der Prüfung des persönlichen Anwendungsbereichs des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ohne Bedeutung.

b) Auch § 9 Nr. 1 Satz 6 GewStG (eingefügt durch das Gesetz zur Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Steuerrecht und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 9. Dezember 2004, BGBl I 2004, 3310) stützt die Rechtsauffassung der Klägerin nicht, dass das Innehaben einer Beteiligung für die Anwendung der Kürzungsregelung unbeachtlich ist. Denn die Regelung bezieht sich auf die --hier nicht vorliegende-- Konstellation der Beteiligung einer Kapitalgesellschaft an einer grundstücksverwaltenden Personengesellschaft; es soll sichergestellt werden, dass die Gewinne aus der Veräußerung oder Aufgabe von Mitunternehmeranteilen der Gewerbesteuer unterworfen werden, wobei unterstellt wird, dass dieser Gewinn auf der Ebene der Mitunternehmerschaft anfällt und bei der Mitunternehmerschaft die Anwendung der erweiterten Kürzung möglich ist (zur Kritik an diesen Vorgaben und an der Gesamtkonzeption des Satzes 6: Jesse, Finanz-Rundschau --FR-- 2004, 1085, 1096; Blümich/Gosch, § 9 GewStG Rz. 115 j).

4. Das Innehaben der Beteiligung ist entgegen der Ansicht der Revision nicht dem begünstigten Tätigkeitsbereich der Grundstücksverwaltung zuzuordnen. Zwar hat die Rechtsprechung in den Begriff der Grundstücksverwaltung auch "Nebengeschäfte" einbezogen, zugleich aber diesen Bereich nur auf Geschäfte bezogen, die der Grundstücksnutzung und -verwaltung im eigentlichen Sinne dienen und als "zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung und -nutzung angesehen werden" können (z.B. BFH-Urteile vom 27. April 1977 I R 214/75, BFHE 122, 531, BStBl II 1977, 776; vom 26. August 1993 IV R 18/91, BFH/NV 1994, 338; Senatsbeschluss in BFHE 200, 54, BStBl II 2003, 355; BFH-Urteil in BFHE 210, 38). Ein Beitrag zur Förderung der Berufsausbildung in der allgemeinen Wohnungswirtschaft erfüllt diese Voraussetzung nicht.

Die von der Revision begehrte Ausweitung des Begünstigungstatbestandes auf "sinnvolle bzw. nützliche Nebentätigkeiten" kommt nicht in Betracht. Die Tätigkeit der Klägerin im Rahmen der Mitunternehmerschaft hat sich unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Gewichtung und unabhängig von der Frage des Zusammenhangs mit der wohnungsverwaltenden Tätigkeit angesichts der bei der KG praktizierten Öffnung des gewerblichen Leistungsangebots an die Allgemeinheit als gewerbliche Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 2 EStG manifestiert und damit im Tatbestandsbereich des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG eigenständige Bedeutung erlangt (Tätigkeit außerhalb der Vermögensverwaltung).

5. Entgegen der Ansicht der Revision kommt es nicht in Betracht, das Innehaben der KG-Beteiligung als zur nicht begünstigten --aber "erlaubten"-- Tätigkeit der Verwaltung und Nutzung eigenen Kapitalvermögens zu zählen. Denn die Beteiligung an der KG vermittelt als mitunternehmerische Beteiligung an der Erzielung gewerblicher Einkünfte nicht (wie für diesen Tätigkeitsbereich erforderlich) Einkünfte aus § 20 EStG (zu diesem Erfordernis z.B. Blümich/Gosch, § 9 GewStG Rz. 89; Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 5. Aufl., § 9 Nr. 1 Anm. 28; Stäuber in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 9 Nr. 1 Anm. 118, 160; Hofbauer, Deutsches Steuerrecht 1983, 598, 603; Jesse, FR 2004, 1085, 1089).

6. Mit diesen Maßgaben für die Auslegung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG wird nicht in verfassungswidriger Weise in die Rechtsposition der Klägerin eingegriffen. Indem § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG --abweichend von § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG, aber auch z.B. von der in § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG enthaltenen, kürzungsschädlichen Einschränkung-- die Ausschließlichkeit der begünstigten sowie der im Einzelnen aufgeführten nicht begünstigten, aber erlaubten Tätigkeiten verlangt, belässt die Vorschrift insofern keine Auslegungsspielräume. Ausnahmen wegen Geringfügigkeit sind deshalb auch nicht aufgrund des verfassungsrechtlich gewährleisteten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes) geboten. Der Gesetzgeber ist grundsätzlich darin frei, tatbestandliche Voraussetzungen und Erfordernisse zu norminieren, die erfüllt sein müssen, um in den Genuss einer steuerlichen Vergünstigung in Gestalt einer Steuerbefreiung, wie hier der erweiterten Kürzung des Gewerbeertrages, zu gelangen. Er kann damit den Regelungszweck der rechtsformunabhängigen Freistellung der grundbesitzverwaltenden Tätigkeit auf solche Steuersubjekte beschränken, die ihre Geschäftstätigkeit auf diesen Bereich konzentrieren. Der Senat verbleibt insoweit bei dieser schon in seinem Beschluss in BFHE 200, 54, BStBl II 2003, 355, sowie in seinem Urteil vom 11. August 2004 I R 89/03 (BFHE 207, 40, BStBl II 2004, 1080) geäußerten Auffassung (s. auch Blümich/Gosch, § 9 GewStG Rz. 69 f., 72; Glanegger/Güroff, § 9 Nr. 1 GewStG Anm. 23; Herlinghaus, EFG 2005, 1291 f.; a.A. Niedersächsisches FG, Urteil vom 20. April 2005 9 K 332/00, EFG 2005, 1289, Revision unter Az. VIII R 39/05). Soweit die Vorinstanz für die gleichheitsrechtliche Abwägung auf --für die Anwendung der Kürzungsregelung "unschädliche"-- Alternativen zur KG-Beteiligung verwiesen hat, entspricht dies der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (z.B. Beschluss vom 26. Oktober 2004 2 BvR 246/98, BFH/NV 2005, Beilage 3, 259).

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