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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 15.03.2000
Aktenzeichen: I R 56/99
Rechtsgebiete: KStG, FGO, AO 1977


Vorschriften:

KStG § 47
KStG § 47 Abs. 1 und Abs. 2
FGO § 6
FGO § 116 Abs. 1 Nrn. 2 und 3
FGO § 74
FGO § 68
FGO § 115 Abs. 1
FGO § 116
FGO § 116 Abs. 1 Nr. 3
FGO § 62 Abs. 3 Satz 1
FGO § 62 Abs. 3 Satz 2
AO 1977 § 164 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erhob gegen Schätzungsbescheide des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) über Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer 1996 sowie über Feststellungen gemäß § 47 Abs. 1 und Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zum 31. Dezember 1996 Klage. Diese wurde vom Finanzgericht (FG) durch Urteil des Richters am FG A, dem die Sache am 3. Dezember 1998 gemäß § 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO) als Einzelrichter zugewiesen worden war, in erster Linie wegen fehlender und auch im Laufe des Verfahrens nicht nachgereichter Prozessvollmacht, darüber hinaus wegen teilweise nicht hinreichender Bezeichnung des Klagebegehrens (§ 65 Abs. 1 Satz 1 FGO) als unzulässig abgewiesen. Das Urteil datiert unter dem 12. Mai 1999.

Zuvor hatte die Klägerin beantragt, Richter am FG A wegen Befangenheit abzulehnen. Das FG hatte dieses Ablehnungsgesuch --ohne Mitwirkung von Richter am FG A-- durch Beschluss vom 24. März 1999 abgewiesen, woraufhin die Klägerin am 14. April 1999 Beschwerde erhob. Das FG beschloss am 27. Mai 1999, dieser Beschwerde nicht abzuhelfen.

Ihre gegen das Urteil vom 12. Mai 1999 gerichtete Revision stützt die Klägerin auf § 116 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 FGO.

Sie beantragt,

"1. unter Abänderung des angefochtenen Urteils entsprechend den eingereichten Steuererklärungen die Körperschaftsteuer mit DM 0 festzusetzen und die Feststellungen nach § 47 KStG in der Folge entsprechend, die Umsatzsteuer mit DM 43.791 DM festzusetzen;

hilfsweise: das Urteil aufzuheben und die Angelegenheit an das Finanzgericht zurückzuverweisen,

2. die Kosten des Verfahrens dem Beklagten aufzuerlegen;

3. die Zuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären",

und weiterhin,

"das Verfahren gem. § 74 FGO auszusetzen, bis über die laufende Beschwerde zum Befangenheitsantrag des Richters, BFH Az. I B 56/99, entschieden ist".

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Während des Revisionsverfahrens hat das FA die angefochtenen Bescheide am 27. Juli 1999 gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geändert. Die Klägerin hat diese Bescheide gemäß § 68 FGO zum Verfahrensgegenstand gemacht und das Verfahren sodann "für den Fall, daß der BFH die Revision hier als zulässig ansieht" als in der Hauptsache für erledigt erklärt. Lediglich die Feststellung gemäß § 47 KStG zum 31. Dezember 1996 weiche noch von den Steuererklärungen ab, dies aber nur im Hinblick auf noch streitige Feststellungen auf den vorgängigen Feststellungszeitpunkt zum 31. Dezember 1995.

Das FA ist der Auffassung, die Erledigungserklärungen hinsichtlich der Feststellungsbescheide nach § 47 KStG seien nicht unbedingt abgegeben worden. Sollte allerdings eine unbedingte Erklärung abgegeben worden sein, werde das Verfahren ebenfalls für erledigt erklärt.

Am 27. Dezember 1999 sind die Bescheide über Körperschaftsteuer 1996 sowie über Feststellungen gemäß § 47 Abs. 1 und 2 KStG zum 31. Dezember 1996 nochmals geändert worden. Auch diese Änderungsbescheide sind gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden.

Die Revision ist ungeachtet der Erledigungserklärungen als unzulässig zu verwerfen (§ 124, § 126 Abs. 1 FGO).

1. Zwar handelt es sich hierbei um beiderseitige Erledigungserklärungen, die grundsätzlich zur Beendigung der Rechtshängigkeit führen. Der Umstand, dass die Klägerin ihre Erklärung unter den Vorbehalt der Zulässigkeit ihrer Revision gestellt hat, ändert daran nichts. Diese Einschränkung gibt nur die Rechtslage wieder, da die Hauptsache im Rechtsmittelverfahren nur dann wirksam für erledigt erklärt werden kann, wenn die Zulässigkeitsvoraussetzungen des Rechtsmittels im Zeitpunkt der Erledigungserklärung vorlagen (Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 138 Rz. 14, m.w.N.); Erledigungserklärungen, die in einem unzulässigen Rechtsmittelverfahren abgegeben werden, sind wirkungslos (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. Juli 1971 I R 127, 154/70, BFHE 103, 36, 41, BStBl II 1971, 805; vom 12. Dezember 1984 I R 78/83, BFHE 143, 8, BStBl II 1985, 258; vom 24. April 1987 IX R 80/86, BFH/NV 1988, 95, und vom 29. September 1987 IX R 42/86, BFH/NV 1988, 323). So verhält es sich indes im Streitfall; die verfahrensrechtliche Wirkung --die auf Grund der übereinstimmenden Erklärungen anzunehmende Erledigung (§ 138 Abs. 1 FGO)-- tritt nicht ein, weil die Revision der Klägerin unzulässig ist.

2. Gemäß Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs findet abweichend von § 115 Abs. 1 FGO die Revision nur statt, wenn sie das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der BFH zugelassen hat oder wenn ein Fall der zulassungsfreien Revision gemäß § 116 FGO gegeben ist. An beidem fehlt es: Die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision hat der erkennende Senat durch Beschluss vom heutigen Tage zurückgewiesen. Gründe, die eine zulassungsfreie Revision gemäß § 116 FGO gerechtfertigt erscheinen lassen, sind nicht schlüssig gerügt worden; weder hat ein mit Erfolg abgelehnter Richter am Verfahren mitgewirkt (§ 116 Abs. 1 Nr. 2 FGO) noch liegt ein Vertretungsmangel i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO vor.

a) An der Mitwirkung eines erfolgreich abgelehnten Richters fehlt es, weil der diesbezüglich gegen Richter am FG A gerichtete Antrag der Klägerin zuvor --am 24. März 1999-- durch Beschluss des FG abgelehnt worden war. Der damit erfolglos abgelehnte Richter am FG A war berechtigt und verpflichtet, an der anschließenden Entscheidung über die Klage mitzuwirken. Die Rechtskraft des abweisenden Beschlusses brauchte nicht abgewartet zu werden (vgl. z. B. Koch in Gräber, a.a.O., § 51 Rz. 64; Ruban, a.a.O., § 119 Rz. 9). Es ist deswegen auch unbeachtlich, zu welchem Zeitpunkt das FG beschlossen hat, der Beschwerde nicht abzuhelfen.

b) Zu den Fällen fehlender ordnungsgemäßer Vertretung i.S. von § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO kann grundsätzlich zwar auch das Fehlen der Bevollmächtigung des aufgetretenen gewillkürten Vertreters zählen. Ohne Bevollmächtigung in diesem Sinne handelt aber nicht der zur Prozessführung Bevollmächtigte, der es lediglich versäumt, die schriftliche Vollmacht gemäß § 62 Abs. 3 Satz 1 FGO vorzulegen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 16. September 1991 IX R 43/91, BFH/NV 1992, 187; vom 27. Juli 1992 IX R 81/91, BFH/NV 1993, 114).

Im Streitfall trägt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin selbst vor, dass er mit deren Zustimmung den Prozess geführt hat. Er geht mithin von einer vorhandenen, nicht einer fehlenden Bevollmächtigung aus. Dies ergibt sich auch aus der Vorlage der schriftlichen Vollmacht der Klägerin vom 20. Juni 1999, die diese während des Revisionsverfahrens vorgelegt hat. Schließlich begründet auch der Hinweis der Klägerin, das FG hätte zur Vorlage der Vollmacht ausdrücklich eine Frist setzen und auf die Folgen des fruchtlosen Fristablaufs hinweisen müssen, nicht die Rüge fehlender Vertretung im Verfahren gemäß § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO. Das FG hat insoweit keine Vorschriften über die Vertretung verletzt, weil der vollmachtlose Vertreter keinen Anspruch auf eine Fristsetzung nach § 62 Abs. 3 Satz 2 FGO hat und eine Fristsetzung nicht zwingend Voraussetzung für den Erlass des Urteils ist (vgl. BFH-Urteil vom 4. Juli 1984 II R 188/82, BFHE 142, 3, BStBl II 1984, 831; Beschluss in BFH/NV 1993, 114).

3. Der Aussetzung des Revisionsverfahrens gemäß § 74 FGO bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Befangenheitsgesuch bedurfte es nicht, nachdem der Senat die hiergegen gerichtete Beschwerde durch Beschluss vom heutigen Tage als unbegründet zurückgewiesen hat.



Ende der Entscheidung

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