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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 09.06.1999
Aktenzeichen: I R 6/99
Rechtsgebiete: FGO, BFHEntlG


Vorschriften:

FGO § 56
BFHEntlG Art. 1 Nr. 1
BUNDESFINANZHOF

1. Partnerschaftsgesellschaften sind vor dem BFH nicht vertretungsbefugt. Eine von ihnen vorgenommene Prozeßhandlung ist unwirksam (Bestätigung des BFH-Beschlusses vom 26. Februar 1999 XI R 66/97, DStR 1999, 758).

2. Wird die Prozeßhandlung innerhalb der Frist des § 56 Abs. 2 FGO durch einen vertretungsberechtigten Prozeßbevollmächtigten nachgeholt, ist jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn dem Prozeßbevollmächtigten die Unwirksamkeit der zunächst vorgenommenen Revisionseinlegung unbekannt war und unbekannt sein konnte. Der Irrtum eines Rechtsanwalt über die Verfahrensrechtslage kann insoweit ausnahmsweise unverschuldet sein, wenn dieser Rechtslage eine Auffassung zugrunde liegt, die bei Vornahme der Prozeßhandlung in Rechtsprechung und Schrifttum nicht vertreten wurde und nicht der bisherigen Gerichtspraxis entsprach.

FGO § 56 BFHEntlG Art. 1 Nr. 1

Zwischenurteil vom 9. Juni 1999 - I R 6/99 -


Gründe

I.

Die Beteiligten des Verfahrens streiten in der Sache darüber, ob eine Gesellschaft, die ihren satzungsmäßigen Sitz in den USA hat, Organträgerin einer inländischen GmbH sein kann. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) insoweit mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 309 wiedergegebenen Gründen als unbegründet abgewiesen.

Ihre hiergegen gerichtete Revision stützt die Klägerin auf Verletzung materiellen Rechts. Die Revisionsschrift datiert unter dem 6. Januar 1999. Sie ist beim FG am 11. Januar 1999 rechtzeitig --die Rechtsbehelfsfrist endete am 8. Februar 1999-- eingelegt worden, und zwar unter dem Briefkopf der "A, B & Partner Rechtsanwälte", unter zusätzlichem Hinweis auf diese unterzeichnet "durch Dr. A" und in der Wir-Form abgefaßt. Die Partnerschaft ist im Partnerschaftsregister eingetragen; ein Hinweis darauf befindet sich am unteren Rand des Briefbogens. Die dem FG vorgelegte Prozeßvollmacht weist die Rechtsanwälte Dr. A, Dr. B, Dr. C und Dr. D als Bevollmächtigte aus.

Am 19. Mai 1999 beantragte Rechtsanwalt Dr. A, handelnd als Einzelperson, für die Klägerin --aus anwaltlicher Vorsicht-- Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und legte nochmals Revision ein. Grund hierfür war der Beschluß des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26. Februar 1999 XI R 66/97 (Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1999, 758), wonach Partnerschaftsgesellschaften vor dem BFH im Hinblick auf Art. 1 Nr. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) nicht vertretungsberechtigt seien.

II.

Der Klägerin ist die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (vgl. § 56 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) zu gewähren.

1. Der Senat hält es für zweckmäßig, über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorab durch Zwischengerichtsbescheid zu entscheiden (§§ 121, 124, 97, 90a FGO; vgl. auch Zwischenurteil des BFH vom 5. März 1975 II R 159/73, BFHE 115, 302, BStBl II 1975, 516). Auf diese Weise wird die unter den Verfahrensbeteiligten insoweit bestehende Ungewißheit beseitigt.

2. Die Klägerin hat ihre --vom FG zugelassene (§ 115 Abs. 1 FGO)-- Revision innerhalb der Rechtsbehelfsfrist nicht durch einen Rechtsanwalt oder durch mehrere Rechtsanwälte, sondern durch eine aus mehreren Rechtsanwälten bestehende Partnerschaftsgesellschaft eingelegt: Die Revisionsschrift wurde auf dem Briefkopf der Partnerschaftsgesellschaft geschrieben, sie wurde unter ihrer ausdrücklichen Voranstellung --und damit im Ergebnis für diese-- "durch" Rechtsanwalt Dr. A unterzeichnet und außerdem in der Wir-Form abgefaßt (vgl. z. B. Senatsbeschluß vom 7. August 1997 I R 15/97, BFH/NV 1998, 205, m.w.N.). Der Umstand, daß die dem FG vorgelegte Vollmacht auf die jeweiligen Rechtsanwälte (als natürliche Personen) lautete, steht dem nicht entgegen; maßgeblich ist allein, in welcher Weise die Klägerin tatsächlich vertreten wird, nicht, wie sie hätte vertreten werden sollen oder können (Senatsbeschluß in BFH/NV 1998, 205). Trat hiernach für die Klägerin aber die Partnerschaftsgesellschaft auf, geschah dies nicht, wie gemäß Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG erforderlich, durch einen Angehörigen der in dieser Vorschrift aufgeführten Berufsgruppen. Im einzelnen folgt der erkennende Senat insoweit dem BFH-Beschluß in DStR 1999, 758, auf den, um Wiederholungen zu vermeiden, verwiesen wird; die Sachlage, über die der BFH dort zu entscheiden hatte, stimmt mit dem Streitfall überein.

3. Die betreffende Prozeßhandlung ist damit unwirksam, was zur Folge hat, daß die Frist zur Einlegung der Revision versäumt wurde. Auch in solchen Fällen versäumter Fristen kann jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden (Senatsbeschluß vom 16. August 1979 I R 95/76, BFHE 129, 1, BStBl II 1980, 47; BFH-Beschluß vom 28. September 1995 X B 114/95, BFH/NV 1996, 241; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 56 FGO Tz. 5 ff., m.w.N.). So ist im Streitfall zu verfahren. Die Klägerin hat die Frist nicht durch Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten versäumt.

Zwar kann der Irrtum eines berufsmäßigen Vertreters über die Verfahrensrechtslage grundsätzlich nicht als unverschuldet gelten. Von einem solchen Vertreter ist vielmehr zu verlangen, daß er die einschlägigen Vorschriften kennt (vgl. z. B. BFH-Beschluß vom 20. Februar 1990 VII R 125/89, BFHE 159, 573, BStBl II 1990, 546; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 56 FGO Rz. 247 ff., 279 ff.). Im Streitfall besteht jedoch die Besonderheit, daß der BFH erstmals durch den besagten Beschluß in DStR 1999, 758 entschieden hat, daß Partnerschaftsgesellschaften vor dem BFH nicht vertretungsbefugt seien. Zuvor wurde diese Rechtsauffassung, soweit ersichtlich, weder diskutiert noch geäußert. Sie entsprach auch nicht der Gerichtspraxis innerhalb des BFH. Dem Senat ist kein Fall bekannt, in welchem seit Inkrafttreten des Gesetzes über die Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe (PartGG) am 1. Juli 1995 (vgl. § 11 PartGG) ein Rechtsbehelf verworfen worden wäre, weil für den Kläger eine Partnerschaftsgesellschaft aufgetreten ist. Im Gegenteil sind --jedenfalls von dem erkennenden Senat-- bis in die jüngste Zeit anhängige Verfahren durch Sachentscheidungen beendet worden, obwohl solche Vertretungsverhältnisse gegeben waren. In Anbetracht dessen kann auch einem berufsangehörigen Bevollmächtigten nicht vorgehalten werden, er habe den einschlägigen Verfahrensvorschriften zu wenig Beachtung geschenkt (vgl. auch --allerdings für den hier nicht gegebenen Fall einer geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung-- BFH-Urteil vom 14. März 1996 IV R 44/95, BFHE 179, 569, BStBl II 1996, 319).



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