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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 17.10.2007
Aktenzeichen: I R 61/06
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 5 Abs. 4 | |
EStG § 5 Abs. 4a | |
EStG § 16 Abs. 2 |
Gründe:
I.
Streitpunkt ist, wie sich die Übertragung steuerbilanzrechtlich nicht zu passivierender Rückstellungen auf einen Veräußerungsgewinn auswirkt.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH mit abweichendem Wirtschaftsjahr vom 1. Februar bis 31. Januar. Ihre Handelsbilanz zum 31. Januar 2000 enthielt Rückstellungen in Höhe von 2 738 162 DM für drohende Verluste aus einem Mietverhältnis und in Höhe von 713 878 DM für Verpflichtungen für Zuwendungen aus Dienstjubiläen. Beide Rückstellungen wurden gemäß § 5 Abs. 4, Abs. 4a des Einkommensteuergesetzes (EStG 1997) in der Steuerbilanz der Klägerin für 2000 nicht erfasst.
Zum 1. August 2000 übertrug die Klägerin ihren Geschäftsbetrieb auf die A-GmbH. Dabei wurde --mit wenigen Ausnahmen-- das gesamte Betriebsvermögen übereignet. Die A-GmbH übernahm im Wege der befreienden Schuldübernahme alle am Übertragungsstichtag begründeten und zum Unternehmen gehörenden Verpflichtungen, mithin auch jene, auf denen die beiden Rückstellungen beruhten. Als Kaufpreis wurde der nach handelsrechtlichen Grundsätzen zu ermittelnde Buchwert zum 31. Juli 2000 zuzüglich einer Vergütung von insgesamt 2 Mio. DM für im Betriebsvermögen enthaltene stille Reserven vereinbart.
In ihrer Handelsbilanz zum 31. Januar des Streitjahres 2001 wies die Klägerin aus der Betriebsübertragung einen Gewinn von 2 Mio. DM aus. In der Steuerbilanz des Streitjahres brachte sie hiervon als "steuerliches Mehrkapital" den Betrag von 3 452 040 DM (Summe der beiden Rückstellungen) in Abzug und errechnete auf diese Weise einen steuerlichen Veräußerungsverlust von 1 452 040 DM. Den Grund für den Abzug sah sie darin, dass sich die steuerlich bis dahin nicht erfassten Verluste bzw. Verbindlichkeiten aus den beiden Rückstellungen mit der Betriebsübertragung durch den entsprechenden Kaufpreisabschlag für sie realisiert hätten und insoweit steuerlich zu berücksichtigender Aufwand entstanden sei.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) legte demgegenüber im Rahmen der Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember des Streitjahres auch steuerlich einen Veräußerungsgewinn von 2 Mio. DM zu Grunde. Die hiergegen gerichtete Klage hat das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg abgewiesen. Sein Urteil vom 2. Juni 2005 6 K 247/03 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 1715 abgedruckt.
Gegen das Urteil richtet sich die Revision der Klägerin.
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Bescheid über die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2001 dahin zu ändern, dass der vortragsfähige Gewerbeverlust mit 13 356 715 DM festgestellt wird.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet. Bei der Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes der Klägerin auf den 31. Dezember des Streitjahres ist aus der Übertragung des Geschäftsbetriebs auf die A-GmbH ein Veräußerungsverlust von 1 452 040 DM anzusetzen.
1. Der für die Bemessung der Gewerbesteuer maßgebliche Gewerbeertrag umfasst bei Kapitalgesellschaften gemäß § 7 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) i.V.m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG), § 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG 1997 auch Gewinne (oder Verluste) aus der Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs oder eines Teilbetriebs.
2. Bei der Übertragung des Geschäftsbetriebs auf die A-GmbH handelt es sich nach den Feststellungen des FG, an die der Senat gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden ist, um eine Betriebsveräußerung in diesem Sinne. Soweit die Klägerin jetzt "hilfsweise" geltend macht, die tatsächlichen Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG 1997 seien wegen der Zurückbehaltung einer für den Geschäftsbetrieb wesentlichen Beteiligung nicht erfüllt, kann sie hiermit nicht gehört werden. Denn sie legt nicht dar, welche revisionsrechtlich beachtlichen Fehler dem FG insoweit bei der Sachverhaltsermittlung oder der Tatsachenwürdigung unterlaufen sein sollen.
3. Der Klägerin ist aus der Betriebsübertragung ein steuerlicher Veräußerungsverlust in Höhe von 1 452 040 DM entstanden.
a) Die Bemessung des für die Ertragsbesteuerung maßgeblichen Veräußerungsgewinns richtet sich bei der Betriebsübertragung nach § 16 Abs. 2 EStG 1997. Danach ist der Veräußerungsgewinn jener Betrag, um den der Veräußerungspreis (nach Abzug im Streitfall für die Klägerin nicht angefallener Veräußerungskosten) den Wert des übertragenen Betriebsvermögens übersteigt (§ 16 Abs. 2 Satz 1 EStG 1997). Der Wert des übertragenen Betriebsvermögens ist nach § 4 Abs. 1, § 5 EStG 1997 zu ermitteln (§ 16 Abs. 2 Satz 2 EStG 1997).
b) Der Wert des Betriebsvermögens ist bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns somit --wie auch das FG zutreffend angenommen hat-- nach steuerbilanziellen Grundsätzen zu bemessen und ist grundsätzlich identisch mit dessen Buchwert in der letzten Schlussbilanz. Er berücksichtigt mithin auch die vom Erwerber übernommenen Schulden, die in der Konsequenz den Veräußerungspreis nicht erhöhen dürfen ("Nettomethode", vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26. März 1991 VIII R 315/84, BFHE 166, 7, BStBl II 1992, 472; BFH-Urteil vom 21. März 2002 IV R 1/01, BFHE 198, 537, BStBl II 2002, 519; Reiß in Kirchhof, EStG, 7. Aufl., § 16 Rz 410; offenlassend Schmidt/Wacker, EStG, 26. Aufl., § 16 Rz 312). Die bei der Klägerin handelsrechtlich gebildeten Rückstellungen, die gemäß § 5 Abs. 4, Abs. 4a EStG 1997 steuerbilanziell nicht passiviert werden durften, sind bei der Bemessung des Wertes des Betriebsvermögens nicht vermögensmindernd zu berücksichtigen. Mithin überstieg der nach § 16 Abs. 2 Satz 2 EStG 1997 anzusetzende Wert des Betriebsvermögens dessen handelsrechtlichen Buchwert um den Betrag der Rückstellungen (3 452 040 DM).
c) Der Veräußerungspreis gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 EStG 1997 umfasst die Gesamtheit der Vorteile, die dem Veräußerer aus Anlass der Veräußerung zufließen (Senatsurteil vom 17. Dezember 1975 I R 29/74, BFHE 117, 483, BStBl II 1976, 224). Grundsätzlich ist dies der Anspruch auf das Veräußerungsentgelt (Schmidt/Wacker, a.a.O., § 16 Rz 265). Dieses Entgelt setzte sich im Streitfall aus dem vom FG der Höhe nach nicht festgestellten handelsrechtlichen Buchwert des Übertragungsgegenstandes und den zusätzlichen 2 Mio. DM für die stillen Reserven zusammen. Die Summe aus diesen beiden Positionen ist deshalb als Veräußerungspreis anzusetzen.
aa) Entgegen der Auffassung der Vorinstanz sind zum Veräußerungspreis nicht die steuerbilanziell bis dahin (zu Recht) unberücksichtigt gebliebenen Verbindlichkeiten hinzuzurechnen, für die die Klägerin handelsrechtlich die Drohverlust- und die Jubiläumsrückstellung passiviert hatte. Zwar ist die Übernahme zu Recht nicht bilanzierter Verbindlichkeiten Teil des vom Erwerber zu entrichtenden Entgelts (vgl. zum Entgeltcharakter der Schuldübernahme Beschluss des Großen Senats des BFH vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89, BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847). Im Unterschied zu den passivierten Verbindlichkeiten (vgl. oben II.3.b zur Nettomethode) wirkt sich deren Bestehen auch nicht wertmindernd auf das nach § 16 Abs. 2 Satz 2 EStG 1997 zu ermittelnde Betriebsvermögen aus, so dass die übernommenen nicht passivierten Verbindlichkeiten zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns grundsätzlich zum Veräußerungspreis hinzugerechnet werden müssen (BFH-Urteil vom 12. Januar 1983 IV R 180/80, BFHE 137, 481, BStBl II 1983, 595; Schmidt/ Wacker, a.a.O., § 16 Rz 266; Kobor in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, KStG, § 16 EStG Rz 308; Blümich/Stuhrmann, EStG, KStG, GewStG, § 16 EStG Rz 389).
Indes würde eine den Veräußerungsgewinn erhöhende Hinzurechnung der steuerlich nicht erfassten Rückstellungsbeträge zum Veräußerungspreis im Streitfall zu einem unzutreffenden Ergebnis führen, weil dadurch steuerlich unberücksichtigt bliebe, dass sich die mit den betreffenden Verbindlichkeiten verbundenen Verluste von insgesamt 3 452 040 DM für die Klägerin mit der kaufpreisreduzierenden Übertragung auf die A-GmbH endgültig realisiert haben (zutreffend Ley, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2007, 589, 590 zum vorinstanzlichen Urteil). Handelsrechtlich haben sich die Verluste bereits zum Zeitpunkt der Bildung der Rückstellungen in voller Höhe ergebnismindernd ausgewirkt. Durch die Rückstellungsverbote des § 5 Abs. 4, Abs. 4a EStG 1997 sollte zwar in Abweichung vom bilanzrechtlichen Imparitätsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 1 des Handelsgesetzbuchs --HGB--) die vorgezogene Erfassung der bislang nur drohenden Verluste aus schwebenden Geschäften (§ 5 Abs. 4a EStG 1997) und der noch nicht ausbezahlten Jubiläumszuwendungen (§ 5 Abs. 4 EStG 1997) steuerbilanziell vermieden werden. Die Rückstellungsverbote besagen jedoch nicht, dass die betreffenden Verluste auch im Falle ihrer tatsächlichen Realisierung nicht steuerwirksam werden sollen. Für die Klägerin ist die endgültige Verlustrealisierung mit der Übertragung auf die A-GmbH gegen Reduzierung des Kaufpreises eingetreten. Da die mit den Verlusten verbundene Vermögensminderung steuerlich bislang nicht erfasst worden ist, ist sie im Rahmen der Bemessung des Veräußerungsgewinns zu berücksichtigen.
Anders als das FG meint, wird auf diese Weise die Vermögensminderung bei der Bemessung des Veräußerungspreises nicht zweimal, nämlich einmal in Form der Kaufpreisreduzierung und ein weiteres Mal durch das Unterbleiben der Hinzurechnung der nicht bilanzierten Rückstellungsbeträge zum Veräußerungspreis, berücksichtigt. Es ist vielmehr umgekehrt so, dass das FG die Kaufpreisreduzierung im Ergebnis steuerlich negiert, indem es den Minderungsbetrag bei der Bemessung des Veräußerungsgewinns wieder auf den vereinbarten Kaufpreis aufschlägt. Dass dies nicht richtig sein kann, zeigt ein Vergleich mit der Rechtslage, die sich ohne die gesetzlichen Rückstellungsverbote des § 5 Abs. 4, Abs. 4a EStG 1997 ergeben hätte: Dann wären zum einen die Verluste bzw. Verbindlichkeiten in Höhe von 3 452 040 DM in den Festsetzungszeiträumen, in denen die entsprechenden Rückstellungen gebildet worden sind, auch steuerlich in voller Höhe ergebniswirksam geworden; zum anderen hätte sich der Veräußerungsgewinn der Klägerin nach § 16 Abs. 2 EStG 1997 --dann im Gleichklang mit der handelsrechtlichen Lage-- auf 2 Mio. DM belaufen. Das FG gelangt im Streitfall zu dem gleichen Ergebnis --Veräußerungsgewinn von 2 Mio. DM-- auch ohne vorherige steuerliche Ergebniswirksamkeit der Verluste. Nach dieser Lösung wird als Veräußerungsgewinn im Ergebnis nur der Betrag der am Übertragungsstichtag handelsrechtlich vorhandenen stillen Reserven ausgewiesen. Keine Berücksichtigung findet hingegen, dass sich aus steuerbilanzieller Sicht der Buchwert des Betriebsvermögens seit dem Stichtag der letzten Schlussbilanz um 3 452 040 DM gemindert hat. Dies ließe sich nur rechtfertigen, wenn man den gesetzlichen Rückstellungsverboten entnehmen wollte, dass die betreffenden Verluste bzw. Verbindlichkeiten steuerlich selbst dann nicht ergebniswirksam werden dürfen, wenn sie sich vermögensmindernd realisiert haben. Hierfür besteht aber kein Anhalt.
bb) Der Senat weicht damit nicht i.S. von § 11 Abs. 2 FGO vom Urteil des IV. Senats in BFHE 137, 481, BStBl II 1983, 595 ab. Der IV. Senat hat dort zwar ausgeführt, im Rahmen der Ermittlung des Veräußerungsgewinns müssten vom Erwerber übernommene Freistellungspflichten sowohl hinsichtlich privater Verbindlichkeiten des Veräußerers als auch hinsichtlich betrieblicher, aber zu Recht nicht bilanzierter Schulden, z.B. einer betrieblichen Versorgungsrentenverpflichtung, als Teil des Veräußerungspreises angesehen werden (Gliederungspunkt 1.b). Jedoch ging es im Urteilsfall um eine Freistellung von einer privaten, nicht aber einer betrieblichen Schuld des Veräußerers (vgl. dort Gliederungspunkt 1.c). In Bezug auf die Freistellung von privaten Schulden des Veräußerers ergibt sich die Hinzurechnung aber, wie die Revision zutreffend geltend macht, bereits aus § 4 Abs. 1 EStG 1997, weil der Vorgang --wie die Überführung einer privaten Verbindlichkeit des Gesellschafters in das Betriebsvermögen-- als Entnahme zu werten ist. Bei den Ausführungen des IV. Senats zu nicht bilanzierten betrieblichen Verbindlichkeiten handelt es sich demgegenüber um eine die Entscheidung nicht tragende Erwägung. Sie wird lediglich als eine von zwei selbständigen Begründungsalternativen im Zusammenhang mit der Verneinung eines Vertrauenstatbestandes beim Steuerpflichtigen gebracht (Gliederungspunkt 2.b,c), so dass ihr eine tragende Bedeutung nicht zukommt.
d) Sonach ergibt sich folgende Berechnung des Veräußerungsgewinns (x = handelsrechtlicher Buchwert des Übertragungsobjekts):
Veräußerungspreis: | x + 2 000 000 DM |
./. Steuerlicher Buchwert: | x + 3 452 040 DM |
Veräußerungsgewinn: | ./. 1 452 040 DM |
4. Das FG ist von einer anderen rechtlichen Beurteilung ausgegangen. Sein Urteil ist aufzuheben und die angefochtenen Bescheide sind gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO entsprechend dem Klagebegehren zu ändern. Die Berechnung der Höhe des festzustellenden vortragsfähigen Gewerbeverlustes wird gemäß § 121 Satz 1, § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem FA übertragen.
Ende der Entscheidung
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