Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 18.02.1999
Aktenzeichen: I R 62/98
Rechtsgebiete: KStG, FGO


Vorschriften:

KStG § 8 Abs. 3 Satz 2
KStG §§ 27 ff.
FGO § 118 Abs. 2
FGO § 96 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH mit abweichendem Wirtschaftsjahr vom 1. Juli zum 30. Juni. Ihre Gesellschafter waren in den Streitjahren 1984 und 1985 EM mit 95 v.H. und dessen Ehefrau (EF) mit 5 v.H. der Anteile. EM war zugleich alleiniger Geschäftsführer der Klägerin, überdies Alleingesellschafter und -geschäftsführer der H-GmbH, die im Mai 1985 aufgelöst und im August 1986 im Handelsregister gelöscht worden ist. Beide Unternehmen hatten ähnliche Unternehmensgegenstände und in großem Umfang auch gleiche Lieferanten.

Die wirtschaftliche Entwicklung der H-GmbH verlief schlecht. Im Wirtschaftsjahr 1976/77 wies sie einen Verlust in Höhe von 40 839,53 DM und im Wirtschaftsjahr 1977/78 einen Verlust in Höhe von 53 883,82 DM aus. Nachdem es der H-GmbH nicht gelungen war, zur Überbrückung dieser Krise einen Bankkredit aufzunehmen, räumte die Klägerin ihr mit Vertrag vom 20. Juli 1977 ein Darlehen in Höhe von 130 000 DM ein, das seinerseits mittels eines gleich hohen (und durch ein der EF gehörendes Grundstück besicherten) Bankkredits refinanziert wurde. Das der H-GmbH gewährte Darlehen hatte eine Laufzeit bis zum 10. Dezember 1990 bei einer jährlichen Verzinsung von 7 v.H. und einer jährlichen Tilgung von 5 v.H. Sicherheiten wurden keine gegeben. Für die Gewährung des Darlehens war maßgebend, daß die Lieferanten, die die Klägerin und gleichzeitig die H-GmbH belieferten, der Klägerin angedroht hatten, im Falle eines Konkurses der H-GmbH auch die Klägerin nicht mehr zu beliefern, weil sie als ihren eigentlichen Geschäftspartner den hinter beiden Gesellschaften stehenden EM ansahen.

Trotz des gewährten Darlehens geriet die H-GmbH weiter in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Ihre Bilanz des Wirtschaftsjahres 1979/80 wies einen nicht gedeckten Fehlbetrag in Höhe von 276 232,97 DM aus. Der Geschäftsbetrieb wurde zum 31. Oktober 1980 eingestellt und im Jahre 1981 unter Übertragung der einzelnen Wirtschaftsgüter an den Vater von EM veräußert. Im Jahre 1980 wiederholten die Lieferanten die Drohung, im Falle des Konkurses der H-GmbH auch die Klägerin nicht mehr zu beliefern. Ebenfalls drohte die Bank, für den Fall des Ausfalls ihrer Forderungen gegen die H-GmbH mit dem Abbruch der Geschäftsbeziehungen zur Klägerin. Diese beglich daraufhin in 1980 und 1981 Lieferantenschulden der H-GmbH und übernahm 1981 deren Kontokorrentkredit in Höhe von 77 000 DM.

Wegen der wirtschaftlichen Situation der H-GmbH schrieb die Klägerin diese Forderungsbeträge im Wirtschaftsjahr 1981/82 in Höhe von 148 362,64 DM und im Wirtschaftsjahr 1983/84 in Höhe von 45 277,93 DM gewinnmindernd ab. Im Wirtschaftsjahr 1984/85 buchte die Klägerin auch die Darlehensforderung in der noch bestehenden Höhe von 94 250 DM zu Lasten des Gewinns aus, weil diese wertlos geworden war.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) folgte dem im Ergebnis nicht, sondern nahm in den Streitjahren in entsprechender Höhe verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) an und stellte hierfür die Ausschüttungsbelastung her. Die Ausbuchung der übernommenen Lieferantenschulden im Wirtschaftsjahr 1981/82 in Höhe von 148 362 DM korrigierte das FA nicht, da für die Körperschaftsteuer 1982 bereits Festsetzungsverjährung eingetreten war.

Die dagegen gerichtete Klage blieb im Ergebnis überwiegend erfolglos. Das Finanzgericht (FG) sah in den in den Streitjahren vorgenommenen Teilwertabschreibungen zwar keine vGA, erhöhte aber die Steuerbilanzgewinne der Streitjahre um die Beträge der Teilwertabschreibungen. Sowohl die Gewährung des Darlehens an die H-GmbH als auch die Übernahme der Lieferanten- und Bankverbindlichkeiten seien als Entnahmen anzusehen, die bereits in den jeweiligen betreffenden Jahren den Bilanzgewinn der Klägerin gemindert hätten. Die in diesen früheren Jahren eingebuchten Forderungen gegen die H-GmbH seien nicht betrieblich veranlaßt und gehörten deswegen nicht zum Betriebsvermögen. Sie seien in der ersten noch offenen Veranlagung erfolgsneutral auszubuchen. Ebenso seien in der entsprechenden Gewinn- und Verlustrechnung die Abschreibungen auf diese zu Unrecht aktivierten Forderungen gewinnerhöhend zu korrigieren. Da für die vorangegangenen Veranlagungszeiträume, in denen es zu den vGA gekommen sei, Festsetzungsverjährung eingetreten sei, lasse sich die steuerliche Erfassung der vGA indes nicht nachholen, so daß die vom FA hergestellte Ausschüttungsbelastung rückgängig gemacht werden müsse. Nur insoweit sei der Klage stattzugeben. - Das FG-Urteil ist in Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst 1998, 794 abgedruckt.

Ihre Revision stützt die Klägerin auf Verletzung materiellen Rechts.

Sie beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die angefochtenen Bescheide in der Weise zu ändern, daß die Abschreibung von Lieferantenschulden in Höhe von 45 277 DM im Wirtschaftsjahr 1983/84 und die Abschreibung der Darlehensforderung in Höhe von 94 250 DM im Wirtschaftsjahr 1984/85 nicht als vGA, sondern als Betriebsausgaben behandelt werden.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist nur zu einem geringen Teil begründet. Dem FG ist zwar nicht darin zu folgen, daß die Gewährung des Darlehens und die Schuldübernahmen als Entnahmen zu behandeln sind. Richtigerweise handelt es sich um vGA. Am Ergebnis --Hinzurechnung der fraglichen Beträge-- ändert dies freilich nichts. Zu Unrecht hat das FG jedoch die vom FA hergestellte Ausschüttungsbelastung rückgängig gemacht. Dieser Umstand führt mit der Maßgabe zur Aufhebung der Vorentscheidung, daß die Klage insgesamt als unbegründet abzuweisen ist.

1. Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht. Für den größten (und auch vorliegend einschlägigen) Teil der entschiedenen Fälle hat der Bundesfinanzhof (BFH) eine Veranlassung der Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 21. Dezember 1994 I R 98/93, BFHE 176, 413, BStBl II 1995, 419, m.w.N.).

2. Das FG ist von dieser Maßgabe ausgegangen und hat die zur Entscheidung stehenden Vorgänge als gesellschaftlich veranlaßte vGA gewürdigt. Sowohl die Gewährung des Darlehens als auch die Übernahme der Fremdverbindlichkeiten durch die Klägerin seien letztlich nicht in deren Interesse, vielmehr allein in jenem des "Hauptgesellschafters" EM erfolgt. Daß ein Lieferant von einem Kunden verlange, die Existenz eines anderen, notleidenden Kunden, zu dem ansonsten keine Geschäftsbeziehungen bestehen, zu sichern, lasse sich nicht plausibel erklären und sei im Wirtschaftsleben letztlich nicht vorstellbar. Wenn dies im Streitfall dennoch geschehen sei, erkläre sich dies nur aus der Besonderheit, daß beherrschender Gesellschafter beider Schwestergesellschaften, der Klägerin ebenso wie der H-GmbH, EM gewesen sei.

Diese Sachverhaltswürdigung, die dem FG auch obliegt (Senatsurteil vom 29. Oktober 1997 I R 24/97, BFHE 184, 482, BStBl II 1998, 573), ist in sich schlüssig und zumindest vertretbar. Sie wird nachhaltig durch den Umstand gestützt, daß die Klägerin bei Hingabe des Darlehens und bei den Schuldübernahmen von jedwelchen Besicherungen abgesehen hat (z.B. Senatsurteil vom 7. November 1990 I R 35/89, BFH/NV 1991, 839; Blümich/Rengers, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 16. Aufl., § 8 KStG Rz. 581, m.w.N.). Aus dem von der Klägerin angeführten Senatsurteil vom 21. Dezember 1994 I R 65/94 (BFHE 176, 571) zu den Besonderheiten im Konzern ergibt sich nichts anderes, da dieses nicht die Darlehensgewährung durch die Kapitalgesellschaft betrifft (zutreffend Neumann, GmbH-Rundschau 1996, 424; Blümich/Rengers, a.a.O.). Zu Recht weist das FA auch darauf hin, daß es durchaus Aufgabe des Gesellschafters sein kann, seiner in der Krise befindlichen GmbH zumindest dann Kapital zuzuführen, wenn diese anderweitig kreditunwürdig ist (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18. November 1991 II ZR 258/90, Der Betrieb 1992, 366).

Im Ergebnis wird der erkennende Senat damit durch die vom FG im Rahmen des Fremdvergleichs angestellte Sachverhaltswürdigung gebunden (vgl. § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Verstöße gegen die Denkgesetze und gegen die Regeln der Logik und die allgemeinen Erfahrungswerte sind nicht ersichtlich und werden von der Klägerin im Ergebnis auch nicht geltend gemacht. Diese setzt lediglich ihre eigene --ggf. gleichermaßen mögliche, aber nicht zwingende-- Sachverhaltswürdigung an die Stelle derjenigen des FG, wodurch die Bindung gemäß § 118 Abs. 2 FGO nicht beseitigt wird.

3. Steht fest, daß die in Rede stehenden Vorgänge gesellschaftlich veranlaßt sind, so konnte sich dies in den jeweiligen Wirtschaftsjahren (1977/78 bzw. 1979/80 und 1980/81) nur bei Vorliegen von einkommenswirksamen Minderungen des Vermögens der Klägerin als vGA auswirken. Daran aber fehlte es, soweit diese für die Darlehenshingabe und die Schuldübernahmen --trotz der fehlenden Besicherungen-- vollwertige Forderungen gegen die H-GmbH als bilanzierungsfähige Vermögensgegenstände erhielt und soweit die entsprechenden Beträge nicht von vornherein als verlorener Zuschuß gegeben wurden (vgl. dazu Senatsurteil in BFH/NV 1991, 839, 841). Infolge der Bilanzierung dieser Forderungen wäre dann der Gewinn und entsprechend auch das Einkommen der Klägerin nicht gemindert gewesen. Eine vGA kann unter solchen Umständen nur vorliegen, soweit die Gegenansprüche in den maßgebenden Zeitpunkten der Darlehenshingabe bzw. der Schuldübernahmen nicht vollwertig waren und daher mit einem geringeren Wert in die Bilanz eingestellt (und später abgeschrieben) werden mußten. Der Annahme des FG, die Forderungen hätten unabhängig von ihrem Wert von vornherein nicht aktiviert werden dürfen, weil sie keine betrieblichen gewesen seien, ist demgegenüber nicht zu folgen. Im einzelnen wird hierzu, um Wiederholungen zu vermeiden, auf das Senatsurteil vom 26. Februar 1992 I R 23/91 (BFHE 168, 46, BStBl II 1992, 846) verwiesen.

Vor diesem Hintergrund wirkten sich die im Streitfall in Rede stehenden Vorgänge allerdings erst in den Streitjahren als vGA aus. Auf die Frage, ob eine Teilwertabschreibung der Forderungen --ganz oder teilweise und über die im Wirtschaftsjahr 1981/82 ausgebuchten 148 362 DM hinaus-- bereits in einem Vorjahr vorzunehmen gewesen wäre, kommt es nicht an. Wegen des Grundsatzes des formellen Bilanzenzusammenhangs waren in den Vorjahren gegebenenfalls unterbliebene Abschreibungen nicht in diesen Jahren, sondern in der Schlußbilanz des ersten Jahres nachzuholen, dessen Veranlagung noch geändert werden kann, also in den Schlußbilanzen der Wirtschaftsjahre 1983/84 und 1984/85. Erst durch die dadurch bewirkten Vermögensminderungen wird dann auch die vGA verwirklicht (vgl. Senatsurteil vom 14. März 1990 I R 6/89, BFHE 160, 459, BStBl II 1990, 795, 797).

4. Obwohl das Urteil der Vorinstanz im Ergebnis damit insoweit zu bestätigen ist, war es aufzuheben. Ausgehend von seiner abweichenden Rechtsauffassung hat das FG der Klage stattgegeben, soweit vom FA die Ausschüttungsbelastung hergestellt worden ist (§§ 27 ff. KStG). Es hat das FA zu einer entsprechenden Neuberechnung der Körperschaftsteuer verpflichtet. Dies würde für das Streitjahr 1984 zu einer Erhöhung der festgesetzten Körperschaftsteuer führen, weil die Herstellung der Ausschüttungsbelastung ausweislich des angefochtenen Steuerbescheides insoweit die Herabsetzung der Körperschaftsteuer um 13 714 DM nach sich gezogen hat. Diese Erhöhung war nach Lage der Dinge nicht vom Klageantrag gedeckt. Das Begehren der Klägerin --die Teilwertabschreibungen nicht als vGA zu behandeln und die Körperschaftsteuerbescheide entsprechend zu ändern-- läßt nicht den Schluß zu, daß sie auch im Falle einer Beurteilung der Kreditgewährung und der Schuldübernahme als Entnahmen und einer Versagung der Teilwertabschreibung die ihr günstige Herstellung der Ausschüttungsbelastung angreifen wollte. Es ist deswegen davon auszugehen, daß das FG unter Verstoß gegen das Verböserungsverbot über den Klageantrag hinausgegangen ist und dadurch seine Bindung an diesen Antrag mißachtet hat (vgl. § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO). Das FG-Urteil war folglich aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Ende der Entscheidung

Zurück