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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 28.01.2004
Aktenzeichen: I R 63/02
Rechtsgebiete: FGO, GG


Vorschriften:

FGO § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b
FGO § 126 Abs. 6
GG Art. 4 Abs. 1
GG Art. 140
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wurde im Jahre ... in Israel als Sohn einer jüdischen Mutter geboren. Er ist israelischer Staatsangehöriger. Im Jahre ... kam der Kläger nach Deutschland, wo er ein Studium absolvierte und seitdem arbeitet. Gegenüber den Meldebehörden machte der Kläger weder bei seiner Einreise nach Deutschland noch später Angaben zu einer Bekenntnisangehörigkeit. 1987 wurde er von seinen Eltern in einem an die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) gerichteten Aufnahmeantrag (mit)angemeldet und dort als Mitglied erfasst. Der Kläger selbst gab anlässlich der Aufnahme seiner Tochter in den Kindergarten der IKG im Anmeldeblatt vom 18. Dezember 2000 gegenüber der IKG als Bekenntnis "jüd." an.

Daraufhin bat die IKG mit Schreiben vom 9. Mai 2001 den Beklagten und Revisionskläger (Steueramt des israelischen Bekenntnisses beim Landesverband der israelischen Kultusgemeinden in Bayern --KiStA--) um kirchensteuerliche Erfassung des Klägers. Dieser veranlagte den Kläger mit Kirchensteuer-Bescheid vom 13. Juli 2001 zur israelitischen Bekenntnissteuer für die Streitjahre 1998 und 1999.

Der Kläger meint, in den Streitjahren sei er kein Mitglied der IKG gewesen, da er sich zuvor nicht willentlich zur jüdischen Glaubensgemeinschaft bekannt habe.

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, in den Streitjahren habe keine Zugehörigkeit des Klägers zur jüdischen Religionsgemeinschaft mit der Folge der Begründung einer Kirchensteuerpflicht bestanden.

Mit seiner Revision rügt das KiStA Verletzung formellen und materiellen Rechts. Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Verfahrensrügen des KiStA sind nicht zulässig erhoben. Sie entsprechen nicht den Erfordernissen des § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b der Finanzgerichtsordnung (FGO); insoweit entscheidet der Senat gemäß § 126 Abs. 6 FGO ohne weitere Begründung.

In der Sache ist die Revision unbegründet. Daher war sie zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat zu Recht entschieden, dass in den Streitjahren 1998 und 1999 keine Zugehörigkeit des Klägers zur jüdischen Religionsgemeinschaft mit der Folge seiner Kirchensteuerpflicht bestand.

1. Gemäß Art. 2 Abs. 2 des Bayerischen Gesetzes über die Erhebung von Steuern durch Kirchen, Religions- und weltanschauliche Gemeinschaften (KiStG Bay) i.d.F. vom 21. November 1994 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1994, 1026) bestimmt sich der Eintritt in eine Kirchen- und Religionsgemeinschaft nach dem jeweiligen Satzungsrecht der betreffenden Gemeinschaft; vorliegend ist dies die IKG als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), wonach die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Person Mitglied einer Religionsgemeinschaft ist, sich grundsätzlich nach innerkirchlichem Recht bestimmt (BFH-Urteile vom 24. März 1999 I R 124/97, BFHE 188, 245, BStBl II 1999, 499; vom 6. Oktober 1993 I R 28/93, BFHE 172, 570, BStBl II 1994, 253; vom 11. Dezember 1985 I R 207/84, BFHE 146, 315, BStBl II 1986, 569). Der Inhalt innerkirchlichen Rechts ergibt sich für das Revisionsgericht regelmäßig aus den insoweit bindenden Feststellungen des FG.

Für die Beurteilung der Streitfrage sind die Statuten der IKG nach den Feststellungen des FG allerdings nicht eindeutig. Einerseits ist Mitglied im IKG ohne weiteres jeder im Gemeindegebiet wohnende Jude, wenn er sich bei der IKG ordnungsgemäß hat registrieren lassen (Nr. 4 der Statuten). Andererseits gehören zur IKG alle Personen, die sich zum jüdischen Glauben "bekennen" und ihren Wohnsitz im Bezirk der IKG haben (Nr. 1 der Statuten). Daraus könnte gefolgert werden, dass bereits nach ihrer Satzung die Mitgliedschaft in der IKG --jedenfalls bei nicht ordnungsmäßiger Registrierung-- einen willentlichen Bekenntnisakt voraussetzt. Der Senat muss dies nicht abschließend beurteilen.

2. Jedenfalls findet das Recht der Religionsgemeinschaften, ihre Angelegenheiten und damit auch die Mitgliedschaft ihrer Angehörigen selbständig zu regeln, nach ständiger Rechtsprechung (zuletzt BFH-Urteil in BFHE 188, 245, BStBl II 1999, 499, m.w.N.) gemäß Art. 140 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. Art. 137 Abs. 3 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) ihre Schranken in den für alle geltenden Gesetzen (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 31. März 1971 1 BvR 744/67, BVerfGE 30, 415); dazu gehören vornehmlich die Grundrechte, insbesondere Art. 4 Abs. 1 GG. Danach darf jeder über sein Bekenntnis und seine Zugehörigkeit zu einer Kirche selbst und frei von staatlichem Zwang entscheiden. Art. 4 Abs. 1 GG schützt auch das Recht, keinem Glauben anzugehören und damit den Eintritt in eine Religionsgemeinschaft und den Austritt selbst zu bestimmen.

Unabhängig von dem Recht der Kirchen zur selbständigen Ordnung der Kirchenmitgliedschaft nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV verbietet daher Art. 4 Abs. 1 GG, als Grundlage für die Kirchensteuerpflicht eine kirchliche Mitgliedschaftsregelung heranzuziehen, die eine Person einseitig und ohne Rücksicht auf ihren Willen der Kirchengewalt unterwirft (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 30, 415, 423; BFH-Beschluss vom 26. Oktober 1995 I B 49/95, BFH/NV 1996, 436). Hiervon ausgehend ist eine allein an die Abstammung/Geburt und Wohnsitznahme anknüpfende Mitgliedschaft im Rahmen der staatlichen Kirchensteuergesetze steuerlich nicht anzuerkennen (BFH-Urteil in BFHE 188, 245, BStBl II 1999, 499, m.w.N.).

3. Der Wille, einer Religionsgemeinschaft angehören zu wollen, muss sich somit in einem positiven Bekenntnis manifestieren.

Setzt die innerkirchliche Regelung ihrerseits ein formalisiertes Bekenntnis zur Begründung der Mitgliedschaft nicht voraus, so ist der in den staatlichen Kirchensteuergesetzen verwandte Begriff "Kirchenangehöriger" daher verfassungskonform dahin zu interpretieren, dass als kirchensteuerpflichtiger Angehöriger einer Kirche bzw. Religionsgemeinschaft nur eine solche Person behandelt wird, die sich --sei es persönlich oder durch ihre gesetzlichen Vertreter-- durch eine nach außen hin erkennbare und zurechenbare Willensäußerung (vgl. § 130 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--) als der Religionsgemeinschaft zugehörig bekannt hat (BFH-Urteil in BFHE 188, 245, BStBl II 1999, 499, m.w.N.). Dabei bedarf es keines formalisierten Eintrittsaktes (ausdrückliche Beitrittserklärung), sofern der Wille des Betroffenen anderweitig in geeigneter Form Berücksichtigung finden kann (BFH-Urteil in BFHE 172, 570, BStBl II 1994, 253; BFH-Beschluss in BFH/NV 1996, 436).

4. Im Streitfall ist das FG zu dem Ergebnis gelangt, dass es für die Streitjahre 1998 und 1999 an einer Willensäußerung des Klägers fehlt, die als Bekenntnisakt im dargestellten Sinne gewertet werden könnte. Die für ihn von seinen Eltern im Jahre 1987 abgegebene Beitrittserklärung war unwirksam, da die Eltern infolge eingetretener Volljährigkeit des Klägers nicht zu dessen Vertretung befugt waren; eine Genehmigung dieser Erklärung durch den Kläger ist nicht erfolgt. Somit kann mit dem FG als Bekenntnisakt, der es rechtfertigt, den Kläger als kirchensteuerpflichtiges Mitglied der IKG anzusehen, erst dessen Religionsangabe "jüd." im Anmeldeblatt (betreffend die Aufnahme seiner Tochter in den Kindergarten) vom 18. Dezember 2000 gegenüber der IKG gewertet werden.

5. Dem FG ist schließlich auch darin zu folgen, dass der am 18. Dezember 2000 erfolgte Bekenntnisakt Rechtswirkungen nur für die Zukunft entwickelt und somit nicht auf die Streitjahre 1998 und 1999 zurückwirkt.

Bei dem geforderten Bekenntnis handelt es sich um einen rechtsgestaltenden Akt (rechtsgeschäftliche Willenserklärung), der final auf die Herbeiführung eines bestimmten Rechtserfolges in Form der Änderung oder Gestaltung rechtlicher Beziehungen --im Streitfall die Mitgliedschaft des Klägers in der IKG-- gerichtet ist. Ein derartiger finaler Rechtsakt kann, wenn sich aus seiner Zielrichtung selbst --so etwa bei Anfechtungserklärungen-- oder sonstigen gesetzlichen oder vertraglichen Bestimmungen nichts Abweichendes ergibt, grundsätzlich nur in die Zukunft (ex nunc) wirken. Dem entgegenstehende Bestimmungen sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Im Gegenteil bezieht sich das FG zutreffend auf Art. 6 Abs. 3 Satz 2 KiStG Bay, wonach eine Umlagepflicht erst einen Monat nach der Erfüllung der --neben der Pflicht zur Entrichtung der betreffenden Maßstabsteuer (Einkommensteuer) bestehenden-- "sonstigen" Voraussetzungen eintritt. Dies ist nach dem Bekenntnisakt vom 18. Dezember 2000 mit dem Anfang des Kalendermonats Januar 2001 der Fall.

Ende der Entscheidung

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