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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 20.03.2001
Aktenzeichen: I R 63/99
Rechtsgebiete: AO 1977, AStG, EStG, DBA-USA 1954/1965
Vorschriften:
AO 1977 § 2 Abs. 1, | |
AO 1977 § 42 Satz 1 | |
AO 1977 n.F. § 42 Abs. 1 Satz 1 | |
AO 1977 n.F. § 42Abs. 2 | |
AStG §§ 7 ff. | |
EStG § 3c | |
DBA-USA 1954/1965 Art. XV Abs. 1 Buchst. b Nr. 1 Doppelbuchst. aa Satz 1 | |
DBA-USA 1954/1965 Art. XV Abs. 1 Buchst. b Nr. 1 Doppelbuchst. aa Satz 3 |
Entscheidung wurde am 02.08.2002 korrigiert: im Leitsatz unter 1. muß es statt 20. Juni 10. Juni heißen
2. Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 42 Satz 1 AO 1977 (§ 42 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 n.F.) nicht erfüllt, bleibt die Vorschrift unbeschadet des § 42 Abs. 2 AO 1977 n.F. unanwendbar.
3. Liegt die Unangemessenheit einer Gestaltung allein in Tatumständen, die die Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 ff. AStG auslösen, liegt regelmäßig kein Missbrauch i.S. von § 42 AO 1977 vor. So verhält es sich auch bei der Einschaltung einer Gesellschaft zur Finanzierung eines konzerneigenen Bauprojektes.
4. Es ist nicht missbräuchlich, wenn eine Tochtergesellschaft ihr Ausschüttungsverhalten gegenüber der Muttergesellschaft danach ausrichtet, dass die Muttergesellschaft einerseits für die Ausschüttungen in den Genuss des abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs kommt und ihr andererseits die Möglichkeit erhalten bleibt, die mit der Beteiligung in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Kosten als Betriebsausgaben abzuziehen.
Gründe:
A.
Die Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Rechtsnachfolgerin einer (inländischen) GmbH, der R. Die R gehörte im Streitjahr 1989 zum US-amerikanischen R-Konzern, zu dem auch eine US-Corporation, X, gehörte.
Die X erwarb im Streitjahr Grundstücke in den USA, um darauf ein neues Forschungs-, Entwicklungs- sowie ein Verwaltungszentrum zu errichten. Die Gesamtkosten wurden auf 261 Mio. US-$ veranschlagt, wovon bis zum 1. August 1989 bereits 27,8 Mio. US-$ aufgewandt wurden. Zur Finanzierung des Vorhabens wurde am 23. August 1989 eine weitere US-Corporation, die A, Delaware, mit einem Kapital von 100 US-$ gegründet, das durch Beschluss des Verwaltungsrates vom 22. November 1989 auf 225 001 000 US-$ aufgestockt wurde. Sämtliche Anteile wurden von der R übernommen. Die Beteiligung wurde in Höhe von 30 Mio. US-$ durch Gesellschaftereinlagen in die R --eingezahlt Ende Dezember 1989-- finanziert. Im Übrigen nahm die R bei einem Bankenkonsortium am 30. November 1989 ein Darlehen in Höhe von 350 571 000 DM (= 195 Mio. US-$) auf. Die Darlehensaufnahme führte bei der R im Streitjahr zu Finanzierungskosten (Zinsen in Höhe von 2 671 330,22 DM, Provisionen in Höhe von 2 557 508,75 DM), die als Betriebsausgaben geltend gemacht wurden.
Die A sagte der X ein Hypothekendarlehen in Höhe von bis zu 243 Mio. US-$ mit einer Laufzeit von 13 Jahren zu, das entsprechend dem Baufortschritt ausgezahlt werden sollte. Die insoweit noch nicht benötigten Kapitalanteile legte die A zwischenzeitlich in Schuldverschreibungen und festverzinslichen Wertpapieren an. Die dabei anfallenden Erträge sollten zur Aufstockung der Kapitaleinlage von 225 Mio. US-$ auf den voraussichtlichen Darlehensbetrag von 243 Mio. US-$ dienen.
Ende 1991 verkaufte die X den gesamten Komplex an eine Bank und tilgte mit den erhaltenen Mitteln das von der A gewährte Hypothekendarlehen. Durch Beschluss des Verwaltungsrates vom 6. Dezember 1991 wurde die A daraufhin liquidiert. Am 23. Dezember 1991 zahlte diese an die R den Liquidationserlös in Höhe von 251 539 885,71 US-$, aus dem die R das aufgenommene Darlehen zurückzahlte. Die Liquidation führte bei der R in 1991 zu einem steuerpflichtigen Liquidationsgewinn von 3 068 611 DM, der in 1991 auch versteuert wurde. Bei Zugrundelegung des bei Erwerb der Beteiligung gültigen Wechselkurses hätte sich ein Liquidationsgewinn von über 47 Mio. DM ergeben. Dividenden waren von der A während der ganzen Zeit ihres Bestehens nicht gezahlt worden.
Der Beklagte, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) versagte der Klägerin zunächst unter Hinweis auf § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) i.V.m. § 3c des Einkommensteuergesetzes (EStG) den Abzug der Refinanzierungskosten für das Darlehen als Betriebsausgaben. Es setzte die Körperschaftsteuer zunächst entsprechend fest, sah aber während des dagegen geführten Klageverfahrens hiervon ab und behandelte stattdessen die Zwischenschaltung der A als rechtsmissbräuchlich i.S. von § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) i.d.F. vor In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Steueränderungsgesetz 2001 --StÄndG 2001-- vom 20. Dezember 2001, BGBl I 2001, 3794, BStBl I 2002, 4) --AO 1977 n.F.--. Das FA besteuerte die R deshalb so, als hätte diese die von ihr als Darlehen aufgenommenen Gelder der X unmittelbar gegen Zinsen zur Verfügung gestellt. Die Aufwendungen der A für ihre Gründung und Zwischenschaltung sowie die Finanzierungskosten wurden nicht als Betriebsausgaben anerkannt, da sie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung nicht entstanden wären. Zugleich wurden verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) angenommen: Einem fremden Dritten wären Zinsen nicht nur in Höhe der eigenen Refinanzierungskosten, sondern mit einem entsprechenden Aufschlag in Rechnung gestellt worden; das Währungsrisiko wäre nicht übernommen worden. Dementsprechend erging ein geänderter Steuerbescheid, der zum Gegenstand des Klageverfahrens gemacht wurde.
Die weitergeführte Klage blieb überwiegend erfolglos. Das Finanzgericht (FG) folgte dem FA sowohl in der Frage des Gestaltungsmissbrauchs als auch --dem Grunde nach-- in der Frage der vGA, ermittelte Letztere allerdings anders: Anstelle einer Weiterberechnung der eigenen Kreditkosten zuzüglich eines Aufschlages durch die R in Höhe von 2 604 980 DM sah das FG die vGA in dem Unterschiedsbetrag in Höhe von 2 554 048 DM zwischen den --über § 42 AO 1977-- hinzugerechneten Zinseinnahmen von 2 674 790 DM und den der R entstandenen Aufwendungen für die Refinanzierung einschließlich Provision von 5 228 838 DM. Weitere vGA sah das FG mit dem FA in den Währungsverlusten, die ohne Einschaltung der A nicht aufgetreten wären. Die vom FA angesetzte vGA sei insofern aber um 44 036 DM zu verringern, weil anstatt 19 380 244 DM --wie vom Betriebsprüfer ausgewiesen-- ein Betrag von 19 424 280 DM hinzugerechnet worden sei. Schließlich handele es sich --ebenfalls abweichend vom FA-- auch bei den bei der A angefallenen Treuhänderkosten in Höhe von 6 965 DM (= 4 000 US-$) um vGA. - Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 922 abgedruckt.
Ihre Revisionen stützen FA und Klägerin beiderseits auf Verletzung materiellen Rechts.
Die Klägerin beantragt, die Revision des FA zurückzuweisen und das FG-Urteil aufzuheben und die Körperschaftsteuer 1989 unter Änderung der angefochtenen Bescheide auf 19 628 226 DM herabzusetzen.
Das FA beantragt sinngemäß, die Revision der Klägerin zurückzuweisen, das FG-Urteil aufzuheben und die Körperschaftsteuer 1989 auf 21 323 242 DM festzusetzen.
B.
I.
Die Revision der Klägerin ist trotz des um einen Tag verspäteten Eingangs des Antrags auf Verlängerung der Frist zur Begründung der Revision (vgl. § 120 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) beim Bundesfinanzhof (BFH) zulässig. Die von der Klägerin geschilderten Abläufe lassen keinen Zweifel daran, dass der betreffende Schriftsatz zunächst versehentlich beim FG München einging. Dem rechtzeitig gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 121, § 56 FGO) war deswegen zu entsprechen.
II.
Die Revision der Klägerin ist begründet, diejenige des FA hingegen unbegründet. Das Urteil des FG war aufzuheben. Die Körperschaftsteuer 1989 war unter Änderung des angefochtenen Steuerbescheides anderweitig festzusetzen.
1. Das FG ist im Ergebnis davon ausgegangen, dass die Zwischenschaltung der A den Tatbestand des § 42 AO 1977 erfülle. Es liege ein Gestaltungsmissbrauch des Rechts vor, was zur Folge habe, dass die in Rede stehenden Kapitalerträge nicht der A, vielmehr unmittelbar der R zuzurechnen seien und bei dieser der inländischen Besteuerung unterfielen. Dem ist nicht beizupflichten; die Erkenntnisse des FG werden von den tatrichterlich getroffenen und den Senat bindenden (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) Feststellungen nicht getragen.
a) Nach § 42 Satz 1 AO 1977, nunmehr § 42 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 n.F., kann durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten in diesem Sinne liegt nach ständiger Rechtsprechung des BFH vor, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die zur Erreichung des erstrebten wirtschaftlichen Ziels unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (vgl. z.B. Senatsurteil vom 19. August 1999 I R 77/96, BFHE 189, 342, BStBl II 2001, 43, m.w.N.).
b) Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. Senatsurteile vom 29. Januar 1975 I R 135/70, BFHE 115, 107, BStBl II 1975, 553; vom 5. März 1986 I R 201/82, BFHE 146, 158, BStBl II 1986, 496; vom 10. Juni 1992 I R 105/89, BFHE 168, 279, BStBl II 1992, 1029; vom 23. Oktober 1992 I R 40/89, BFHE 166, 323, BStBl II 1992, 1026; vom 19. Januar 2000 I R 94/97, BFHE 191, 257, BStBl II 2001, 222, und I R 117/97, BFH/NV 2000, 824; BFH-Urteile vom 29. Juli 1976 VIII R 142/73, BFHE 120, 116, BStBl II 1977, 263; vom 9. Dezember 1980 VIII R 11/77, BFHE 132, 198, BStBl II 1981, 339) erfüllt die Zwischenschaltung von Basisgesellschaften in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft im niedrig besteuernden Ausland den Tatbestand des Rechtsmissbrauchs, wenn für ihre Zwischenschaltung wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen. Die Rechtsprechung ist Ausdruck des Grundsatzes, dass das Steuerrecht in der Regel die gewählte zivilrechtliche Gestaltung respektiert. Dies gilt jedoch nicht für solche Gestaltungen, die nur der Manipulation dienen. Sie können der Besteuerung nur dann zugrunde gelegt werden, wenn mit ihnen ein angemessener wirtschaftlicher Zweck verfolgt wird.
2. Im Streitfall bleibt es hiernach bei der Zurechnung der in Rede stehenden Kapitalerträge bei der A.
a) Bei dieser handelt es sich nicht um eine --so das FG-- "klassische Briefkastenfirma" oder Basisgesellschaft. Den Feststellungen des FG nach "existierte" die A nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich. Sie verfügte über einen Büroraum, über eigene Telefon- und Telefaxanschlüsse und über eigenes Personal. Dass das Büro sich in einem Verwaltungsgebäude befand, in welchem auch andere Konzernfirmen ansässig waren, und dass es sich bei dem Personal um Teilzeitkräfte handelte, ist im Grundsatz ebenso unbeachtlich wie der Umstand, dass diese Teilzeitkräfte sich vornehmlich mit Buchhaltungsaufgaben zu beschäftigen hatten. Es liegt in der Natur eines Unternehmens, das sich ausschließlich oder hauptsächlich mit der Ausleihung von Geldern und der Anlage von Kapitalvermögen beschäftigt, dass sich dessen laufende Betätigung im Verbuchen der ein- und ausgehenden Zahlungen und ggf. --und so auch im Streitfall (s. unten unter 2. b bb)-- in der Entscheidung über die Anlageform erschöpft. Erkenntnisse im Hinblick auf die eigenwirtschaftliche "Funktionslosigkeit" eines derartigen, von seinem Zweck her "passiven" Unternehmens lassen sich daraus entgegen der Annahme des FG nicht ohne weiteres gewinnen und ableiten.
Die A übte auch tatsächlich die ihr übertragene Finanzierungsfunktion gegenüber der X aus. Sie schaltete Personen ein, die in den USA tätig wurden und deren Tätigkeit nicht der Klägerin zugerechnet werden kann. Die von der A vereinnahmten Kapitalerträge wurden überdies in den USA der Besteuerung unterworfen. Von einer lediglich formellen Verlagerung der Finanzierungstätigkeit von der R auf die A ausschließlich zu dem Zweck, das Entstehen positiver Einkünfte bereits im Ansatz zu vermeiden (vgl. dazu z.B. Senatsurteil vom 27. August 1997 I R 8/97, BFHE 184, 329, BStBl II 1998, 163), kann keine Rede sein.
b) Um zur Annahme einer unangemessenen Gestaltung des Rechts i.S. von § 42 Satz 1 AO 1977 zu gelangen, müssten deswegen weitere einschlägige Umstände hinzutreten. Dafür ist im Streitfall indes nichts ersichtlich.
aa) Zwar spricht der äußere Anschein der festgestellten Abläufe dafür, dass die A ausschließlich zur Finanzierung des Bauprojektes in den Vereinigten Staaten errichtet wurde. Dieser Umstand zieht jedoch keine rechtsmissbräuchliche Gestaltung nach sich. Auch eine Projektgesellschaft oder ein Unternehmen mit einem engen und lediglich eingeschränkten Unternehmensgegenstand ist steuerlich prinzipiell anzuerkennen. Es obliegt der Entscheidung des Gesellschafters, den Umfang des unternehmerischen Tuns abzustecken. Es erweist sich deshalb weder als missbräuchlich, eine entsprechende Finanzierungsgesellschaft zu gründen noch, eine solche mit Eigenkapital auszustatten. Aus demselben Grund ist es unschädlich, dass die A Ende 1991 --unmittelbar nach der Veräußerung des finanzierten Objekts und nach der Rückzahlung der ausgeliehenen Gelder-- liquidiert wurde. Sie war ursprünglich ohne zeitliche Begrenzung zur Finanzierung der X konzipiert worden. Ob ihre alsbaldige Liquidation möglicherweise durch andere, nicht vorhergesehene Umstände verursacht und gefördert worden ist (so die Übernahme der R-Gruppe durch die nunmehrige Mehrheitsgesellschafterin im Frühjahr 1990, die erheblichen Zins- und Wechselkursschwankungen sowie die Entscheidung der deutschen Finanzbehörden, den Abzug der Schuldzinsen bei der R wegen § 3c EStG zu versagen), kann angesichts dessen dahinstehen. Im Übrigen hat auch das FA die steuerliche Existenz der A bei der in 1991 erfolgten Besteuerung des Liquidationsgewinns zutreffend nicht in Frage gestellt. Läge in der Errichtung und Einschaltung der A ein Gestaltungsmissbrauch, wäre dies widersprüchlich.
bb) Ebenso wenig erweist es sich a priori als schädlich, dass sowohl die Kontrolle und Überwachung des Baufortschritts und die damit verbundene Auszahlung der Geldmittel an die X als auch die Zwischenanlage der vorhandenen, gegenwärtig aber nicht benötigten Finanzmittel von Mitgliedern der Finanzabteilung des R-Konzerns in den USA im Zusammenwirken mit der eingeschalteten Bank vorgenommen worden sein sollen. Entscheidend ist vielmehr, dass die A sowohl in eigenem Namen als auch für eigene Rechnung handelte, auch dann, wenn sie sich dabei dritter und entsprechend versierter Fachkräfte gegen Leistung entsprechender (angemessener) Entgelte bediente, die jedoch nicht der Klägerin zugerechnet werden können (vgl. auch Senatsurteile in BFHE 191, 257, BStBl II 2001, 222, und in BFH/NV 2000, 824, jeweils unter II. 1. c aa der Entscheidungsgründe). Ihr oblag jedenfalls erkennbar das Letztentscheidungsrecht, zu welchen Zeitpunkten und in welcher Höhe die einzelnen Darlehenstranchen an die X nach dem jeweiligen Baufortschritt anzuweisen waren. Sie trug gleichermaßen die mit den Kapitalanlagen typischerweise verbundenen Risiken. Sie übte damit tatsächlich eine eigene wirtschaftliche Tätigkeit aus und entwickelte unternehmerische Aktivitäten, die über bloße Verwaltungs- und Rechtshandlungen hinausreichten (vgl. dazu auch Senatsurteil vom 29. Oktober 1997 I R 35/96, BFHE 184, 476, BStBl II 1998, 235, m.w.N.). Der Frage, ob ausnahmsweise etwas anderes gelten müsste, wenn sowohl die eigentlichen Entscheidungen als auch die damit verbundenen Risiken nach der Gründung der A bei der R verblieben wären, braucht nicht weiter nachgegangen zu werden. Dies ist nicht der Fall. Gerade an dem Tätigwerden der Fachleute vor Ort in den USA erweist sich im Gegenteil, dass es solcher Kräfte tatsächlich bedurfte und dass die A nicht lediglich formal vorgeschoben wurde, um nur den Willen der R als Anteilseignerin umzusetzen.
cc) In Anbetracht dieser tatsächlichen Gegebenheiten bedurfte es keiner besonderen wirtschaftlichen Gründe, um die Einschaltung der A in den USA zu rechtfertigen (s. auch BFH-Urteil vom 15. Oktober 1998 III R 75/97, BFHE 187, 245, BStBl II 1999, 119 für den Fall der Einschaltung einer GmbH zum Zwecke der Untervertretung eines Handelsvertreters; Kraft, Internationales Steuerrecht --IStR-- 2000, 11, 13). Es kann deswegen im Einzelnen dahinstehen, welche Erwägungen für die R hierfür tragend waren.
Dies gilt auch dann, wenn man auf Seiten der R eine steuerliche Motivation unterstellt, wonach die Einkünfte aus Kapitalvermögen in den Vereinigten Staaten der dortigen lediglich 34 %igen Besteuerung unterworfen und gleichwohl die Refinanzierungsaufwendungen für den Erwerb der Beteiligung an der R und für deren Eigenkapitalausstattung im Inland abgesetzt werden sollten. Selbst wenn dadurch der Vorteil eines zwischenstaatlichen Steuergefälles ausgenutzt werden sollte, so wäre ein solches Vorgehen doch nicht rechtsmissbräuchlich. Andernfalls würde jegliche Steuergestaltung bereits im Ansatz vereitelt. Aus der Hinzurechnungsbesteuerung gemäß §§ 7 ff. des Außensteuergesetzes (AStG) ergibt sich, dass es regelmäßig auch dann nicht zu einer abweichenden Einkünftezuordnung kommt, wenn dieses Steuergefälle die in § 8 Abs. 3 AStG bestimmte Größenordnung annimmt. Das bloße Erzielen von Einkünften aus passivem Erwerb kann für sich genommen keinen Missbrauchsvorwurf rechtfertigen, sondern nur die Hinzurechnungsbesteuerung auslösen. Um § 42 AO 1977 daneben anwenden zu können, müssen deshalb weitere Umstände hinzutreten, die die Gestaltung als missbräuchlich kennzeichnen, was namentlich bei Einschaltung bloßer Briefkastenfirmen der Fall ist (vgl. Senatsurteile in BFHE 168, 279, BStBl II 1992, 1029, in BFHE 166, 323, BStBl II 1992, 1026, in BFHE 191, 257, BStBl II 2001, 222, und in BFH/NV 2000, 824). Sachverhalte, für die das AStG nicht einschlägig ist, weil die Einkünfte der Zwischengesellschaft keiner niedrigen Besteuerung i.S. von § 8 Abs. 3 AStG unterliegen, können nicht eher als rechtsmissbräuchlich zu beurteilen sein als solche Sachverhalte, für die die Hinzurechnungsbesteuerung gemäß §§ 7 ff. AStG vorzunehmen ist. Die Wertungsmaßstäbe müssen sich vielmehr entsprechen. Sie können sich nicht bei einer Gestaltung verschärfen, die --wie bei Zwischenschaltung eines Finanzierungsunternehmens in einem "normal" oder hoch besteuernden Staat-- vom Grundsatz her einer geringeren Missbrauchsvermutung ausgesetzt ist. Der Existenz der Hinzurechnungsbesteuerung gemäß §§ 7 ff. AStG lässt sich deswegen entnehmen, dass solche Gestaltungen mit der Konsequenz einer entsprechenden Einkünftezurechnung steuerlich an sich anzuerkennen sind und nur dann als missbräuchlich behandelt werden sollen, wenn dies auch bei Eingreifen der Hinzurechnungsbesteuerung der Fall wäre (im Ergebnis ebenso Kraft, IStR 2000, 11, 13). Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt. Dass es ggf. unter ähnlichen oder sogar gleichen Bedingungen möglich gewesen wäre, statt der Zwischenschaltung der A eine direkte Kreditierung vorzunehmen, tut nichts zur Sache. Mit einer solchen Argumentation ließe sich im Ergebnis die Einschaltung von Konzernfinanzierungsgesellschaften weithin als obsolet erklären; für derartige Eingriffe in die Gestaltungsfreiheit gibt § 42 AO 1977 keine Handhabe.
dd) Die nunmehr in § 42 Abs. 2 AO 1977 n.F. getroffene Regelung, nach welcher § 42 Abs. 1 AO 1977 n.F. (§ 42 Satz 1 und 2 AO 1977) anwendbar ist, wenn seine Anwendbarkeit gesetzlich nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist, ändert daran nichts. Bei dieser Regelung (vgl. zur systematischen Einordnung Crezelius, Der Betrieb --DB-- 2001, 2214; Pezzer, Finanz-Rundschau --FR-- 2002, 279; Gosch in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 2. Aufl., § 50d Rn. 43) soll es sich ausweislich der amtlichen Gesetzesbegründung zwar lediglich um eine "Klarstellung" handeln (BTDrucks 14/7341, 39 f.; 14/6877, 52). Tatsächlich widerspricht sie aber der Rechtsprechung des Senats zum Verhältnis spezialgesetzlicher Missbrauchsverhinderungsnormen einerseits und der allgemeinen Missbrauchsverhinderungsregelung des § 42 AO 1977 andererseits. Der spezielleren Vorschrift kommt hiernach im Hinblick auf die allgemeine Regelung eine Abschirmwirkung zu (Senatsurteile in BFHE 168, 279, BStBl II 1992, 1029, in BFHE 166, 323, BStBl II 1992, 1026, in BFHE 191, 257, BStBl II 2001, 222, und in BFH/NV 2000, 824; vom 17. Mai 2000 I R 19/98, BFHE 192, 282, BStBl II 2000, 619). Der Gesetzesbegründung ist zu entnehmen, dass gerade diese Rechtsprechung Anlass für die Regelungsergänzung gab (BTDrucks 14/6877, 52). Obwohl von einer "Klarstellung" demnach keine Rede sein kann, wirkt § 42 Abs. 2 AO 1977 n.F. unter den im Streitfall gegebenen Umständen nicht auf in der Vergangenheit verwirklichte Sachverhalte zurück. Da § 42 Satz 1 AO 1977 (§ 42 Abs. 1 Satz 1 AO 1977) hier anwendbar, seine tatbestandlichen Voraussetzungen aber nicht erfüllt sind, liegen zugleich auch die Voraussetzungen des § 42 Abs. 2 AO 1977 n.F. nicht vor.
ee) Die gewählte Gestaltung begegnet schließlich auch keinem Missbrauchsvorwurf vor dem Hintergrund des gesetzlichen Ineinandergreifens des abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs gemäß Art. XV Abs. 1 Buchst. b Nr. 1 Doppelbuchst. aa Sätze 1 und 3 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und einiger anderer Steuern vom 22. Juli 1954 in der Fassung des Protokolls vom 17. September 1965 (BGBl II 1966, 745, BStBl I 1966, 865) einerseits und des Abzugsverbots in § 3c EStG andererseits. Dieses Ineinandergreifen bestimmt sich nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats dadurch, dass Zinsen für Schulden, die zum Erwerb der Beteiligung an einer amerikanischen Körperschaft aufgenommen werden, als Betriebsausgaben abzugsfähig sind, soweit ihnen keine steuerbefreiten Erträge aus dieser Beteiligung gegenüberstehen (vgl. Senatsurteile vom 29. Mai 1996 I R 15/94, I R 167/94 und I R 21/95, BFHE 180, 410, 415 und 422, BStBl II 1997, 57, 60 und 63, jeweils m.w.N.). Die R hat dieses Regelungsverständnis, das zwischenzeitlich auch seitens der Finanzverwaltung zugrunde gelegt wird (vgl. Bundesministerium der Finanzen --BMF--, Schreiben vom 20. Januar 1997, BStBl I 1997, 99), dahin gehend zu ihrem Vorteil ausgenutzt, dass sie das Ausschüttungsverhalten hiernach ausgerichtet, also zunächst den vollen Betriebsausgabenabzug beansprucht und erst anschließend den Liquidationsgewinn versteuert hat. Dieses Verhalten ist ihr aber nicht als missbräuchlich anzulasten. Es liegt in der Natur dieses Verständnisses, dass das Ausschüttungsverhalten steuerlich günstig gestaltet und mit den sich daraus ergebenden Steuervor- und -nachteilen abgestimmt werden kann. Das ist systemgerecht und könnte allenfalls durch gesetzgeberische Maßnahmen unterbunden werden. An solchen Maßnahmen fehlt es.
3. Scheidet eine gestaltungsmissbräuchliche Umgehung des Rechts durch die R aus, entfallen zugleich auch jegliche Überlegungen zu den Rechtsfolgen eines solches Missbrauchs (§ 42 Satz 2 AO 1977). Insbesondere bedarf es keiner weiteren Ausführungen zu der Reichweite des danach zugrunde zu legenden angemessenen Sachverhaltes und zur Anwendung der Rechtsregeln über die vGA gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG auf diesen Sachverhalt.
4. Die von der Vorinstanz vertretene Rechtsauffassung weicht von der des erkennenden Senats ab. Ihr Urteil war aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der angefochtene Steuerbescheid ist antragsgemäß zu ändern. Die Ermittlung und Berechnung des festzusetzenden Betrages wird dem FA nach Maßgabe der Gründe dieser Entscheidung überlassen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).
Ende der Entscheidung
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