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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 19.11.2003
Aktenzeichen: I R 64/02
Rechtsgebiete: AO 1977


Vorschriften:

AO 1977 § 163
AO 1977 § 227
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, inwieweit Einkünfte des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) nach dessen Wegzug in die Schweiz in Deutschland besteuert werden dürfen.

Der Kläger, ein deutscher Staatsangehöriger, ist seit 1996 mit einer Schweizerin verheiratet. Die Eheleute wohnten zunächst in Deutschland; doch zog die Ehefrau im Mai 1997 wegen einer Erkrankung ihrer Eltern in die Schweiz zurück. Am 31. Juli 1998 (Streitjahr) zog der Kläger seiner Ehefrau nach. Er war in der Folgezeit --wie schon zuvor-- in Deutschland nichtselbständig tätig.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte gegen den Kläger für das Streitjahr Einkommensteuer nach Maßgabe der Grundtabelle fest. Dagegen machte der Kläger geltend, nach Art. 15a des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-Schweiz) dürften die nach seinem Wegzug in die Schweiz erzielten Einkünfte nur einer Steuer in Höhe von 4,5 v.H. der Bruttovergütung unterworfen werden. Sein darauf gerichteter Einspruch hatte ebenso wie die anschließend erhobene Klage keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 913 abgedruckt.

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Er beantragt, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer für das Streitjahr mit 4,5 v.H. des Bruttobetrags der Bezüge festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet. Der angefochtene Steuerbescheid ist rechtmäßig.

1. Nach Art. 15a Abs. 1 DBA-Schweiz dürfen Einkünfte eines Grenzgängers aus unselbständiger Arbeit im Ansässigkeitsstaat besteuert werden (Satz 1). Zum Ausgleich dafür kann der Vertragstaat, in dem die Arbeit ausgeübt wird, von diesen Vergütungen eine Abzugsteuer erheben (Satz 2); die Steuer darf unter bestimmten weiteren Voraussetzungen 4,5 v.H. des Bruttobetrags der Vergütungen nicht übersteigen (Satz 3). Hieraus lässt sich indessen nicht ableiten, dass die nach dem Wegzug erzielten Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit in Deutschland nur mit 4,5 v.H. der Bruttobezüge besteuert werden dürfen. Dieser vom Kläger angestrebten Beurteilung steht Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz entgegen, der auch bei der Besteuerung von Grenzgängern anwendbar ist (Art. 15a Abs. 1 Satz 4 DBA-Schweiz).

2. Nach Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz darf unter bestimmten Voraussetzungen eine von Deutschland in die Schweiz verzogene Person u.a. im Jahr des Wegzugs mit ihren aus der Bundesrepublik stammenden Einkünften in Deutschland besteuert werden. Darum geht es im Streitfall, da der Kläger im Streitjahr von Deutschland in die Schweiz verzogen ist und in der Folgezeit weiterhin Einkünfte aus einer in Deutschland und für einen deutschen Arbeitgeber ausgeübten Tätigkeit erzielt hat. Das sich daraus ergebende deutsche Besteuerungsrecht, dessen übrige Voraussetzungen unstreitig vorliegen, scheitert entgegen der Ansicht des Klägers nicht an Art. 4 Abs. 4 Satz 4 DBA-Schweiz.

a) Nach dieser Vorschrift gelten die übrigen Bestimmungen des Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz nicht, wenn der Wegzug in die Schweiz dem Ziel diente, in der Schweiz eine echte unselbständige Arbeit für einen --im Sinne der in Satz 4 enthaltenen Definition-- "fremden" Arbeitgeber aufzunehmen. Eine solche Gestaltung liegt im Streitfall nicht vor.

b) Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat in seinem Einführungsschreiben zur Neuregelung der Grenzgängerbesteuerung (vom 19. September 1994, BStBl I 1994, 683) zwar bestimmt, dass die Regelung des Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz nicht anzuwenden sei, wenn der Wegzug in die Schweiz wegen der Heirat mit einem schweizerischen Staatsangehörigen erfolgt (Rz. 41). Darauf kann sich der Kläger jedoch im Streitfall nicht berufen. Denn die genannte Regelung geht, wie das FG richtig erkannt hat, über den klaren Wortlaut des Abkommens hinaus und kann deshalb nur als Billigkeitsregelung gewertet werden. Die Anwendung von Billigkeitsregelungen kann indessen nicht Gegenstand des Steuerfestsetzungsverfahrens sein, sondern nur in einem hiervon zu unterscheidenden Verfahren gemäß § 163 oder § 227 der Abgabenordnung (AO 1977) verfolgt werden (Senatsbeschlüsse vom 8. Juli 1998 I B 111/97, BFHE 186, 313, BStBl II 1998, 702; vom 3. Februar 1999 I B 122/97, BFH/NV 1999, 974, m.w.N.). Deshalb kann die genannte Verwaltungsanweisung im Streitfall nicht herangezogen werden.

Vor diesem Hintergrund verbietet sich eine Stellungnahme des Senats dazu, ob --wie der Kläger meint-- die hier vorliegende Gestaltung von dem BMF-Schreiben erfasst wird oder --was das FG erwogen hat-- dem dort behandelten Fall wertungsmäßig entspricht. Beide Fragen können nur im Rahmen einer Billigkeitsentscheidung eine Rolle spielen, die der Kläger gegebenenfalls beantragen müsste.

3. Die Feststellungen des FG ergeben keinen Anhaltspunkt dafür, dass die im Streitjahr erzielten Einkünfte des Klägers in der Schweiz besteuert worden sind. Folglich scheidet eine Anrechnung Schweizer Steuer auf die Einkommensteuer aus. Damit erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtmäßig, so dass das FG die Klage zu Recht abgewiesen hat.

Ende der Entscheidung

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