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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 27.06.2001
Aktenzeichen: I R 69/00
Rechtsgebiete: FGO, ZPO, GmbHG, KStG, AO 1977


Vorschriften:

FGO § 155
ZPO § 240
GmbHG § 30
KStG § 27 Abs. 3 Satz 1
KStG § 27 Abs. 3 Satz 2
AO 1977 § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wurde durch amtsrichterlichen Beschluss vom 1. Februar 2001 zum Insolvenzverwalter der Gemeinschuldnerin, einer GmbH, bestellt. Er hat das gemäß § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 240 der Zivilprozeßordnung (ZPO) unterbrochene Revisionsverfahren aufgenommen.

Die GmbH hat ein abweichendes Wirtschaftsjahr vom 1. Juli bis zum 30. Juni. Ihr Stammkapital betrug im Streitjahr 60 000 DM. Ihre Bilanz zum 30. Juni 1993, aufgestellt im Oktober 1993, wies Gewinnrücklagen von 840 036 DM, einen Gewinnvortrag von 304 327 DM und einen Jahresfehlbetrag von 617 253 DM aus.

In der Gesellschafterversammlung am 15. Juni 1994 beschlossen die Gesellschafter der GmbH, den gesamten "unter der Bezeichnung EK 56 in der Bilanz eingestellte(n) Gewinn in Höhe von 1 321 979 DM in vollem Umfang an die Gesellschafter zu ihren satzungsmäßigen Anteilen" auszuschütten. Gleichzeitig verpflichteten sich die Gesellschafter, den Gewinn nach Abzug der persönlichen Steuern der GmbH als Darlehen wieder zur Verfügung zu stellen (Schütt aus-Hol zurück-Verfahren). In einer weiteren Gesellschafterversammlung am 22. Juni 1994 formulierten die Gesellschafter in Form eines Nachtrags zur Klarstellung des Protokolls vom 15. Juni 1994, dass "der gesamte unter der Bezeichnung EK 56 in der Bilanz eingestellte Gewinn mit dem verwendbaren Eigenkapital zum 30. Juni 1993 verrechnet" werden solle. Die Ausschüttung wurde noch im Juni 1994 an die Gesellschafter vorgenommen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) behandelte diese Ausschüttung als verunglückte offene Gewinnausschüttung und damit als andere Ausschüttung i.S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1991, weil sie entgegen § 29 Abs. 1, § 30 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) zur Aufzehrung des Stammkapitals führe, und minderte die Körperschaftsteuer im Jahre 1994 als dem Jahr, in dem das Wirtschaftsjahr der GmbH endete, in dem die Ausschüttung erfolgt war.

Die zunächst gegen den Steuerbescheid 1994 vom 7. August 1995 gerichtete Klage wurde zurückgenommen. Statt dessen beantragte die GmbH beim FA die Änderung des ebenfalls vom 7. August 1995 datierenden Körperschaftsteuerbescheides 1993. Das FA lehnte dies ab.

Die dagegen gerichtete Klage war teilweise erfolgreich. Das Finanzgericht (FG) gab ihr insoweit statt, als der Gewinnverteilungsbeschluss sich nur auf die Verwendung des Saldos zwischen der Gewinnrücklage zuzüglich des Gewinnvortrages und dem Jahresfehlbetrag beziehe. Soweit er diesen Saldo übersteige, verstoße er gegen § 30 GmbHG und sei daher teilweise (vgl. § 139 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--) nichtig. Folglich sei er in einen Beschluss über die Gewinnverteilung gemäß § 27 Abs. 3 Satz 1 KStG und in einen solchen über eine andere Ausschüttung gemäß § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG aufzuteilen. Nur im Umfang der rechtmäßigen Gewinnverteilung sei die Körperschaftsteuer zu mindern und der bestandskräftige Körperschaftsteuerbescheid vom 7. August 1995 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) zu ändern. - Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2000, 1144 abgedruckt.

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung.

Der bestandskräftige Körperschaftsteuerbescheid 1993 vom 7. August 1995 kann nicht mehr gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 geändert werden. Zwar ist es richtig, dass sowohl der Gewinnverteilungsbeschluss als auch die Gewinnausschüttung rückwirkende Ereignisse i.S. dieser Vorschrift darstellen (vgl. Senatsurteile vom 2. Juli 1997 I R 25/96, BFHE 183, 33, BStBl II 1997, 714; vom 18. Mai 1999 I R 60/98, BFHE 188, 542, BStBl II 1999, 634). Als Voraussetzung für eine Änderung gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 müssen diese Ereignisse aber nachträglich eintreten, weil nur in diesem Fall die Notwendigkeit besteht, die Bestandskraft zu durchbrechen. Konnten die Ereignisse bei Erlass des betreffenden Bescheides --wie im Streitfall am 7. August 1995-- bereits berücksichtigt werden, greift § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 nicht ein (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 26. Juli 1984 IV R 10/83, BFHE 141, 488, BStBl II 1984, 786; Beschlüsse vom 19. Juli 1993 GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897, 900 f.; vom 12. August 1997 IV B 98/96, BFH/NV 1998, 147; Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 175 AO Tz. 23). Andere Änderungsmöglichkeiten sind nicht ersichtlich und werden nicht geltend gemacht, so dass auf die streitigen materiellen Rechtsfragen nicht mehr einzugehen ist.

Das Urteil des FG war aufzuheben, die Klage war abzuweisen.

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