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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 06.11.2007
Aktenzeichen: I R 72/06
Rechtsgebiete: KrW-/AbfG, KStG, StrWG NRW, VerpackV
Vorschriften:
KrW-/AbfG § 15 Abs. 1 | |
KStG § 1 Abs. 1 Nr. 6 | |
KStG § 4 Abs. 1 | |
KStG § 4 Abs. 5 | |
KStG § 8 Abs. 3 Satz 2 | |
StrWG NRW § 18 Abs. 1 | |
StrWG NRW § 19a | |
VerpackV § 6 Abs. 3 |
Gründe:
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Stadt, hat sich gegenüber einer von mehreren Entsorgungsunternehmen gegründeten Arbeitsgemeinschaft Duales System X (A) vertraglich zum Einsammeln von Altglas, Papier und Leichtverpackungen durch Aufstellung entsprechender Depotcontainer an verschiedenen Standorten im Stadtgebiet sowie durch Zurverfügungstellung von Papiertonnen und Kunststoffsäcken verpflichtet (Tätigkeit im Rahmen des § 6 Abs. 3 der Verpackungsverordnung --sog. Duales System--). Die Container werden durch beauftragte Unternehmen, die sonstigen Behälter durch eigene Bedienstete der Klägerin geleert. Die Klägerin behandelte diese gegen Entgelt ausgeübte Tätigkeit für die A in den Streitjahren 1997 bis 2001 als Betrieb gewerblicher Art (§ 4 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 6 des Körperschaftsteuergesetzes --KStG--).
Für die Nutzung der öffentlichen Straßen und Plätze erteilte die Klägerin dem Betrieb gewerblicher Art eine Sondernutzungserlaubnis nach § 18 Abs. 1 des Straßen- und Wegegesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 23. September 1995 (StrWG NRW) und erhob zugleich Sondernutzungsgebühren nach Maßgabe der einschlägigen Gebührensatzung. In den Streitjahren fielen Sondernutzungsgebühren von 504 880 DM in 1997 sowie jeweils 503 700 DM in den Jahren 1998 bis 2000 an.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) vertrat die Auffassung, die Sondernutzungsgebühren seien wie verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) zu behandeln.
Der Klage gegen die hiernach ergangenen Steuerbescheide gab das Finanzgericht (FG) Düsseldorf mit Urteil vom 10. August 2006 15 K 3204/04 K,G,F, veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2007, 288, statt.
Mit seiner Revision rügt das FA eine Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluss. Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
1. Zutreffend gehen die Beteiligten davon aus, dass die Tätigkeit der Klägerin für A als ein Betrieb gewerblicher Art i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 4 Abs. 1 KStG zu beurteilen ist und die Klägerin als dessen Trägerkörperschaft mit dem durch den Betrieb erzielten Einkommen der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer unterliegt. Zwar sind gemäß § 15 Abs. 1 des Gesetzes zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen vom 27. September 1994 (BGBl I 1994, 2705) die Gebietskörperschaften verpflichtet, die in ihrem Gebiet anfallenden Abfälle aus privaten Haushaltungen zu beseitigen, so dass die Erfüllung dieser Pflicht durch juristische Personen des öffentlichen Rechts als Hoheitsbetrieb zu werten ist (Senatsurteil vom 23. Oktober 1996 I R 1-2/94, BFHE 181, 322, BStBl II 1997, 139). Durch die Verordnung über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen vom 21. August 1998 --VerpackV-- (BGBl I 1998, 2379) ist diese Pflicht jedoch zum Teil auf die private Wirtschaft übergegangen. Die Hersteller und Vertreiber von Verpackungen sind verpflichtet, außerhalb der öffentlichen Abfallentsorgung Verpackungen zurückzunehmen und zu verwerten. Diese Verpflichtung entfällt, soweit sie sich an einem System beteiligen, das eine regelmäßige Abholung gebrauchter Verkaufspackungen beim privaten Endverbraucher oder in dessen Nähe sicherstellt (§ 6 Abs. 1 VerpackV). Erbringen bei der Müllentsorgung im Rahmen des sogenannten Dualen Systems nach § 6 Abs. 3 VerpackV juristische Personen des öffentlichen Rechts Leistungen gegen Entgelt gegenüber den entsorgungspflichtigen Unternehmen, begründen sie hierdurch einen Betrieb gewerblicher Art und keinen Hoheitsbetrieb i.S. des § 4 Abs. 5 KStG (vgl. auch R 10 Abs. 6 Satz 6 der Körperschaftsteuer-Richtlinien 2004; Urteil des FG Münster vom 16. März 2001 9 K 7607/98 K,G, EFG 2001, 849; Reimann, Der Betrieb 1999, 1088; Bott in Ernst & Young, KStG, § 4 Rz 200; Krämer in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 4 KStG Rz 142 "Duales System").
2. Die an die Trägerkörperschaft entrichteten Entgelte für die Sondernutzung öffentlicher Flächen sind nicht wie vGA zu behandeln.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind Minderungen des Betriebsvermögens eines Betriebes gewerblicher Art zu Gunsten des übrigen Vermögens der Trägerkörperschaft bei der Gewinnermittlung nach den Grundsätzen zu beurteilen, die für Leistungen einer Kapitalgesellschaft an ihren Alleingesellschafter gelten. Es wird somit in diesem Zusammenhang fingiert, der Betrieb gewerblicher Art sei ein selbständiges Steuerrechtssubjekt in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft und die Trägerkörperschaft deren Alleingesellschafterin (Senatsurteil vom 17. Mai 2000 I R 50/98, BFHE 192, 92, BStBl II 2001, 558, m.w.N.).
Daher sind interne Vereinbarungen zwischen der Trägerkörperschaft und ihrem Betrieb gewerblicher Art bei der Gewinnermittlung grundsätzlich zu beachten, wenn die Vereinbarung --unterstellt, sie wäre zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem beherrschenden Gesellschafter abgeschlossen worden-- auch bei der Besteuerung der Kapitalgesellschaft zu beachten wäre. Eine Ausnahme gilt jedoch für Vereinbarungen, aufgrund derer eine Trägerkörperschaft ihren Betrieb gewerblicher Art mit Miet- oder Pachtzinsen für Wirtschaftsgüter belastet, die der Trägerkörperschaft gehören, wenn die Trägerkörperschaft dem Betrieb wesentliche Betriebsgrundlagen zur Nutzung überlassen hat. Derartige Vereinbarungen dürfen nicht der Besteuerung zu Grunde gelegt werden, da sonst der Zweck des § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG, die Betriebe der öffentlichen Hand gegenüber den Gewerbebetrieben der Privatwirtschaft steuerlich nicht zu begünstigen, vereitelt würde. Die zu vermeidende Begünstigung besteht darin, dass die Trägerkörperschaft bei steuerrechtlicher Berücksichtigung der Vereinbarung den durch den Betrieb gewerblicher Art erzielten Gewinn um die Miet- oder Pachtzinsen mindern könnte und diese in der Regel nicht versteuern müsste, während der Alleingesellschafter einer Kapitalgesellschaft, der der Gesellschaft wesentliche Betriebsgrundlagen vermietet oder verpachtet, nach den Grundsätzen der Betriebsaufspaltung die durch die Vermietung oder Verpachtung erzielten Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu versteuern hat (Senatsurteil in BFHE 192, 92, BStBl II 2001, 558, m.w.N.).
Soweit die Minderung des dem Betrieb gewerblicher Art gewidmeten Vermögens auf einer Vereinbarung zwischen dem Betrieb und seiner Trägerkörperschaft beruht, die der Besteuerung nicht zu Grunde zu legen ist, wird die Vermögensminderung bei der Gewinnermittlung wie eine vGA (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG) behandelt (Senatsurteil in BFHE 192, 92, BStBl II 2001, 558, m.w.N.).
b) Das FG hat in tatsächlicher Hinsicht unter anderem festgestellt, dass für den Betrieb gewerblicher Art die zur Sondernutzung überlassenen Flächen des öffentlichen Straßennetzes von besonderem Gewicht waren und der Betrieb gewerblicher Art für die Sammlung des Mülls auf die Standflächen für die Container angewiesen war. Sie bildeten daher --wie das FG zu Recht ausgeführt hat-- für den Betrieb gewerblicher Art wesentliche Betriebsgrundlagen.
c) Gleichwohl sind die hierfür an die Klägerin entrichteten Entgelte nicht wie vGA zu behandeln.
aa) Wie vom FG zutreffend ausgeführt, ist die Erlaubnis zur Nutzung der Standflächen für die Glascontainer und die Belastung des Betriebes gewerblicher Art mit dem Sondernutzungsentgelt nach der einschlägigen Gebührensatzung dem hoheitlichen Bereich der Klägerin zuzuordnen. Die Landesgesetze, so auch § 19a StrWG NRW, ermöglichen es, für die über den Gemeingebrauch hinausgehende Sondernutzung öffentlicher Straßen Gebühren zu erheben. Bei der Bemessung sind Art und Ausmaß der Einwirkung auf die Straße und den Gemeingebrauch sowie das wirtschaftliche Interesse des Gebührenschuldners zu berücksichtigen. Obzwar es sich dem wirtschaftlichen Gehalt nach auch bei Sondernutzungsgebühren um eine Art "Miete" für die Benutzung öffentlicher Straßen handelt (Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Juli 1988 7 C 5/87, BVerwGE 80, 36), ist die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis, die entweder in Form eines begünstigenden Verwaltungsaktes oder durch Abschluss eines verwaltungsrechtlichen Vertrages begründet wird (Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Band 2, 6. Aufl., § 79 II Rz 8), dem hoheitlichen und nicht dem fiskalischen Bereich einer Gebietskörperschaft zuzurechnen. Hierdurch erzielte Einnahmen fallen demnach in einem Hoheitsbetrieb (§ 4 Abs. 5 KStG) und nicht in einem Betrieb gewerblicher Art an. Eine hoheitliche Tätigkeit kann sich aber nicht allein deshalb in eine erwerbswirtschaftliche Tätigkeit wandeln, weil die Körperschaft die Sondernutzung für sich selbst beansprucht und dafür ihren Betrieb gewerblicher Art mit den entsprechenden Gebühren belastet. Wie das FG mit Recht ausführt, ist dies jedoch Voraussetzung für die Hinzurechnung der Sondernutzungsentgelte als vGA. Denn diese Hinzurechnung ist nach den Grundsätzen des Senatsurteils vom 14. März 1984 I R 223/80 (BFHE 140, 560, BStBl II 1984, 496) lediglich aus Vereinfachungsgründen vorzunehmen, um die eigentlich gebotene Erfassung eines weiteren Betriebes gewerblicher Art "Verpachtung" entsprechend den Fällen der Betriebsaufspaltung zu vermeiden.
Unerheblich ist, ob der Betrieb gewerblicher Art auf die Sondernutzung öffentlicher Straßen angewiesen ist. Auch wenn die gewerblichen Zwecke auf nicht dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Grundstücken verwirklicht werden könnten, werden doch die Nutzungsentgelte tatsächlich für die Sondernutzung öffentlicher Straßen und nicht auf privatrechtlicher Grundlage erhoben.
bb) Eine Hinzurechnung der Sondernutzungsgebühren als vGA ist auch nicht aus Wettbewerbsgründen geboten. Unternehmen der Privatwirtschaft können von ihren Gesellschaftern keine Sondernutzungsrechte an öffentlichen Straßen eingeräumt werden. Hierzu bedarf es vielmehr stets einer straßenbehördlichen Erlaubnis, die nach einheitlichen Maßstäben, insbesondere unter Beachtung des Gleichheitssatzes, zu erteilen ist. Das gilt unabhängig davon, ob die Sondernutzung öffentlichen Raums für eigene gewerbliche Zwecke der Gebietskörperschaft in Anspruch genommen wird oder Dritten erteilt wird. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin ihrem Betrieb gewerblicher Art höhere Sondernutzungsgebühren in Rechnung gestellt hat als nach der Satzung vorgesehen oder sie von anderen Nutzern verlangt hat, sind nicht ersichtlich. Auch hat die Klägerin nicht ausschließlich für sich selbst Sondernutzungsrechte in Anspruch genommen. Nach den Feststellungen des FG hat sie vielmehr Sondernutzungsgebühren unabhängig davon erhoben, ob die Altglasentsorgung mittels Sammelcontainer durch Privatunternehmen oder durch ihren Betrieb gewerblicher Art durchgeführt wurde. Würde im letzteren Fall der Betriebsausgabenabzug versagt, könnte der Betrieb gewerblicher Art "Duales System" die durch den Betrieb veranlassten Sondernutzungsentgelte --anders als private Entsorgungsunternehmen-- nicht als Betriebsausgaben geltend machen. Dadurch würden Betriebe der öffentlichen Hand gegenüber privaten Unternehmen ohne sachlichen Grund benachteiligt (ebenso Leippe, Zeitschrift für Kommunalfinanzen 2001, 122, 126).
An seiner abweichenden Auffassung im Urteil in BFHE 192, 92, BStBl II 2001, 558 (m.w.N.) hält der Senat nicht fest.
Ende der Entscheidung
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