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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 17.12.2003
Aktenzeichen: I R 75/03
Rechtsgebiete: EStG 1997, DBA-Luxemburg


Vorschriften:

EStG 1997 § 2 Abs. 1 Nr. 4
EStG 1997 § 2 Abs. 2 Nr. 2
EStG 1997 § 2 Abs. 5 Satz 1
EStG 1997 § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a
EStG 1997 § 19
EStG 1997 § 32a Abs. 1
EStG 1997 § 32b Abs. 1 Nr. 3
EStG 1997 § 32b Abs. 2 Nr. 2
DBA-Luxemburg Art. 10 Abs. 1
DBA-Luxemburg Art. 20 Abs. 2 Satz 1
DBA-Luxemburg Art. 20 Abs. 2 Satz 2
Bei der Ermittlung des für den Progressionsvorbehalt zu berechnenden besonderen Einkommensteuersatzes nach § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG 1997 sind die nach einem DBA steuerfreien ausländischen Einkünfte, um die das nach § 32a Abs. 1 EStG 1997 zu versteuernde Einkommen zu vermehren ist, um die tatsächlich angefallenen Werbungskosten zu kürzen. Das gilt auch dann, wenn bei der Ermittlung des im Inland zu versteuernden Einkommens der sog. Arbeitnehmer-Pauschbetrag gemäß § 9a Satz 1 Nr. 1 EStG 1997 gewährt wurde.
Gründe:

I.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind im Inland wohnende Eheleute, die für das Streitjahr 2001 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Die Klägerin erhielt neben geringen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Lohnersatzleistungen (Arbeitslosen- und Krankengeld) in Höhe von 8 919 DM. Der Kläger erzielte im ersten Halbjahr 2001 im Inland einen Bruttoarbeitslohn von 29 880 DM, dem Werbungskosten von 686 DM gegenüberstanden. In der zweiten Jahreshälfte 2001 war er bei einem in Luxemburg ansässigen Arbeitgeber beschäftigt und erzielte dort Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von umgerechnet 19 415 DM. Im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit machte er Werbungskosten von 8 700 DM geltend.

Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung bezog der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) bei der Bemessung des Steuersatzes gemäß § 32b Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG 1997) neben den Lohnersatzleistungen der Klägerin auch die ausländischen Einkünfte des Klägers in Höhe von 12 029 DM ein, die er wie folgt ermittelte:

|Inland|Ausland Einnahmen gemäß § 19 EStG 1997| 29 880 DM| 19 415 DM abzüglich Werbungskosten (gesamt: 686 DM + 8 700 DM = 9 386 DM) | ./. 2 000 DM (= Arbeitnehmer-Pauschbetrag gemäß § 9a Satz 1 Nr. 1 EStG 1997)|./. 7 386 DM Einkünfte|27 880 DM|12 029 DM

Dagegen wandten sich die Kläger mit der Begründung, die in- und ausländischen Einkünfte seien bei der Ermittlung des Steuersatzes gemäß § 32b EStG 1997 getrennt zu ermitteln. Der Arbeitnehmer-Pauschbetrag nach § 9a Satz 1 Nr. 1 EStG 1997 sei dabei nicht aufzuteilen, und zwar unabhängig davon, dass er bei der Ermittlung der inländischen Einkünfte durch tatsächlich angefallene Werbungskosten nicht ausgeschöpft worden sei.

Das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz gab dem Recht. Sein stattgebendes Urteil vom 17. Juli 2003 6 K 2265/02 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 1475 abgedruckt.

Seine Revision stützt das FA auf Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat die von dem Kläger erzielten ausländischen Einkünfte bei der Ermittlung des besonderen Einkommensteuersatzes gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG 1997 zu Recht um die insoweit tatsächlich angefallenen Werbungskosten gekürzt. Der entgegenstehenden Auffassung der Finanzverwaltung (vgl. Oberfinanzdirektion --OFD-- Berlin, Verfügung vom 28. September 2001 St 127 - S 2295 1/00 EUR, Recht der Internationalen Wirtschaft 2002, 808; OFD Koblenz, Verfügung vom 21. Januar 2003 S 2295 A-St 32 1) ist nicht zu folgen.

1. Der --unbeschränkt steuerpflichtige (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EStG 1997)-- Kläger hat im Inland nur in der ersten Hälfte des Streitjahres Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG 1997) erzielt, in der zweiten Jahreshälfte jedoch entsprechende Einnahmen in Luxemburg. Diese in Luxemburg erzielten Einnahmen sind nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 10 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern (DBA-Luxemburg) im Inland steuerbefreit. Die steuerbefreiten Einkünfte unterliegen jedoch dem Progressionsvorbehalt gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG 1997 i.V.m. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 DBA Luxemburg.

2. Der für den Progressionsvorbehalt zu berechnende besondere Einkommensteuersatz ist jener, der sich ergibt, wenn bei der Berechnung der Einkommensteuer das nach § 32a Abs. 1 EStG 1997 zu versteuernde Einkommen um die nach dem Doppelbesteuerungsabkommen steuerfreien ausländischen Einkünfte vermehrt wird (§ 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG 1997). Das nach § 32a Abs. 1 EStG 1997 zu versteuernde Einkommen bestimmt sich nach Maßgabe der in § 2 Abs. 5 Satz 1 EStG 1997 gegebenen Definition unter Zugrundelegung der Abs. 1 bis 4 dieser Vorschrift, im Fall von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 2 Abs. 1 Nr. 4, § 19 EStG 1997) also nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG 1997 durch Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten und hierbei unter Gewährung des sog. Arbeitnehmer-Pauschbetrages gemäß § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG 1997 in Höhe von 2 000 DM, sofern nicht höhere Werbungskosten nachgewiesen werden. Das zu versteuernde Einkommen ist um die steuerfreien ausländischen Einkünfte zu vermehren. Diese Einkünfte errechnen sich ihrerseits nach Maßgabe des § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG 1997 als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten.

Unter den Gegebenheiten des Streitfalles bedeutet dies, dass bei der Berechnung des Einkommensteuersatzes gemäß § 32b Abs. 2 EStG 1997 für das inländische zu versteuernde Einkommen der Pauschbetrag gemäß § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG 1997 zu gewähren ist, weil insoweit keine höheren Werbungskosten nachgewiesen wurden. Bei den dem zu versteuernden Einkommen hinzuzurechnenden ausländischen Einkünften sind hingegen die tatsächlich beim Kläger angefallenen und von ihm nachgewiesenen Werbungskosten anzusetzen. Für eine Aufteilung des im Rahmen des im Inland zu versteuernden Einkommens angesetzten Pauschbetrages und dessen anteilige Berücksichtigung bei den ausländischen Einkünften gibt der Regelungswortlaut des § 32b Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 3 EStG 1997 demgegenüber keine Handhabe, ebenso wenig wie es nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 9a Satz 1 Nr. 1 EStG 1997 möglich ist, den Pauschbetrag bei der Berechnung der inländischen Einkünfte im Falle lediglich teilweiser Tätigkeit des Steuerpflichtigen im Inland nur anteilig zu gewähren (im Ergebnis ebenso FG Berlin, Urteil vom 27. Januar 2000 7 K 7423/99, EFG 2000, 495; z.B. Wied in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 32b EStG Rz. 41; Lambrecht in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 3. Aufl., § 32b Rn. 20; Siegers, EFG-Beilage 10/2000, 77; anders Probst in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 32b EStG Rz. 82).

Allerdings ist dem FA einzuräumen, dass der Steuerpflichtige mit in- und ausländischen Einkünften damit im Ergebnis besser gestellt sein kann als ein Steuerpflichtiger mit ausschließlich inländischen Einkünften. Letzterem würde der Pauschbetrag nicht gewährt, wenn die tatsächlichen Gesamt-Werbungskosten diesen übersteigen. Die unterschiedliche Behandlung widerspricht dem Leistungsfähigkeitsprinzip, das durch den Progressionsvorbehalt gerade gewährleistet werden soll. Der Gesetzgeber hat diesen Effekt aber ersichtlich in Kauf genommen, um eine vereinfachte Berechnung des besonderen Einkommensteuersatzes zu ermöglichen. Im Gegensatz zu der früheren Rechtslage nach Maßgabe des § 32b Abs. 2 EStG 1990 i.d.F. bis zu dessen Änderung durch das Jahressteuergesetz 1996 vom 11. Oktober 1995 (BGBl I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438) ist --worauf die Vorinstanz zutreffend hinweist (vgl. auch FG Berlin, Urteil in EFG 2000, 495, 496)-- insbesondere keine sog. Schattenveranlagung mehr durchzuführen, die die nur einmalige Verrechnung der tatsächlich angefallenen Werbungskosten mit dem Pauschbetrag zur Folge hätte (vgl. dazu z.B. Senatsurteil vom 30. Mai 1990 I R 179/86, BFHE 161, 84, BStBl II 1990, 906). Stattdessen werden die selbständig ermittelten ausländischen Einkünfte dem im Inland zu versteuernden Einkommen bei der Steuersatzberechnung lediglich hinzugerechnet.

Ende der Entscheidung

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