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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 28.02.2001
Aktenzeichen: I R 77/00
Rechtsgebiete: GewStG, AO 1977


Vorschriften:

GewStG § 10a Satz 1
GewStG § 10a Satz 2
GewStG § 35b Abs. 2 Satz 2
GewStG § 6 Satz 1
GewStG § 7
GewStG § 10a
GewStG § 11 Abs. 1
GewStG § 35b
GewStG § 35b Abs. 2 Satz 3
AO 1977 § 164 Abs. 2
AO 1977 § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
AO 1977 § 184 Abs. 1 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Gesellschafter der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer GmbH, hatten sich an dieser atypisch still beteiligt. Aus den stillen Gesellschaften resultierten in den Jahren 1987 und 1988 Gewerbeverluste, die der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ebenso wie die Gewerbeverluste aus 1989 gemäß § 10a Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes in den für die Streitjahre 1990 bis 1992 maßgeblichen Fassungen (GewStG) bei der Ermittlung der Gewerbeerträge der Klägerin für 1990 und 1991 abzog. Soweit die Verluste hiernach nicht berücksichtigt werden konnten, wurden die verbleibenden vortragsfähigen Fehlbeträge gemäß § 10a Satz 2 GewStG gesondert festgestellt. Der Gewerbesteuermessbescheid 1990 sowie die nachfolgenden Gewerbesteuermessbescheide 1991 und 1992 ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 der Abgabenordnung --AO 1977--), die --jeweils erstmaligen-- gesonderten Feststellungen der vortragsfähigen Gewerbeverluste gemäß § 10a Satz 2 GewStG auf den 31. Dezember 1990, den 31. Dezember 1991 und den 31. Dezember 1992 ergingen hingegen endgültig.

Nachdem das FA zu der Erkenntnis gelangt war, die Gewerbeverluste der atypisch stillen Gesellschaft seien mangels Unternehmergleichheit bei der Klägerin nicht zu berücksichtigen (§ 10a Satz 3 GewStG), änderte es die Gewerbesteuermessbescheide 1990 und 1991 gemäß § 164 Abs. 2 AO 1977. Zugleich hob es die Feststellungsbescheide über die vortragsfähigen Gewerbeverluste auf den 31. Dezember 1990 und den 31. Dezember 1991 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 auf. Den Feststellungsbescheid auf den 31. Dezember 1992 änderte das FA gemäß § 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG und setzte den vortragsfähigen Gewerbeverlust --unter Erfassung nur noch des Verlustes aus 1992-- herab.

Gegen den geänderten Gewerbesteuermessbescheid 1991 sowie die Bescheide über die Aufhebung und die Änderung der jeweils vorangegangenen Feststellungsbescheide erhob die Klägerin Klage, die erfolglos blieb. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 964 abgedruckt.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts.

Sie beantragt sinngemäß, das FG-Urteil und die angefochtenen Änderungsbescheide aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet.

1. Das FA durfte die ursprünglichen Bescheide über die gesonderten Feststellungen der vortragsfähigen Gewerbeverluste auf den 31. Dezember 1990 und den 31. Dezember 1991 gemäß § 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG (zur erstmaligen Anwendung dieser Vorschrift auf Verlustfeststellungsbescheide für den Erhebungszeitraum 1990 s. § 36 Abs. 8 GewStG 1991 i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 1992, BGBl I 1992, 297, BStBl I 1992, 146) ändern. Eine Aufhebung oder Änderung gemäß § 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG ist danach möglich, wenn und soweit sich die Besteuerungsgrundlagen ändern und deshalb der Gewerbesteuermessbescheid (§ 14 Abs. 1 GewStG) für denselben Erhebungszeitraum zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern ist. So verhält es sich im Streitfall.

Zwar ist der Klägerin einzuräumen, dass Besteuerungsgrundlagen i.S. von § 6 Satz 1 GewStG --neben dem hier unbeachtlichen Gewerbekapital (§ 12 GewStG)-- nur der nach Maßgabe von § 7 GewStG ermittelte Gewerbeertrag und nicht der Gewerbefehlbetrag des § 10a GewStG ist. Es trifft ferner zu, dass sich der Gewerbeertrag ebenso wenig wie der Gewerbefehlbetrag tatsächlich geändert haben. Geändert hat sich lediglich die --rechtliche-- Zuordnung der in diesem Erhebungszeitraum gemäß § 10a Satz 1 GewStG zu kürzenden Fehlbeträge: Die im Rahmen der atypisch stillen Gesellschaft als Mitunternehmerschaft aufgelaufenen Fehlbeträge wurden infolge der --zutreffenden und zwischen den Beteiligten unstreitigen-- Rechtsauffassung des FA nicht mehr bei der Klägerin berücksichtigt, weil es an der hierfür erforderlichen Unternehmeridentität fehlte. Für die sich aus § 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG ergebende Befugnis, die gesonderten Feststellungen der verbleibenden vortragsfähigen Fehlbeträge aufzuheben oder zu ändern, bleibt beides jedoch ohne Auswirkung.

a) Denn als Besteuerungsgrundlagen im Sinne dieser Vorschrift sind nicht die für die Ermittlung des Steuermessbetrages gemäß § 11 Abs. 1 GewStG maßgebenden Besteuerungsgrundlagen des § 6 Satz 1 GewStG --und damit im Hinblick auf die gesonderte Feststellung der vortragsfähigen Fehlbeträge nur der Gewerbeertrag vor Abzug der Gewerbeverluste-- zu verstehen. Vielmehr sind Besteuerungsgrundlagen gemäß § 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG solche i.S. von § 157 Abs. 2 AO 1977, zu denen die abziehbaren Fehlbeträge i.S. von § 10a Satz 2 GewStG gehören (im Ergebnis ebenso Hofmeister in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 16. Aufl., § 35b GewStG Rz. 53 f.; Lenski/Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, § 35b Rz. 22 f.; vgl. auch Senatsurteil vom 9. Juni 1999 I R 92/98, BFHE 189, 183, BStBl II 1999, 733, unter 1. a.E. der Entscheidungsgründe). Für diese Sichtweise spricht der Gesetzeswortlaut in Gestalt der Verwendung des Plurals "Besteuerungsgrundlagen". Würde man allein auf den Gewerbeertrag abstellen --gleichviel, ob vor oder nach Abzug von Fehlbeträgen--, so bliebe dies ohne Sinn. Dafür spricht zudem, dass andernfalls § 35b Abs. 2 Satz 3 GewStG weitgehend leerliefe: Dessen Voraussetzungen wären nicht erfüllt, falls sich zwar der Gewerbeertrag vor Verlustabzug und der Verlustabzug ändern, der Saldo beider Rechengrößen jedoch weiterhin null beträgt.

b) Gleichermaßen ist es unbeachtlich, weshalb sich die Besteuerungsgrundlagen ändern. Die Ursachen hierfür können im Tatsächlichen oder in einem Versehen begründet sein, ebenso aber auch im Rechtlichen und damit in einer geänderten rechtlichen Zurechnung der vortragsfähigen Fehlbeträge. Erforderlich ist lediglich, dass sich die Änderung auf den Steuermessbescheid auswirkt und dieser "deshalb" zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern ist (vgl. insoweit zu der insoweit gleichgelagerten Rechtslage gemäß § 10d Abs. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--; von Groll in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 10d Rdnr. D 100). Dass auch die gesonderte Feststellung der vortragsfähigen Fehlbeträge deren Zurechnung zum Steuerpflichtigen voraussetzt (vgl. erneut zu der Parallelvorschrift des § 10d Abs. 3 Satz 1 EStG; von Groll in Kirchhof/Söhn, a.a.O., § 10d Rdnr. D 60), steht dem nicht entgegen. Festzustellen ist gemäß § 10a Satz 2 GewStG nur die Höhe der vortragsfähigen Fehlbeträge. Die Zurechnungsentscheidung wird insoweit durch die Zurechnung im zugrunde liegenden Messbescheid vorgegeben und gehört nicht zum eigenständigen Regelungsgehalt der gesonderten Feststellung. Folglich schlägt eine abweichende Beurteilung der Zurechnungsfrage im Messbescheid über § 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG verfahrensrechtlich auf die gesonderte Feststellung durch.

2. Da dem Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 1990 sowohl bezogen auf den Messbescheid des nachfolgenden Erhebungszeitraumes als auch bezogen auf den nachfolgenden gesonderten Feststellungsbescheid Bindungswirkung zukommt (vgl. Senatsurteil in BFHE 189, 183, BStBl II 1999, 733, m.w.N.; Hofmeister in Blümich, a.a.O., § 35b GewStG Rz. 50; von Twickel, daselbst, § 10a GewStG Rz. 50), wirkt sich die Aufhebung der Feststellungsbescheide auf den 31. Dezember 1990 und auf den 31. Dezember 1991 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 184 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 entsprechend aus: Auch der Feststellungsbescheid auf den 31. Dezember 1992 sowie der Messbescheid 1992 waren hiernach wie geschehen zu ändern.



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