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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 17.09.2003
Aktenzeichen: I R 8/02
Rechtsgebiete: GewStG 1991


Vorschriften:

GewStG 1991 § 9 Nr. 1 Satz 2
Die Verwaltung bereits fertig gestellter fremder Gebäude ist als Betreuung von Wohnungsbauten i.S. des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 1991 anzusehen, auch wenn diese Gebäude vom Grundstücksunternehmen nicht selbst errichtet worden sind (Abgrenzung zum Senatsurteil vom 30. Juli 1969 I R 21/67, BFHE 96, 362, BStBl II 1969, 629; gegen Abschn. 62 Abs. 1 Nr. 2 Satz 21 GewStR 1990/Abschn. 60 Abs. 1 Nr. 3 Satz 18 GewStR 1998).
Gründe:

I.

Unternehmensgegenstand der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer eingetragenen Genossenschaft, ist die Vermietung und Verpachtung von eigenen Wohngebäuden und Wohnungen. In den Streitjahren 1993 und 1994 verwaltete sie außerdem insgesamt 14 fremde Eigentumswohnungen, die sie nicht selbst errichtet hatte. Der Umsatz der Klägerin aus der Verwaltung dieser 14 fremden Eigentumswohnungen betrug in 1993 5 040 DM und in 1994 4 620 DM. Dies entsprach für 1993 0,0196 v.H. und für 1994 0,016 v.H. des jeweiligen Umsatzes aus der Hausbewirtschaftung (in 1993: 25,5 Mio. DM; in 1994: 26,6 Mio. DM).

Die Klägerin beantragte die erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG 1991), die ihr der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) unter Hinweis auf die Verwaltung fremden Grundbesitzes und Abschn. 62 Abs. 1 Nr. 2 Satz 21 der Gewerbesteuer-Richtlinien (GewStR 1990)/Abschn. 60 Abs. 1 Nr. 3 Satz 18 GewStR 1998 versagte.

Die dagegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf gab ihr mit Urteil vom 23. November 2001 18 K 4218/97 G statt; das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 483 abgedruckt.

Seine Revision stützt das FA auf Verletzung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 1991.

Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet.

1. Nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 1991 können Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Kaufeigenheime, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen errichten und veräußern, auf Antrag den Gewerbeertrag statt um einen bestimmten Hundertsatz des Einheitswerts des Grundbesitzes um den Teil des Gewerbeertrags kürzen, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt.

2. Zwischen den Beteiligten steht außer Streit, dass es sich bei der Klägerin um ein grundstücksverwaltendes Unternehmen handelt, welches diese tatbestandlichen Voraussetzungen insoweit erfüllt, als sie eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt. Die Beteiligten streiten jedoch darüber, ob die daneben ausgeübte Vermietung der 14 fremden Eigentumswohnungen als zwar nicht von § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 1991 begünstigte, aber dennoch unschädliche "Betreuung von Wohnungsbauten" anzusehen ist. Die Klägerin bejaht dies. Die Finanzverwaltung (Abschn. 62 Abs. 1 Nr. 2 Satz 21 GewStR 1990/Abschn. 60 Abs. 1 Nr. 3 Satz 18 GewStR 1998) und damit auch das FA sind hingegen --in Anlehnung an das Senatsurteil vom 30. Juli 1969 I R 21/67 (BFHE 96, 362, BStBl II 1969, 629)-- der Auffassung, fertig gestellte fremde Wohnungsbauten könnten nur dann i.S. von § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 1991 "betreut" werden, wenn sie von dem verwaltenden Unternehmen selbst errichtet worden seien. Die Vorinstanz hat diese Verwaltungsauffassung zu Recht abgelehnt. "Betreute Wohnungsbauten" i.S. des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 1991 können auch solche fremden Wohnungsbauten sein, die nicht von dem Wohnungsbauunternehmen errichtet worden sind (ebenso z.B. Stäuber in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, § 9 Nr. 1 Rz. 168; Gosch in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 9 GewStG Rz. 96; Hofbauer, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1983, 598, 601; anders Jonas/Müller, DStR 1988, 623; Güroff in Glanegger/ Güroff, Gewerbesteuergesetz, 5. Aufl., § 9 Nr. 1 Rz. 29; vom Senat im Urteil in BFHE 96, 362, BStBl II 1969, 629 im Ergebnis offen gelassen).

Entgegenstehendes lässt sich weder dem Regelungswortlaut noch dem Regelungszweck des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 1991 entnehmen. Das Gesetz spricht lediglich von der "Betreuung von Wohnungsbauten" ohne jede Beschränkung auf die Eigentumsverhältnisse, die Person des Herstellers oder den Zustand während oder nach der Fertigstellung. Der Umstand, dass daneben auch die Errichtung und Veräußerung von Kaufeigenheimen, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen kürzungsunschädlich ist, deutet im Gegenteil darauf hin, dass beide erlaubten Tätigkeitsbereiche --zum einen die Betreuung der Wohnungsbauten, zum anderen deren Errichtung-- unverbunden nebeneinander stehen. Der Sinnzusammenhang der Vorschrift gebietet nichts anderes. Insbesondere trifft es nicht zu, wie es das FA meint, dass sich die gesetzliche Erwähnung der "betreuten" Wohnungsbauten neben der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 1991 anderweitig erübrigt hätte. Im Gegenteil bedarf es dieser Erwähnung, um dem Grundstücksunternehmen einerseits die --ausnahmsweise-- "Betreuung" auch fremder Wohnungsbauten als für die Gewährung der erweiterten Kürzung unschädliche Nebentätigkeit zu ermöglichen, und andererseits, um sicherzustellen, dass diese unschädliche Nebentätigkeit nicht ungeachtet ihres regelmäßig gewerblichen Charakters ihrerseits begünstigt wird (vgl. § 9 Nr. 1 Satz 2 letzter Satzteil GewStG 1991; Stäuber in Lenski/Steinberg, a.a.O., § 9 Nr. 1 Rz. 169; Gosch in Blümich, a.a.O., § 9 GewStG Rz. 98; Hofbauer, DStR 1983, 598, 602). Durch die vom FA alternativ erwogene tatbestandliche Verkürzung auf "Unternehmen, die ausschließlich Grundbesitz verwalten ..." im Eingangsteil des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 1991 wäre dies nicht hinreichend klar zum Ausdruck gekommen. Dies betrifft jedenfalls die seit dem Erhebungszeitraum 1982 geltende Rechtslage. Ob die Regelung nach früherer Rechtslage ggf. in eingeschränkter Weise zu verstehen war, weil danach auch derjenige Teil des Gewerbeertrages, der auf die unschädlichen Nebentätigkeiten entfiel, von der erweiterten Kürzung begünstigt wurde (vgl. dazu im Einzelnen Gosch in Blümich, a.a.O., § 9 GewStG Rz. 42 f., 85 ff.), kann im Streitfall dahinstehen.

Im Übrigen wird abweichend von der begünstigten Haupttätigkeit der Grundstücksunternehmen --die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes-- nicht jede Verwaltung und Nutzung von jedem Grundbesitz erlaubt. Die erlaubte, aber nicht begünstigte Nebentätigkeit beschränkt sich in dem hier in Rede stehenden Punkt vielmehr auf die "Betreuung" von "Wohnungsbauten". Unter Betreuung in diesem Sinne ist die Baubetreuung bei der Errichtung von Wohngebäuden gleichermaßen aber auch die Bewirtschaftungsbetreuung des bereits fertig gestellten Gebäudes (vgl. § 37 des --zwischenzeitlich aufgehobenen (Art. 2 des Gesetzes zur Reform des Wohnungsbaurechts vom 13. September 2001, BGBl I 2001, 2376)-- II. Wohnungsbaugesetzes --Wohnungsbau- und Familienheimgesetz-- i.d.F. vom 14. August 1990, BGBl I 1990, 1730), also die Tätigkeit des Grundstücksunternehmens als Verwalter von Wohnungseigentumsanlagen i.S. der §§ 26 ff. des Gesetzes über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht --Wohnungseigentumsgesetz-- zu verstehen (Gosch in Blümich, a.a.O., § 9 GewStG Rz. 97; Hofbauer, DStR 1983, 598, 602). Die Tätigkeit der Klägerin hat nach den --den Senat bindenden (vgl. § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--)-- Feststellungen des FG diesen Bereich in den Streitjahren nicht überschritten.

Die erweiterte Kürzung war ihr nach allem zu gewähren, ohne dass es noch auf den (absoluten und relativen) Umfang dieser Tätigkeit im Vergleich zu der eigentlichen Haupttätigkeit ankäme (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 17. Oktober 2002 I R 24/01, BFHE 200, 54, BStBl II 2003, 355 einerseits, Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 27. Februar 2002 IV S 7-10/01, BFH/NV 2002, 1052 andererseits).



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