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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 25.01.2005
Aktenzeichen: I R 8/04
Rechtsgebiete: KStG
Vorschriften:
KStG § 4 Abs. 1 | |
KStG § 8 Abs. 3 Satz 2 |
Gründe:
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Stadt, unterhielt seit 1968 und so auch in den Streitjahren 1993 und 1994 einen Bäderbetrieb als Betrieb gewerblicher Art (BgA) i.S. des § 4 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG). In den Jahren 1968 bis 1988 erzielte der BgA Verluste in Höhe von insgesamt 55 086 786 DM. Der BgA vereinnahmte im Rahmen des Finanzierungsbedarfs laufend Gelder aus dem Gesamthaushalt der Klägerin. Mit Wirkung zum 1. Januar 1989 legte diese eine Beteiligung im Nennwert von 20 000 000 DM (dies entsprach 1/6 des Grundkapitals) einer AG in den BgA ein, der die Beteiligung in der Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 1989 als Finanzanlage auswies und mit einem Wert von 122 000 000 DM aktivierte. In den Jahren 1989 bis 1993 stellten sich die Jahresergebnisse des BgA unter Berücksichtigung der Beteiligungseinkünfte wie folgt dar:
1989 | ./. 750 541 DM | (rechnerisch richtig ./. 744 541 DM) |
1990 | + 82 484 DM | |
1991 | ./. 359 684 DM | |
1992 | ./. 1 043 312 DM | |
1993 | ./. 1 978 511 DM |
Im Streitjahr 1994 erzielte der BgA der Klägerin einen Gewinn in Höhe von 44 779 823 DM. Darin enthalten war eine auf den BgA entfallende anteilige Gewinnausschüttung in Höhe von 50 222 909 DM, die auf einem am 22. Juni 1994 von den Aktionären der AG gefassten Gewinnverwendungsbeschluss beruhte. In den nachfolgenden Jahren erzielte die Klägerin unter Berücksichtigung der Beteiligungseinkünfte folgende Gewinne (Jahresüberschüsse zuzüglich Steuern vom Einkommen) bzw. Verluste:
1995 | ./. 985 133 DM | |
1996 | ./. 2 197 643 DM | |
1997 | + 4 899 046 DM | |
1998 | ./. 2 156 244 DM | |
1999 | + 2 334 315 DM | |
2000 | ./. 749 463 DM | |
2001 | + 11 730 020 DM, | nach Durchführung einer Bilanzberichtigung |
+ 12 591 861 DM |
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) vertrat die Auffassung, der BgA werde mit Gewinnerzielungsabsicht unterhalten und unterliege deshalb der Gewerbesteuer.
Die Klage gegen die hiernach ergangenen Gewerbesteuermessbescheide, durch die das FA Messbeträge von 942 DM (für 1993) und von 1 064 DM (für 1994) festsetzte, war erfolgreich. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf vom 10. Juli 2003 10 K 2561/00 G ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2003, 1408 abgedruckt.
Seine Revision stützt das FA auf Verletzung materiellen Rechts.
Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Im Streitfall kann die Rechtsfrage entscheidungserheblich sein, ob das Unterhalten eines strukturell dauerdefizitären BgA durch eine Gebietskörperschaft (hier: das Unterhalten des Bäderbetriebs einer Stadt) ohne Verlustausgleich und angemessenen Gewinnaufschlag durch die Trägerkörperschaft zur Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) führt.
1. Zutreffend gehen die Verfahrensbeteiligten im Ausgangspunkt davon aus, dass der BgA gemäß § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG 1991) i.V.m. § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG 1990) und § 2 Abs. 1 Satz 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung 1991 in den Streitjahren nur dann der Gewerbesteuer unterliegt, wenn er mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wurde (s. Senatsurteil vom 27. Juni 1990 I R 166/85, BFH/NV 1991, 628). Unter Gewinnerzielungsabsicht ist --auch dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig-- die Absicht zu verstehen, einen Totalgewinn zu erzielen (s. Senatsurteile in BFH/NV 1991, 628; vom 16. Dezember 1998 I R 137/97, BFH/NV 1999, 1250).
Nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten betrieb die Klägerin den BgA jedenfalls bis 1988 ohne Gewinnerzielungsabsicht. Für die Richtigkeit dieser Auffassung spricht, dass die Klägerin in diesen Jahren durch den BgA erhebliche Verluste erlitt, da die Aufwendungen für den Bäderbetrieb bei weitem nicht durch die Eintrittsgebühren gedeckt wurden, und dass sie den verlustbehafteten Betrieb dennoch über viele Jahre weiterführte. Dagegen ließe sich einwenden, dass die mangelnde Gewinnerzielung marktbedingt und nicht auf entsprechende Zielvorstellungen der Klägerin zurückzuführen war (z.B. Mohl, Kommunale Steuer-Zeitschrift 1999/2000, 144). Dagegen könnte jedenfalls vom 1. Januar 1989 an auch die Einlage der Beteiligung an der AG sprechen. Die daraus resultierenden und zumindest in den Streitjahren absehbaren Erträge ließen möglicherweise für die Zukunft einen Totalgewinn erwarten (vgl. auch Senatsbeschluss vom 25. Juli 2002 I B 52/02, BFH/NV 2002, 1341).
2. Im Einzelnen könnte dies jedoch dahinstehen, wenn die in der Vergangenheit --vor den Streitjahren-- entstandenen Verluste die Folge verdeckter Gewinnausschüttungen (vGA) waren. Die Annahme einer fehlenden Gewinnerzielungsabsicht stünde damit nicht in Einklang.
a) Gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG sind bei der Ermittlung des Einkommens vGA zu berücksichtigen; sie mindern das Einkommen nicht. Für die Ermittlung des Gewerbeertrages gilt Entsprechendes (§ 7 Satz 1 GewStG 1991).
Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht (vgl. z.B. Senatsurteil vom 7. August 2002 I R 2/02, BFHE 200, 197, BStBl II 2004, 131). Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der Bundesfinanzhof (BFH) eine Veranlassung der Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (Senatsurteil vom 16. März 1967 I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626). § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG findet auch auf BgA und ihre Trägerkörperschaften und damit auf den Kläger als kommunalen Zweckverband i.S. des § 4 Abs. 1 und 3 KStG Anwendung (vgl. Senatsurteile vom 14. Juli 2004 I R 9/03, BFHE 207, 142; vom 28. Januar 2004 I R 87/02, BFHE 205, 181; vom 10. Juli 1996 I R 108, 109/95, BFHE 181, 277, BStBl II 1997, 230, m.w.N.).
b) Die Klägerin erlitt mit ihrem BgA fortlaufend und auch in den Streitjahren Verluste. Der von ihr unterhaltene Bäderbetrieb ist nach den tatrichterlichen Feststellungen des FG, die den Senat binden (vgl. § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), strukturell verlustbringend. Abhilfe könnte nach Lage der Dinge nur ein monetärer Verlustausgleich durch die Trägerkörperschaft bringen. Auf einen derartigen Ausgleich würde ein gedachter ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter, an dessen Verhalten sich prinzipiell auch die Klägerin messen lassen muss, aber nicht verzichten. Ein solcher wäre nach Lage der Dinge nicht bereit, Leistungen zu erbringen, die an sich der Trägerkörperschaft obliegen und dafür auf Dauer Verluste hinzunehmen. Er würde vielmehr zusätzlich für die Erbringung der Leistungen einen angemessenen Gewinnaufschlag in Rechnung stellen (z.B. Senatsurteile in BFHE 207, 142; in BFHE 205, 181; Gosch, Körperschaftsteuergesetz, § 8 Rz. 1039; Klingebiel in Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, Anh. zu § 8 Abs. 3 KStG n.F., Rz. 11; anders Frotscher in Frotscher/Maas, Körperschaftsteuergesetz, Anh. zu § 8 KStG, ABC der verdeckten Gewinnausschüttung, Stichwort "Betrieb gewerblicher Art").
c) Die Rechtslage ist allerdings nicht zweifelsfrei.
aa) Der Senat verlangt für die Annahme einer vGA auf der Ebene der Körperschaft, dass sich daraus beim Gesellschafter oder --im Falle eines BgA-- bei der Trägerkörperschaft objektiv ein zurechenbarer (materieller) Vorteil i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG (vgl. zwischenzeitlich auch § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG, eingefügt durch Art. 1 Nr. 12 des Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung vom 23. Oktober 2000, BGBl I 2000, 1433) ergeben kann (vgl. z.B. Senatsurteil in BFHE 200, 197, BStBl II 2004, 131). Es ließe sich einwenden, dass der BgA mit der Unterhaltung des Bäderbetriebs allgemeine öffentliche Leistungen an die Bürger erbringt und nicht im engeren Sinne (kommunale Pflicht-)Aufgaben der Trägerkörperschaft wahrnimmt, die geeignet wären, bei dieser einen Vorteil auszulösen (vgl. zu dieser Unterscheidung Hölzer, Der Betrieb --DB-- 2003, 2090, 2091 f.; ähnlich Storg/ Vierbach, Betriebs-Berater 2003, 2098, 2104). Geht man demgegenüber davon aus, dass das Unterhalten des Bäderbetriebs zu den eigenen Aufgaben der Trägerkörperschaft im Rahmen der ihr übertragenen kommunalen Daseinsvorsorge gehört, erspart sie durch das Tätigwerden des BgA andernfalls entstandenen Aufwand. Dass die Aufgaben freiwillig, nicht jedoch gezwungenermaßen übernommen werden, muss dem ebenso wenig entgegenstehen wie der Umstand, dass der BgA einen insoweit altruistischen, ideellen Zweck verfolgt und dass das "tragende Motiv" für sein Tätigwerden die "Befriedigung der Bedürfnisse der Bürger" ist (vgl. Gosch, a.a.O., § 8 Rz. 1039, m.w.N.).
Aus steuerlicher Sicht dürfte es gleichermaßen unbeachtlich sein, ob der Bäderbetrieb sich für die Kommune unbeschadet der steuerlichen Mehrbelastung noch wirtschaftlich tragen lässt oder welche Konsequenzen sich für die Nutzer der Bäder ergeben. Es ist im Regelfall nicht Aufgabe des Steuerrechts, die kommunale Wahrnehmung daseinsvorsorgender Aufgaben (vgl. Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes --GG--) und insbesondere die kostengünstige Versorgung der Bevölkerung mit den Annehmlichkeiten öffentlicher Bäder sicherzustellen oder zu fördern. Ausnahmen werden sich insofern allenfalls dann rechtfertigen lassen, wenn der BgA durch die öffentlich-rechtliche Regelungslage verpflichtet ist, das Kostendeckungsprinzip einzuhalten (vgl. Senatsurteile vom 29. März 2000 I R 32/99, BFHE 192, 59, BStBl II 2000, 496, 498, für ein kommunales Unternehmen der Daseinsvorsorge in Gestalt der öffentlichen Abwasserentsorgung; vom 17. November 1999 I R 4/99, BFH/NV 2000, 1502). Über einen derartigen Sachverhalt ist hier indes nicht zu urteilen. Aus dem in Art. 28 Abs. 2 GG garantierten Recht zur kommunalen Selbstverwaltung lässt sich dergleichen nicht ableiten. Der von der Klägerin herangezogene Vergleich des BgA mit einer gemeinnützigen Körperschaft hilft ebenfalls nicht weiter, und zwar schon deswegen nicht, weil auch eine solche Körperschaft im Grundsatz verdeckt Gewinne an ihre Gesellschafter ausschüttet, wenn sie deren Aufgaben übernimmt und dafür Verluste in Kauf nimmt. Schließlich spricht das Vorliegen von vGA nicht gegen die prinzipiell auch einer kommunalen Trägerkörperschaft zustehende Möglichkeit, Gewinn- und Verlustbetriebe zusammenzufassen (vgl. dazu Senatsurteil in BFHE 207, 142).
bb) Bei einem BgA, der nicht in einer privatrechtlichen Gesellschaftsform, sondern in rechtlich unselbständiger Weise betrieben wird, könnte allerdings dem Umstand Bedeutung beizumessen sein, dass ein solcher Betrieb strukturell nur auf Einnahme-, nicht aber auf Gewinnerzielung angelegt ist. Er wird --nicht zuletzt aus Gründen der Wettbewerbsneutralität-- auch ohne Vorhandensein einer Gewinnerzielungsabsicht besteuert (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 KStG). Darin könnte ohne Rücksicht auf Wettbewerbsgesichtspunkte die gesetzliche "Akzeptanz" dauerdefizitäter BgA zu sehen sein. Misst man das Verhalten eines BgA gleichwohl an demjenigen eines gedachten ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters, verlangt man neben einem vollen Verlustausgleich einen angemessenen Gewinnaufschlag und nähme man andernfalls in entsprechendem Umfang eine vGA an, so könnte dies mit den gesetzlichen Wertungsvorgaben des § 4 Abs. 1 Satz 2 KStG kollidieren und infolge dessen Wertungswidersprüche nach sich ziehen (so Hölzer, DB 2003, 2090, 2092).
3. Von der Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage hängt der Ausgang des Rechtsstreits ab. In Anbetracht dessen wirtschaftlicher Bedeutung für einschlägig betroffene Gebietskörperschaften hält der Senat es für zweckmäßig, wenn das Bundesministerium der Finanzen (BMF) zu dieser Frage Stellung nimmt. Das BMF wird deswegen gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 FGO aufgefordert, dem Verfahren beizutreten.
Ende der Entscheidung
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