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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 10.06.2009
Aktenzeichen: I R 80/08
Rechtsgebiete: FGO, StSenkG, KStG, GmbHG


Vorschriften:

FGO § 126 Abs. 2
StSenkG Art. 3 Nr. 10
KStG a.F. § 7 Abs. 4 Satz 3
KStG a.F § 27 Abs. 3 S. 1
KStG a.F. § 34 Abs. 1
KStG a.F. § 34 Abs. 1a
KStG n.F § 34 Abs. 12
GmbHG § 71 Abs. 1
GmbHG § 71 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Gewinnausschüttung zur Herstellung der Ausschüttungsbelastung gemäß § 27 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1999 führt.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH. Ihre Gesellschafter beschlossen am 15. Dezember 2000 die Auflösung der Gesellschaft. Durch Beschluss vom 12. Dezember 2001 hoben sie die Liquidation auf, nachdem sich die Möglichkeit zur Veräußerung der Geschäftsanteile ergeben hatte.

Am 5. Dezember 2001 stellte die Gesellschafterversammlung den Jahresabschluss für ein vom 1. Januar 2000 bis zum 14. Dezember 2000 dauerndes Rumpfgeschäftsjahr fest. Zudem beschloss sie die Ausschüttung einer (Brutto-)Dividende in Höhe von 8 700 734 DM, die noch im Jahr 2001 ausgezahlt wurde. Zugleich wurde der genannte Jahresabschluss in der Weise geändert, dass die Ausschüttung berücksichtigt wurde. Am 17. Dezember 2001 stellte die Gesellschafterversammlung einen Jahresabschluss für ein Rumpfgeschäftsjahr vom 15. Dezember 2000 bis zum 12. Dezember 2001 fest; ein weiterer Jahresabschluss wurde für ein vom 13. Dezember 2001 bis zum 31. Dezember 2001 laufendes Rumpfgeschäftsjahr erstellt.

In ihrer Steuererklärung für das Streitjahr (2000) machte die Klägerin eine durch die Ausschüttung bedingte Minderung der Körperschaftsteuer um 1 849 244 DM geltend. Diesen Minderungsbetrag berücksichtigte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) in den angefochtenen Bescheiden nicht. Der deshalb erhobenen Klage hat das Finanzgericht (FG) stattgegeben (FG Köln, Urteil vom 23. Juli 2008 13 K 3714/04); sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1819 abgedruckt.

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA eine Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet und deshalb gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat die angefochtenen Bescheide zu Recht dahin geändert, dass es bei der Festsetzung der Körperschaftsteuer für das Streitjahr und bei der streitgegenständlichen gesonderten Feststellung die Herstellung der Ausschüttungsbelastung berücksichtigt hat.

1.

Nach § 27 Abs. 1 KStG 1999 mindert oder erhöht sich die Körperschaftsteuer einer unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaft um den Unterschiedsbetrag zwischen der bei ihr eingetretenen Belastung des Eigenkapitals, das als für die Ausschüttung verwendet gilt (Tarifbelastung), und der sich hierfür bei Anwendung eines Steuersatzes von 30% ergebenden Steuer (Ausschüttungsbelastung). Beruht die Ausschüttung auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluss für ein abgelaufenes Wirtschaftsjahr, so tritt die Minderung oder Erhöhung für den Veranlagungszeitraum ein, in dem das Wirtschaftsjahr endet, für das die Ausschüttung erfolgt (§ 27 Abs. 3 Satz 1 KStG 1999). Diese Regelung greift im Streitfall ein:

Nach den Feststellungen des FG hat das dafür zuständige Organ der Klägerin im Jahr 2001 einen den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Beschluss über eine Gewinnausschüttung gefasst. Die beschlossene Ausschüttung sollte für ein vom 1. Januar 2000 bis zum 14. Dezember 2000 laufendes Rumpfwirtschaftsjahr erfolgen. Dieses Rumpfwirtschaftsjahr war entstanden, da am 15. Dezember 2000 die Liquidation der Klägerin begonnen hatte und für den Zeitraum vor Beginn der Auflösung ein Rumpfwirtschaftsjahr gebildet werden muss, wenn die Auflösung während eines laufenden Geschäftsjahres beginnt (Senatsurteile vom 17. Juli 1974 I R 233/71, BFHE 113, 112, BStBl II 1974, 692; vom 22. Oktober 1998 I R 15/98, BFH/NV 1999, 829); einer Zustimmung des FA gemäß § 7 Abs. 4 Satz 3 KStG 1999 bedurfte es in diesem Zusammenhang nicht (vgl. Senatsurteil in BFHE 113, 112, 115, BStBl II 1974, 692, 693; H. Klein in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, § 11 KStG Rz 42). Schließlich war das Rumpfwirtschaftsjahr, dem die Ausschüttung zugeordnet war, im Zeitpunkt des Beschlusses abgelaufen. Damit sind auf der Basis des § 27 KStG 1999 die Voraussetzungen für eine im Streitjahr wirkende Herstellung der Ausschüttungsbelastung erfüllt, die zu einer Minderung der Körperschaftsteuer führt.

2.

Das FA geht davon aus, dass § 27 KStG 1999 aus zeitlichen Gründen nicht anwendbar sei. Dem ist das FG zu Recht nicht gefolgt.

a)

§ 27 KStG 1999 in seiner vorstehend beschriebenen Fassung ist durch das Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (StSenkG) vom 23. Oktober 2000 (BGBl. I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428) aufgehoben worden (Art. 3 Nr. 10 StSenkG). Das KStG 1999 i.d.F. des StSenkG ist erstmals im Veranlagungszeitraum 2001 anzuwenden (§ 34 Abs. 1 KStG 1999 i.d.F. des StSenkG). Es ist bei vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahren erstmals für den Veranlagungszeitraum 2002 anzuwenden, wenn das erste im Veranlagungszeitraum 2001 endende Wirtschaftsjahr vor dem 1. Januar 2001 beginnt (§ 34 Abs. 1a KStG 1999 i.d.F. des StSenkG). Schließlich bestimmt § 34 Abs. 12 des heute geltenden KStG (KStG n.F.), dass die Vorschriften des Vierten Teils des KStG 1999 letztmals für Gewinnausschüttungen anzuwenden sind, die auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnausschüttungsbeschluss für ein abgelaufenes Wirtschaftsjahr beruhen und in dem ersten Wirtschaftsjahr erfolgen, das in dem Veranlagungszeitraum endet, für den das KStG 1999 i.d.F. des StSenkG erstmals anzuwenden ist. Zu den damit bezeichneten Vorschriften des Vierten Teils des KStG 1999 zählt u.a. § 27 KStG 1999.

b)

Im Streitfall greift nach diesen Regelungen § 27 KStG 1999 ein.

aa)

Nach § 34 Abs. 12 KStG n.F. hängt die zeitliche Anwendbarkeit des § 27 KStG 1999 u.a. davon ab, für welchen Veranlagungszeitraum im Einzelfall das KStG 1999 i.d.F. des StSenkG erstmals anzuwenden ist. Das ist im Streitfall der Veranlagungszeitraum 2002. Dies wiederum folgt aus § 34 Abs. 1a KStG 1999 i.d.F. des StSenkG. Denn das erste im Veranlagungszeitraum 2001 endende Wirtschaftsjahr der Klägerin hat mit dem Beginn der Liquidation am 15. Dezember 2000 begonnen und es hat mit der Aufhebung der Liquidation am 12. Dezember 2001 geendet.

aaa)

Der Begriff "Wirtschaftsjahr" ist gesetzlich nicht definiert. Aus § 7 Abs. 4 KStG 1999, § 4a des Einkommensteuergesetzes und § 8b Satz 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung ist aber abzuleiten, dass der Beginn und das Ende eines Wirtschaftsjahres bei Bestehen einer handelsrechtlichen Buchführungspflicht vom Abschlussverhalten des Steuerpflichtigen bestimmt werden und dass das Wirtschaftsjahr die Dauer eines Zeitjahres nicht überschreiten darf (Senatsurteil vom 17. Juli 2008 I R 12/08, BFHE 222, 423, BStBl II 2009, 160).

bbb)

Beschließen die Gesellschafter einer GmbH deren Auflösung, so muss nach § 71 Abs. 1 und 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) für den Beginn der Liquidation eine Bilanz (Eröffnungsbilanz) aufgestellt und beschlossen werden. Sodann ist für den Schluss eines jeden Jahres ein Jahresabschluss aufzustellen (§ 71 Abs. 1 GmbHG). Beginnt die Liquidation nicht zu Beginn eines Kalenderjahres, sondern in dessen weiterem Verlauf, so muss der Jahresabschluss regelmäßig zum Abschluss eines Zeitjahres nach dem Liquidationsbeginn aufgestellt werden (Oberlandesgericht Frankfurt a.M., Beschluss vom 6. Oktober 1976 2 Ss 461/76, Betriebs-Berater 1977, 312; Lutter/Kleindiek in Lutter/ Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 16. Aufl., § 71 Rz 9; Schulze-Osterloh in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 18. Aufl., § 71 Rz 23). Allerdings besteht in einem solchen Fall die Möglichkeit, ein Rumpfgeschäftsjahr zu bilden, das sich mit dem letzten Rumpfgeschäftsjahr der werbenden Gesellschaft zu einem vollen Kalenderjahr ergänzt (Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbH-Gesetz, 5. Aufl., § 71 Rz 12; ähnlich Nerlich in Michalski, GmbH-Gesetz, § 71 Rz 30).

bb)

Im Streitfall wurde von der letztgenannten Möglichkeit nicht Gebrauch gemacht. Denn wie sich aus den revisionsrechtlich bindenden (§ 118 Abs. 2 FGO) Feststellungen des FG ergibt, haben weder die Gesellschafter der Klägerin die Bildung eines Rumpfgeschäftsjahres beschlossen noch die Liquidatoren einen Jahresabschluss auf den 31. Dezember 2000 aufgestellt. Vielmehr bezieht sich der erste Abschluss, der zeitlich nach dem Auflösungsbeschluss erstellt wurde, auf den Stichtag 12. Dezember 2001. Daraus folgt, dass entgegen der Ansicht des FA bei der Klägerin nicht zunächst ein am 15. Dezember 2000 beginnendes und am 31. Dezember 2000 endendes Rumpfwirtschaftsjahr bestanden hat, dem sodann ein am 1. Januar 2001 beginnendes und am 12. Dezember 2001 endendes Rumpfwirtschaftsjahr nachgefolgt ist. Vielmehr ist unter den Gegebenheiten des Streitfalls, dem Abschlussverhalten der Klägerin entsprechend, der Zeitraum vom 15. Dezember 2000 bis zum 12. Dezember 2001 als "Wirtschaftsjahr" i.S. des § 34 Abs. 1a KStG 1999 i.d.F. des StSenkG anzusehen. Dieses Wirtschaftsjahr hat vor dem 1. Januar 2001 begonnen und im Veranlagungszeitraum 2001 geendet, weshalb die Klägerin für das Streitjahr nicht der Besteuerung nach dem KStG 1999 i.d.F. des StSenkG unterliegt.

Das gilt unabhängig davon, ob der während eines laufenden Geschäftsjahres eintretende Liquidationsbeginn zum Beginn eines neuen Geschäftsjahres führt (so z.B. Scholz/Schmidt, GmbHG, 9. Aufl., § 71 Rz 18; Förster/Döring, Liquidationsbilanz, 4. Aufl., 2. Teil, Rz 39) oder ob in der Folge das Geschäftsjahr einerseits und der Abschlusszeitraum andererseits voneinander abweichen (so wohl Schulze-Osterloh in Baumbach/Hueck, a.a.O., § 71 Rz 23). Denn die Bestimmung des steuerrechtlich maßgeblichen "Wirtschaftsjahres" knüpft nicht unmittelbar an den handelsrechtlichen Begriff "Geschäftsjahr", sondern vielmehr daran an, für welchen Zeitraum Abschlüsse erstellt werden. Dabei muss es jedenfalls dann auf die tatsächliche Aufstellung eines Jahresabschlusses ankommen, wenn diese rechtlich zulässig und durch sachliche Gründe --wie im Streitfall durch die Aufhebung der Liquidation-- gerechtfertigt ist. Ob eine willkürliche Vorverlegung des Abschlussstichtags ebenfalls den Lauf eines Wirtschaftsjahres beeinflussen kann, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung.

cc)

Da hiernach das KStG 1999 i.d.F. des StSenkG auf die Besteuerung der Klägerin für den Veranlagungszeitraum 2001 nicht anwendbar ist, unterliegt die im Streitjahr abgeflossene Ausschüttung in zeitlicher Hinsicht der in § 34 Abs. 12 Satz 1 Nr. 1 KStG n.F. getroffenen Regelung. Das gilt selbst dann, wenn der Beginn der Liquidation zur Umstellung des Geschäftsjahres der Klägerin geführt haben und das auf diese Weise entstandene Geschäftsjahr im Anschluss an die Aufhebung der Liquidation fortbestanden haben sollte; dann wäre die Ausschüttung in einem am 13. Dezember 2001 beginnenden und im Veranlagungszeitraum 2002 endenden Geschäftsjahr erfolgt, was für die Anwendung des § 27 Abs. 3 Satz 1 KStG 1999 genügt (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 6. November 2003, BStBl I 2003, 575, Tz. 4 i.V.m. Tz. 5; Frotscher in Frotscher/ Maas, Körperschaftsteuergesetz, Umwandlungssteuergesetz, § 34 KStG Rz 15). Es gilt aber erst recht, wenn --was angesichts des Abschlussverhaltens der Klägerin nahe liegt-- der Zeitraum vom 13. Dezember 2001 bis zum 31. Dezember 2001 als Rumpfwirtschaftsjahr anzusehen ist. Daher muss die Frage, wie sich der Beginn der Liquidation einer GmbH auf den Lauf ihres Geschäftsjahres auswirkt, auch in diesem Zusammenhang nicht erörtert werden.

dd)

Für den Streitfall ohne Bedeutung ist schließlich die Regelung, die in § 34 Abs. 11 KStG 1999 i.d.F. des Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I 2001, 3858, BStBl I 2002, 35) enthalten ist. Denn sie betrifft nur Vorgänge im Rahmen eines Liquidationsverfahrens, während die hier in Rede stehende Ausschüttung im Anschluss an die Aufhebung der Liquidation erfolgt ist. Dieser Phase zuzuordnende Vorgänge werden von der Liquidationsbesteuerung nicht erfasst; sie sind vielmehr nach den allgemeinen Regeln zu besteuern (vgl. Reichsfinanzhof, Urteil vom 7. Mai 1929 I A a 818/28, RFHE 25, 141, RStBl 1929, 512; Frotscher in Frotscher/Maas, a.a.O., § 11 KStG Rz 12).

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