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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 20.12.2006
Aktenzeichen: I R 81/05
Rechtsgebiete: DMBilG, FGO, EStG, KStG, HGB, AO 1977


Vorschriften:

DMBilG § 16 Abs. 3
DMBilG § 16 Abs. 3 Satz 1
DMBilG § 16 Abs. 3 Satz 2
DMBilG § 17 Abs. 5 Satz 4
DMBilG § 35 Abs. 1 Satz 3
DMBilG § 36 Abs. 1
DMBilG § 36 Abs. 2
DMBilG § 36 Abs. 3
DMBilG § 36 Abs. 4 Satz 2
FGO § 40 Abs. 2
FGO § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1
EStG § 4 Abs. 1
EStG § 5 Abs. 1
KStG § 8 Abs. 1
HGB § 249 Abs. 1
AO 1977 § 157 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, ist aus einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) hervorgegangen. Sie hat ein abweichendes Wirtschaftsjahr vom 1. Juli bis 30. Juni. In ihren Bilanzen hatte sie fünf verschiedene Beteiligungen aktiviert, drei davon mit 1 DM, die anderen mit 13 300 DM und 36 300 DM. Sie begehrt eine Neubewertung in der Eröffnungsbilanz nach der sogenannten Equity-Methode (anteiliges Eigenkapital der Beteiligungsgesellschaft).

Ferner hatte die Klägerin 1993 Verträge mit zwei Gläubigerbanken geschlossen, nach denen diese Zahlungen aus am 1. Juli 1990 bestehenden Altkrediten nur verlangen konnten, soweit die Erfüllung aus dem jeweiligen Jahresüberschuss der Klägerin möglich ist. Des Weiteren sollten die Banken im Falle der Auflösung, Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Klägerin hinter alle Gläubiger zurücktreten, die eine solche Erklärung nicht abgegeben haben. Die Klägerin buchte diese Altverbindlichkeiten gemäß § 16 Abs. 3 des D-Markbilanzgesetzes (DMBilG) vom 23. September 1990 (BGBl II 1990, 885, 1169, 1239, BStBl I 1990, 654, 692) in der Eröffnungsbilanz zum 1. Juli 1990 aus und führte sie lediglich im Anhang zur Bilanz nachrichtlich unter "sonstige finanzielle Verpflichtungen".

Die Klägerin verwendete 20 v.H. des Jahresüberschusses der Wirtschaftsjahre 1992/93 und 1993/94 für Zinsen und Tilgung der Altkredite. Diese Leistungen behandelte sie in den drei Wirtschaftsjahren 1994/95 bis 1996/97, da sie nicht gegen eine passivierte Verbindlichkeit zu buchen waren, als Aufwand.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) behandelte demgegenüber die Zahlungen, soweit sie Tilgungen betrafen, als erfolgsneutral. Die Eröffnungsbilanz sei insoweit rückwirkend zu berichtigen und die Verbindlichkeit erfolgsneutral einzubuchen. Eine neue Bewertung der Beteiligung in der Eröffnungsbilanz lehnte das FA ab.

Das Thüringer Finanzgericht (FG) wies die Klage gegen die hiernach ergangenen Körperschaftsteuerbescheide mit Urteil vom 2. Dezember 2004 II 742/02 ab.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung materiellen Rechts.

Sie beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die geänderten Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 1995 bis 1999 dahingehend zu ändern, dass bei der Veranlagung für das Streitjahr 1995 eine Verbindlichkeit in Höhe von 67 539,25 DM steuermindernd berücksichtigt wird und dass die Veranlagung für die Streitjahre unter Berücksichtigung von Beteiligungen in Höhe von 1 055 765,19 DM vorgenommen wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist zum Teil begründet. Sie führt nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit es die Körperschaftsteuer 1995 betrifft, und zu einer anderweitigen Festsetzung der Körperschaftsteuer 1995. Im Übrigen ist die Revision zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

1. Das FG hat es zu Unrecht abgelehnt, für das Streitjahr 1995 die Tilgungsverpflichtungen aus den Jahresüberschüssen der Wirtschaftsjahre 1992/93 und 1993/94 in Höhe von 67 539,25 DM steuermindernd zu berücksichtigen.

a) Die Klägerin hat zutreffend die Darlehensverbindlichkeiten gegenüber den beiden Gläubigerbanken in ihrer Bilanz zum 30. Juni 1993 ausgebucht mit der Folge, dass auch die Eröffnungsbilanz insoweit als geändert gilt (§ 36 Abs. 4 Satz 1 DMBilG).

aa) Nach § 16 Abs. 3 Satz 1 DMBilG sind Verbindlichkeiten in die Eröffnungsbilanz nicht aufzunehmen, wenn eine schriftliche Erklärung des Gläubigers vorliegt, dass er zum einen Zahlung nur verlangen wird, soweit die Erfüllung aus dem Jahresüberschuss möglich ist, und zum anderen im Falle der Auflösung, Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Unternehmens hinter alle Gläubiger zurücktritt, die eine solche Erklärung nicht abgegeben haben. Der Gesamtbetrag solcher Verbindlichkeiten ist im Anhang unter den sonstigen finanziellen Verpflichtungen gesondert anzugeben, soweit sie nicht aufgrund einer Vereinbarung mit dem Unternehmen als nachrangiges Kapital ausgewiesen werden. Abweichend von der Rechtsprechung, nach der Rangrücktrittsvereinbarungen an der Passivierungspflicht grundsätzlich nichts ändern (z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. März 1993 IV R 57/91, BFHE 170, 449, BStBl II 1993, 502; vom 20. Oktober 2004 I R 11/03, BFHE 207, 295, BStBl II 2005, 581; vom 10. November 2005 IV R 13/04, BFHE 211, 294, BStBl II 2006, 618), behandelt die Vorschrift Verbindlichkeiten, die mit einem entsprechenden Rangrücktritt versehen sind, im Ergebnis wie Forderungsverzichte gegen Besserungsschein (vgl. Senatsurteil vom 30. Mai 1990 I R 41/87, BFHE 161, 87, BStBl II 1991, 588; Schreiber in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 5 EStG Rz 920, Stichwort "Besserungsscheine").

bb) Wird --wie im Streitfall-- nach Ablauf der Feststellungsfrist des § 35 Abs. 1 Satz 3 DMBilG eine Verbindlichkeit in eine nachrangige Schuld nach § 16 Abs. 3 Satz 1 DMBilG umgewandelt, so ist der zu hohe Ansatz in der späteren Bilanz zu berichtigen (§ 36 Abs. 3 Satz 3 i.d.F. vom 22. März 1991 --BGBl I 1991, 766-- i.V.m. § 36 Abs. 1 Satz 1 DMBilG). In diesem Fall gilt die Eröffnungsbilanz als geändert (§ 36 Abs. 4 Satz 1 DMBilG). Diese Rückwirkung soll, namentlich der Treuhandanstalt, eine flexible Gestaltung von Unternehmenssanierungen ohne Gewinnauswirkung ermöglichen (BTDrucks 12/103, S. 52).

cc) Dementsprechend hat die Klägerin die Verbindlichkeiten, die Gegenstand der Rangrücktrittsvereinbarungen mit den beiden Gläubigerbanken waren, mit Wirkung zum 1. Juli 1990 aus der Bilanz zum 30. Juni 1993 ausgebucht und entsprechend der Bestimmung in § 16 Abs. 3 Satz 2 DMBilG im Anhang nachrichtlich unter "sonstige finanzielle Verpflichtungen" gesondert aufgeführt.

b) Die Eröffnungsbilanz war nicht insoweit zu berichtigen, als die Darlehensverbindlichkeiten zu den Bilanzstichtagen 30. Juni 1993 und 30. Juni 1994 wieder unbedingt geworden waren. Vielmehr waren diese Verbindlichkeiten erstmals in den Bilanzen zu diesen beiden Stichtagen auszuweisen.

aa) Da die Klägerin die Verbindlichkeiten gegenüber den beiden Gläubigerbanken erfüllen musste, soweit ihr dies aus dem jeweiligen Jahresüberschuss möglich war, entstanden mit Ablauf der Wirtschaftsjahre 1992/93 und 1993/94 passivierungspflichtige Verbindlichkeiten, soweit die Klägerin nach der Vereinbarung mit den Gläubigerbanken zur Zahlung verpflichtet war. Die Klägerin hätte daher, soweit sie aus dem Jahresüberschuss der Wirtschaftsjahre 1992/93 und 1993/94 die Gläubigerbanken bedienen musste, in ihre Bilanzen zum 30. Juni 1993 und 30. Juni 1994 gemäß § 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG), § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) i.V.m. § 249 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) Verbindlichkeiten in dieser Höhe (Zinsen zzgl. 61 683,49 DM --1993-- bzw. 5 855,76 DM --1994-- Tilgungsanteil) aufnehmen müssen.

bb) Die Erfassung dieser Tilgungsverpflichtungen in den Bilanzen zum 30. Juni 1993 und 30. Juni 1994 hätte zu keiner erneuten Korrektur der Eröffnungsbilanz geführt. Denn nach § 36 Abs. 1 und 2 DMBilG können in der Eröffnungsbilanz nur Wertansätze berichtigt werden, die bereits in der Eröffnungsbilanz fehlerhaft angesetzt wurden. Nachträglich eingetretene wertbegründende Umstände sind nur in den Fällen des § 36 Abs. 3 DMBilG rückwirkend zu berücksichtigen. Danach ist --wie ausgeführt-- zwar eine in der Eröffnungsbilanz berücksichtigte Schuld, die nach Ablauf der Feststellungsfrist in eine nachrangige Schuld nach § 16 Abs. 3 oder § 17 Abs. 5 Satz 4 DMBilG umgewandelt wird, mit Wirkung für die Eröffnungsbilanz nicht mehr anzusetzen.

cc) Eine Regelung darüber, wie zu verfahren ist, wenn innerhalb der Berichtigungsfrist des § 36 Abs. 4 Satz 2 DMBilG eine nachrangige Schuld zum Teil wieder unbedingt wird, enthält § 36 Abs. 3 DMBilG jedoch nicht. Aus dieser Regelung oder aus § 16 Abs. 3 DMBilG kann entgegen der Auffassung des FA und des FG (gleicher Ansicht Oberfinanzdirektion --OFD-- Cottbus vom 9. Januar 1998 S 1950 - 1 St 113/S -2230-17- St 113) auch nicht gefolgert werden, dass eine nachrangige Verbindlichkeit in der Eröffnungsbilanz nur unter der auflösenden Bedingung nicht angesetzt wird, dass innerhalb der Frist des § 36 Abs. 4 Satz 2 DMBilG der Besserungsfall nicht eintritt. Hierfür gibt weder der Wortlaut noch der Zweck der Vorschrift --eine erfolgsneutrale Sanierung zu ermöglichen-- einen hinreichenden Anhalt.

c) Hätte die Klägerin die in Rede stehenden Verbindlichkeiten zutreffend erstmals in ihren Bilanzen zum 30. Juni 1993 und 30. Juni 1994 passiviert, so hätten sich daraus für die betreffenden Wirtschaftsjahre entsprechende Gewinnminderungen ergeben. Die Klägerin wies indessen die Darlehen gegenüber den Gläubigerbanken, soweit sie zu diesen Bilanzstichtagen nach der Besserungsabrede wieder erfüllt werden mussten, nicht aus. Da die Veranlagungen der Jahre 1993 und 1994 wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung --AO 1977--) nicht mehr geändert werden können und auch die Frist für eine Berichtigung nach § 36 Abs. 4 Satz 2 DMBilG verstrichen ist, kommt eine Korrektur der Bilanzen bis einschließlich 30. Juni 1994 nicht in Betracht.

d) Die Darlehen sind jedoch im Wege der Bilanzberichtigung erfolgswirksam in die Bilanz zum 30. Juni 1995 einzubuchen.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss ein unrichtiger Bilanzansatz für Zwecke der Veranlagung grundsätzlich im Fehlerjahr und in den Folgejahren richtig gestellt werden. Ist eine solche Berichtigung nicht möglich, weil die Veranlagungsbescheide bestandskräftig sind und keine Änderungsvorschrift für diese Bescheide eingreift, ist grundsätzlich bei der Steuerfestsetzung für ein nachfolgendes Jahr als "Betriebsvermögen zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres" i.S. des § 4 Abs. 1 EStG das der früheren Veranlagung zu Grunde gelegte Betriebsvermögen zu berücksichtigen und der Fehler in der Schlussbilanz des ersten Jahres, für das eine Berichtigung noch möglich ist, erfolgswirksam zu korrigieren. Das folgt aus dem Prinzip des formellen Bilanzenzusammenhangs (BFH-Urteile vom 2. Mai 1984 VIII R 239/82, BFHE 141, 312, BStBl II 1984, 695; vom 8. Dezember 1988 IV R 33/87, BFHE 155, 532, BStBl II 1989, 407; vom 28. April 1998 VIII R 46/96, BFHE 185, 492, BStBl II 1998, 443). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Buchungsfehler in den Vorjahren ohne Auswirkung geblieben ist (z.B. BFH-Urteil vom 29. Oktober 1991 VIII R 51/84, BFHE 166, 431, BStBl II 1992, 512, 515); um einen solchen Fehler geht es hier nicht. Ebenso kann eine erfolgswirksame Korrektur nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ausgeschlossen sein (BFH-Urteil in BFHE 185, 492, BStBl II 1998, 443, m.w.N.).

Da Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin die Bilanzierung der Verbindlichkeit bewusst rechtswidrig unterlassen hätte, nicht ersichtlich sind, folgt hieraus, dass die Darlehen, soweit sie aufgrund der Besserungsabrede aus den Jahresüberschüssen der Wirtschaftsjahre 1992/93 und 1993/94 zurückgezahlt werden mussten (67 539,25 DM), in der Schlussbilanz zum 30. Juni 1995 gewinnmindernd zu erfassen sind.

2. Das FG hat im Ergebnis zutreffend eine Berichtigung der angesetzten Werte für die fünf Beteiligungen abgelehnt. Die Klage ist insoweit unzulässig, weil die Klägerin insoweit durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert ist (§ 40 Abs. 2 FGO). Die von der Klägerin erstrebte erfolgsneutrale Erhöhung der Beteiligungswerte würde zu keiner Änderung der festgesetzten Körperschaftsteuer in den Streitjahren führen, so dass sich das Begehren der Klägerin nur auf die gemäß § 157 Abs. 2 AO 1977 nicht selbständig anfechtbare Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen bezieht.

Allerdings kann ein unrichtiger Bilanzansatz, der sich im Streitjahr nur vorteilhaft für den Steuerschuldner ausgewirkt hat, schon für diesen Veranlagungszeitraum eine Rechtsverletzung i.S. des § 40 Abs. 2 FGO begründen, wenn er in späteren Jahren mit Nachteilen verbunden sein kann (z.B. BFH-Urteile vom 2. März 1966 I 16/65, BFHE 85, 297, BStBl III 1966, 317; vom 12. Dezember 1972 VIII R 39/67, BFHE 108, 278, BStBl II 1973, 323; vom 7. August 1979 VIII R 153/77, BFHE 129, 325, BStBl II 1980, 181; vom 7. November 1989 IX R 190/85, BFHE 159, 439, BStBl II 1990, 460; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 40 Rz 90). Diese Voraussetzung liegt hier aber nicht vor.

Zwar ist der Buchwert einer Beteiligung bedeutsam, wenn die Beteiligung aus dem Betriebsvermögen ausscheidet, etwa veräußert wird. Der Klägerin bleibt es aber unbenommen, zu diesem Zeitpunkt noch geltend zu machen, der Buchwert der Beteiligungen sei abweichend von der Eröffnungsbilanz mit höheren Werten zu erfassen (BFH-Urteil vom 4. April 1974 IV R 7/71, BFHE 112, 331, BStBl II 1974, 522).

3. Da das FG hinsichtlich der Tilgungsverpflichtungen gegenüber den beiden Gläubigerbanken von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, ist sein Urteil, soweit es die Körperschaftsteuerfestsetzung 1995 betrifft, aufzuheben und die Körperschaftsteuer unter einkommensmindernder Berücksichtigung weiterer Verbindlichkeiten in Höhe von 67 539,25 DM anderweitig festzusetzen. Die Berechnung wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).

Ende der Entscheidung

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