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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 26.05.2004
Aktenzeichen: I R 86/03
Rechtsgebiete: KStG, FGO
Vorschriften:
KStG § 8 Abs. 3 Satz 2 | |
FGO § 118 Abs. 2 |
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten über die steuerliche Behandlung einer Gewinntantieme.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer im Streitjahr G war. Diesem hatte sie im Jahr 1990 die Zahlung einer Tantieme zugesagt, die an den Jahresüberschuss nach Abzug eines Verlustvortrags, aber vor Abzug von Körperschaft- und Gewerbesteuer sowie der Tantieme selbst anknüpfen sollte. Der Tantiemesatz sollte bei einem Gewinn von 10 001 DM bis 20 000 DM 15 v.H., bei einem Gewinn von 20 001 DM bis 30 000 DM 20 v.H. und bei einem höheren Gewinn 25 v.H. betragen; bei einem Gewinn bis zu 10 000 DM sollte keine Tantieme gezahlt werden. Im Streitjahr hatte G auf dieser Basis bei einem Festgehalt von 221 404,72 DM einen Tantiemeanspruch in Höhe von 203 045 DM.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ging im Anschluss an eine Betriebsprüfung zunächst davon aus, dass eine Gewinntantieme nur insoweit steuerlich anzuerkennen sei, als sie 33 v.H. des Festgehalts nicht übersteige. Er erließ deshalb Steuerbescheide, in denen er die Tantieme in Höhe von 73 802 DM gewinnmindernd berücksichtigte und den Restbetrag (129 243 DM) als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) behandelte. Im Verlauf der deswegen geführten Einspruchsverfahren kam das FA zu der Überzeugung, dass die Gesamtausstattung des G nur in Höhe von 289 000 DM angemessen und der darüber hinausgehende Betrag vGA sei; die Steuerbescheide wurden nach vorherigem Hinweis entsprechend geändert. Der daraufhin erhobenen Klage hat das Finanzgericht (FG) stattgegeben.
Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA eine Verletzung des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG). Es beantragt, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen, als sie sich gegen eine vGA in Höhe von 124 341 DM richtet.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet. Die Entscheidung des FG, dass die im Streitfall zu beurteilende Tantiemevereinbarung nicht zu einer vGA führe, ist aus revisionsgerichtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
1. Nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG darf eine vGA das zu versteuernde Einkommen einer Kapitalgesellschaft nicht mindern. Als vGA in diesem Sinne kann u.a. eine Gewinntantieme anzusehen sein, die eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer zugesagt hat. Dies setzt u.a. voraus, dass die Tantiemezusage durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst oder zumindest mitveranlasst ist. Fehlt es hieran, so liegt eine vGA nicht vor.
2. Die hiernach maßgebliche Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis liegt nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats nur dann vor, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einem fremden Dritten unter ansonsten vergleichbaren Umständen eine entsprechende Tantiemezusage nicht erteilt hätte (Senatsurteile vom 15. März 2000 I R 74/99, BFHE 192, 267, BStBl II 2000, 547; vom 27. April 2000 I R 88/99, BFH/NV 2001, 342). Ob eine solche Gestaltung vorliegt, muss im gerichtlichen Verfahren in erster Linie das FG anhand aller Umstände des konkreten Einzelfalls ermitteln. Die insoweit vom FG vorgenommene Würdigung kann im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob sie in verfahrensfehlerhafter Weise zustande gekommen ist und ob sie gegen Denkgesetze oder gegen allgemeine Erfahrungssätze verstößt (Senatsurteile vom 27. Februar 2003 I R 46/01, BFHE 202, 241, BStBl II 2004, 132; vom 4. Juni 2003 I R 24/02, BFHE 202, 494, BStBl II 2004, 136). Ist all dies nicht der Fall, so ist die Würdigung seitens des FG auch dann gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bindend, wenn eine abweichende Würdigung des Veranlassungszusammenhangs gleichermaßen möglich oder nahe liegend ist.
3. Im Streitfall hat das FG zunächst geprüft, ob die zu beurteilende Tantiemevereinbarung für das Streitjahr zu einer unangemessen hohen Gesamtausstattung des G geführt hat, und diese Frage im Ergebnis verneint. Diese Beurteilung greift die Revision ohne Erfolg an:
Das FG hat zur Überprüfung der an G gezahlten Vergütung auf eine Gehaltsstrukturuntersuchung zurückgegriffen. Dass solche Untersuchungen ein geeignetes Mittel des Fremdvergleichs sein können, ist in der Rechtsprechung des Senats anerkannt (Urteile in BFHE 202, 241, BStBl II 2004, 132, 134, und in BFHE 202, 494, BStBl II 2004, 136, 138, jeweils m.w.N.) und wird vom FA nicht in Zweifel gezogen. Bei der konkreten Auswertung der von ihm verwendeten Untersuchung hat das FG dieser sodann entnommen, dass bei von der Umsatzstärke her mit der Klägerin vergleichbaren Unternehmen das obere Quartil der Geschäftsführerbezüge im Jahr 1994 bei 286 000 DM im Jahr gelegen habe. Diesen Wert hat das FG als den für den Vergleich maßgeblichen Ausgangswert angesehen, der einerseits im Hinblick auf die allgemeine Gehaltsentwicklung auf das Streitjahr fortzuschreiben und andererseits mit Rücksicht auf die besondere Ertragsstärke der Klägerin um einen Zuschlag von 20 v.H. zu erhöhen sei. Den derart angepassten Wert hat es schließlich der Vergütung des G gegenübergestellt, wobei es zu Recht beachtet hat, dass diese um im Vergleichswert nicht berücksichtigte Leistungen der Klägerin (Kraftfahrzeuggestellung, Fahrkostenerstattung und Direktversicherung) zu korrigieren war. Das FA greift dieses Vorgehen zwar mit der Begründung an, dass erstens der Vergleichswert nicht dem oberen, sondern dem mittleren Bereich der in der Untersuchung verwerteten Gehälter zu entnehmen sei und dass zweitens eine andere Studie zu einem sachgerechteren Ergebnis führe als die vom FG verwendete. Damit zeigt es aber keine Verstöße des FG gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze auf. Vielmehr stellt es nur der vom FG angestellten eine abweichende eigene Berechnung gegenüber, was der Revision nicht zum Erfolg verhelfen kann.
4. Das FG hat sodann geprüft, ob sich eine Veranlassung der Tantiemezusage durch das Gesellschaftsverhältnis daraus ergibt, dass die Tantieme im Streitjahr ungefähr 50 v.H. der Gesamtvergütung ausmachte. Diese Frage hat es ebenfalls ohne Rechtsfehler verneint.
a) Allerdings ist nach der Rechtsprechung des Senats im Allgemeinen davon auszugehen, dass es im Verhältnis zwischen fremden Dritten weder im Interesse der Gesellschaft noch in demjenigen des Geschäftsführers liegt, die Geschäftsführervergütung in allzu hohem Maße erfolgsabhängig auszugestalten (vgl. hierzu Senatsurteil vom 5. Oktober 1994 I R 50/94, BFHE 176, 523, BStBl II 1995, 549, 551). Deshalb kann eine Gehaltsstruktur, bei der die Tantieme mehr als 25 v.H. der vorgesehenen Gesamtbezüge des Gesellschafter-Geschäftsführers ausmacht, auf eine Veranlassung der Tantiemevereinbarung im Gesellschaftsverhältnis hinweisen (Senatsurteil in BFHE 176, 523, BStBl II 1995, 549). Jedoch hat der Senat andererseits entschieden, dass bei Angemessenheit der Gesamtvergütung nicht schon deshalb eine vGA vorliegen muss, weil die Vergütung zu mehr als 25 v.H. aus variablen Anteilen besteht (Senatsurteile in BFHE 202, 241, BStBl II 2004, 132; in BFHE 202, 494, BStBl II 2004, 136; vom 19. November 2003 I R 42/03, BFH/NV 2004, 669). Vielmehr ist die Aufteilung der Vergütung in feste und gewinnabhängige Bestandteile lediglich eines derjenigen Kriterien, die das FG bei der Beurteilung des Veranlassungszusammenhangs berücksichtigen muss (Senatsurteil in BFH/NV 2004, 669). Das FG kann deshalb im Einzelfall auch dann, wenn sich der Anteil der gewinnabhängigen Bezüge an der Gesamtausstattung auf mehr als 25 v.H. beläuft, die Veranlassung der Abrede im Gesellschaftsverhältnis verneinen.
b) Zudem kann die Veranlassung einer Tantiemevereinbarung im Gesellschaftsverhältnis nicht allein daraus abgeleitet werden, wie sich diese Vereinbarung im Ergebnis auswirkt. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist vielmehr derjenige, zu dem die Vereinbarung getroffen worden ist. War aus damaliger Sicht die Vereinbarung so konzipiert, dass die Tantieme weniger als 25 v.H. der Gesamtvergütung ausmachen sollte, dann liegt eine vGA auch dann nicht vor, wenn sich die Gewinnsituation später besser als vorhergesehen entwickelt und sich daraus ein unerwartet hoher Tantiemeanspruch ergeben hat (Senatsurteile vom 10. Juli 2002 I R 37/01, BFHE 199, 536, BStBl II 2003, 418; in BFHE 202, 494, BStBl II 2004, 136, 138). Insoweit greift die Erwägung durch, dass die Gesellschaft an eine einmal wirksam getroffene Tantiemevereinbarung gebunden ist und auch einem fremden Dritten gegenüber nicht allein deshalb von ihr abrücken könnte, weil sich die wirtschaftlichen Verhältnisse anders als erwartet entwickelt haben.
Die hiernach maßgeblichen Vorstellungen der Vertragsparteien bei Abschluss der Tantiemevereinbarung können indessen im finanzgerichtlichen Verfahren nur dann berücksichtigt werden, wenn entsprechende Überlegungen erstens seinerzeit überhaupt angestellt worden sind und zweitens vom FG in tragfähiger Weise rekonstruiert werden können. Fehlt es hieran, so scheidet eine Orientierung des Fremdvergleichs an dem Verhältnis zwischen festen und variablen Bezügen regelmäßig aus. Anders mag es sein, wenn die tatsächlich geschuldete Tantieme von Anfang an deutlich mehr als 25 v.H. der Gesamtbezüge ausmachte und dies den Schluss zulässt, dass die getroffene Vereinbarung auf einen verhältnismäßig hohen variablen Vergütungsanteil abzielte. So lagen die Dinge im Streitfall aber nicht, da sich nach den Feststellungen des FG im ersten Jahr nach In-Kraft-Treten der Tantiemezusage kein Tantiemeanspruch ergab. Jedenfalls in einem solchen Fall kann das FG davon ausgehen, dass sich aus dem Verhältnis zwischen den verschiedenen Vergütungsbestandteilen keine Rückschlüsse auf eine Veranlassung der Vereinbarung im Gesellschaftsverhältnis ziehen lassen.
c) Vor diesem Hintergrund hat der Senat bereits entschieden, dass es bei Fehlen ausreichender Erkenntnisse über die ursprünglichen Gewinnerwartungen unschädlich sein kann, wenn das FG von einer Berücksichtigung des Anteils der Tantieme an der Gesamtvergütung absieht und den gebotenen Fremdvergleich ausschließlich an anderen Kriterien orientiert (Senatsurteile in BFHE 202, 241, BStBl II 2004, 132; vom 27. Februar 2003 I R 80, 81/01, BFH/NV 2003, 1346). Die seinerzeit beurteilten Sachverhalte unterschieden sich zwar von dem Streitfall dadurch, dass dort das FG die vereinbarte Gesamtausstattung für unangemessen gehalten und unter diesem Aspekt das Vorliegen einer vGA bejaht hatte. Das kann jedoch für die hier interessierende Frage keine Rolle spielen; es wäre widersprüchlich, einen über 25 v.H. hinausgehenden Tantiemeanteil bei Unangemessenheit der Gesamtausstattung für unschädlich zu halten, unter ansonsten vergleichbaren Verhältnissen bei Angemessenheit der Gesamtausstattung aber nicht. Angesichts dessen war das FG auch im Streitfall nicht gehalten, aus dem von ihm festgestellten Tantiemeanteil für die Klägerin nachteilige Schlüsse zu ziehen. Es durfte vielmehr ungeachtet dieser Feststellung das Vorliegen einer vGA verneinen und musste diese Einschätzung lediglich in nachvollziehbarer Weise begründen.
d) Dem wird das angefochtene Urteil gerecht. Das FG hat dort zum einen auf den besonderen Arbeitseinsatz des G und die darauf beruhende außergewöhnlich gute Ertragslage der Klägerin verwiesen, die es denkbar erscheinen ließen, dass die Klägerin auch einem vergleichbaren Fremdgeschäftsführer einen höheren variablen Vergütungsbestandteil zugesagt hätte. Zum anderen hat es ausgeführt, dass gewinnabhängige Vergütungen im Wirtschaftsleben zunehmend an Bedeutung gewonnen haben (vgl. hierzu Tänzer, GmbH-Rundschau 1996, 40, 42) und dass deshalb eine Überschreitung des Anteils von 25 v.H. nicht mehr generell auf die Veranlassung einer Tantiemevereinbarung durch das Gesellschaftsverhältnis schließen lasse. Diese Argumentation verstößt weder gegen Denkgesetze noch gegen allgemeine Erfahrungssätze. Sie ist deshalb für den Senat bindend mit der Folge, dass die Revision des FA keinen Erfolg haben kann.
Ende der Entscheidung
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