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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 18.03.2009
Aktenzeichen: I R 9/08
Rechtsgebiete: GewStG, ErbbauVO
Vorschriften:
GewStG a.F. § 8 Nr. 1 | |
GewStG a.F. § 8 Nr. 2 | |
ErbbauVO § 12 Abs. 1 S. 2 |
2. Wird an einem bebauten Grundstück ein Erbbaurecht bestellt und als Gegenleistung für den Übergang des Eigentums an den Gebäuden ein über die Laufzeit des Erbbaurechtsvertrages verteiltes gleichbleibendes Entgelt vereinbart, werden die in den Erbbauzinsen auf die Gebäude enthaltenen Zinsanteile dem Gewinn gemäß § 8 Nr. 1 GewStG i.d.F. vor dem JStG 2008 zur Hälfte hinzugerechnet.
Gründe:
I.
Am 22. Juni 1972 schloss die Stadt G als Erbbauverpflichtete mit S einen Erbbaurechtsvertrag über ein Industriegrundstück von insgesamt 25 060 qm. S war seit 1964 als Einzelunternehmer tätig.
Auf dem Erbbaugrundstück waren Bauwerke (Lagerhallen, Kran- und Gleisanlagen) vorhanden, die gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung über das Erbbaurecht (Erbbaurechtsverordnung --ErbbauVO--; jetzt: Gesetz über das Erbbaurecht --Erbbaurechtsgesetz-- [ErbbauRG]) als wesentliche Bestandteile des Erbbaurechts galten. Der jährliche Erbbauzins sollte 200 000 DM betragen. S teilte den Gesamtbetrag in einen Bodenanteil (40 000 DM) und in einen auf die Bauwerke entfallenden Anteil (160 000 DM) auf. Er passivierte den Kapitalwert der auf die Bauwerke entfallenden anteiligen Zahlungsverpflichtung und aktivierte gegenläufig die erworbenen Wirtschaftsgüter. Von diesen Bilanzansätzen nahm er in der Folgezeit Absetzungen für Abnutzung vor.
Nach Ablauf von jeweils 10 Jahren sollte eine Anpassung der Höhe der Erbbauzinszahlungen an den Preisindex für die Lebenshaltungskosten erfolgen. Dies hätte im Jahr 1982 eine Erhöhung um knapp 50% auf 299 800 DM gerechtfertigt. Da der Bauwerksanteil (160 000 DM) unverändert bleiben sollte, wurde jedoch nach entsprechenden Einwendungen des S nur der Bodenanteil entsprechend der Entwicklung der Lebenshaltungskosten um 50% von 40 000 auf 60 000 DM erhöht.
Im Jahr 1992 gründete S als Alleingesellschafter die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH. Er brachte sein Einzelunternehmen zu Buchwerten in die Klägerin ein, deren Gegenstand die Vermietung und Verpachtung von Anlagevermögen an zwei andere GmbH ist, die das Speditions- und Lagergeschäft betreiben.
Am 31. Mai 1994 wurde der Erbbaurechtsvertrag unter gleichzeitiger Verlängerung der Laufzeit bis ins Jahr 2044 (bis dahin: 2021) neu gefasst. Der Erbbauzins wurde in zwei Teilbeträge aufgeteilt und wie folgt bemessen: Ein Teilbetrag von anfänglich 4,20 DM je Quadratmeter (105 252 DM) sollte nach Ablauf von jeweils 10 Jahren an die Entwicklung des Preisindex für die Lebenshaltungskosten angepasst werden. Ein zweiter Teilbetrag von 80 000 DM sollte hingegen während der Laufzeit des Erbbaurechtsvertrages unverändert bleiben. Der zuletzt genannte Betrag sollte auf die Bauwerke entfallen.
Nach einer Prüfung gelangte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) zu der Auffassung, bei dem auf die Bauwerke entfallenden Anteil der Zahlungen handele es sich um Kaufpreisraten. Aus diesen Raten sei ein Zinsanteil herauszurechnen, der gewerbesteuerrechtlich als Entgelt für sog. Dauerschulden (§ 8 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes i.d.F. vor dem Jahressteuergesetz 2008 vom 20. Dezember 2007, BGBl. I 2007, 3150 --GewStG a.F.--) zu beurteilen und dem Gewinn aus Gewerbebetrieb zur Hälfte hinzuzurechnen sei.
Die gegen die entsprechend geänderten Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre 1998 bis 2002 erhobene Klage war erfolgreich. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) Münster vom 9. November 2007 9 K 2275/06 G ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2008, 399 veröffentlicht.
Mit seiner Revision rügt das FA eine Verletzung materiellen Rechts.
Es beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FA hat zu Recht den in den Erbbauzinsen enthaltenen Zinsanteil gemäß § 8 Nr. 1 GewStG a.F. zur Hälfte dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzugerechnet.
1.
Gemäß § 8 Nr. 1 GewStG a.F. sind dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7 GewStG a.F.) die Hälfte der Entgelte für Schulden hinzuzurechnen, die wirtschaftlich mit der Gründung oder dem Erwerb des Betriebes oder eines Anteils am Betrieb (Teilbetriebes) oder mit der Erweiterung oder Verbesserung des Betriebes zusammenhängen oder der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen.
2.
In den Erbbauzinszahlungen der Klägerin waren anteilige Zinszahlungen für Schulden enthalten, die wirtschaftlich mit der Erweiterung und Verbesserung des Betriebes zusammenhängen und zudem der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienten.
a)
Wird ein Erbbaurecht an einem bereits bebauten Grundstück bestellt, ist eine einheitliche als "Erbbauzins" bezeichnete Zahlung aufzuteilen in ein Entgelt für die Übertragung des Eigentums an den Bauwerken einerseits und ein Entgelt für die Nutzung des Grund und Bodens andererseits (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Januar 1982 VIII R 102/78, BFHE 135, 434, BStBl II 1982, 533). Denn gemäß § 12 ErbbauRG sind Bauwerke wesentliche Bestandteile des Erbbaurechts. Der Erbbauberechtigte wird daher mit der Erbbaurechtsbestellung zivilrechtlicher und regelmäßig auch wirtschaftlicher Eigentümer des Gebäudes (BFH-Urteil in BFHE 135, 434, BStBl II 1982, 533).
b)
Dies hat zur Folge, dass die für die Übertragung des Eigentums an den Bauwerken gezahlten laufenden Beträge nicht als Nutzungsentgelt für das Erbbaurecht (vgl. hierzu Senatsurteil vom 7. März 2007 I R 60/06, BFHE 217, 100, BStBl II 2007, 654), sondern als Anschaffungskosten der Gebäude zu beurteilen sind. Diese Anschaffungskosten bemessen sich nach dem Barwert der Zahlungsverpflichtung, der grundsätzlich unter Zugrundelegung eines Zinsfußes von 5,5% (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes) zu ermitteln ist (BFH-Urteile vom 19. Mai 1992 VIII R 37/90, BFH/NV 1993, 87; vom 2. Mai 2001 VIII R 64/93, BFH/NV 2002, 10).
c)
Die Klägerin ist dementsprechend verfahren und hat den Kapitalwert der auf die Bauwerke entfallenden anteiligen Zahlungsverpflichtungen passiviert und die erworbenen Bauwerke gegenläufig mit diesem Wert aktiviert.
d)
Soweit der Gesamtbetrag der auf die Bauwerke zu leistenden Zahlungen die jährliche Barwertminderung (Tilgungsanteil) übersteigt, liegen Zinsen vor. Diese Zinsen sind gemäß § 8 Nr. 1 GewStG a.F. hälftig dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzuzurechnen, da die Erbbaurechtsbestellung und der damit einhergehende Erwerb der Gebäude zu einer Erweiterung und einer Verbesserung des bisherigen Betriebes führten. Zudem dienen die Darlehen der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals.
3.
Der Anwendungsbereich des § 8 Nr. 1 GewStG a.F. ist im Streitfall nicht durch § 8 Nr. 2 GewStG a.F. ausgeschlossen.
a)
Gewerbesteuerrechtlich bedeutsam ist die Unterscheidung zwischen Kaufpreisraten und Veräußerungsrenten für den Anwendungsbereich des § 8 Nr. 2 GewStG a.F. Während Renten und dauernde Lasten, die im Zusammenhang mit der Gründung oder dem Erwerb des Betriebes zusammenhängen, in vollem Umfang dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzuzurechnen sind, sind Schuldzinsen gemäß § 8 Nr. 1 GewStG a.F. nur zur Hälfte zu berücksichtigen. Unter § 8 Nr. 2 GewStG a.F. fallen Renten aller Art (Senatsurteil vom 22. November 1972 I R 124/70, BFHE 108, 202, BStBl II 1973, 403). Nach herrschender Meinung regelt § 8 Nr. 2 GewStG a.F. abschließend, unter welchen Voraussetzungen Renten und dauernde Lasten dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzuzurechnen sind (z.B. Kratzsch in Lenski/Steinberg, GewStG, § 8 Nr. 2 Rz 46, m.w.N.; Senatsurteil in BFHE 108, 202, BStBl II 1973, 403; BFH-Urteil vom 25. November 1992 X R 21/91, BFH/NV 1993, 489; Blümich/Hofmeister, § 8 GewStG Rz 482; Wüllenkemper, EFG 2008, 402; a.A. FG Köln, Urteil vom 20. April 1983 V 354/81 G, EFG 1984, 362; Glanegger/Güroff, GewStG, 6. Aufl., § 8 Nr. 2 Rz 1). Renten und dauernde Lasten, die nicht mit der Übertragung des Betriebes zusammenhängen, erhöhen danach den Gewinn aus Gewerbebetrieb nicht, auch wenn im Übrigen die Voraussetzungen des § 8 Nr. 1 GewStG a.F. vorliegen.
b)
Das Verhältnis von § 8 Nr. 1 GewStG a.F. zu § 8 Nr. 2 GewStG a.F. bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, da die auf die Gebäude entfallenden Zahlungen Kaufpreisraten und keine Zeitrenten sind.
aa)
Grundsätzlich sind laufende Zahlungen, die für die Übereignung eines oder mehrerer Wirtschaftsgüter zu erbringen sind und bei denen sich Leistung und Gegenleistung nach der Vorstellung der Vertragsparteien gleichwertig gegenüber stehen, als ratenweise erbrachte Kaufpreiszahlungen anzusehen (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1974 VIII R 131/70, BFHE 114, 79, BStBl II 1975, 173). Der Veräußerer realisiert, wenn es sich um ein betriebliches Wirtschaftsgut handelt, mit dem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums auf den Käufer einen Veräußerungsgewinn/-verlust in Höhe des Barwerts der Kaufpreisforderung abzüglich des Buchwerts und der Veräußerungskosten. Das mit der Stundung des Kaufpreises regelmäßig vorliegende Darlehen zur Finanzierung des Kaufpreises ist demgegenüber als schwebendes Geschäft zu behandeln, sodass die Zinserträge erst in den folgenden Jahren realisiert werden (vgl. Schmidt/ Glanegger, EStG, 28. Aufl., § 6 Rz 398).
bb)
Von einer Rente ist bei der Vereinbarung wiederkehrender Leistungen im Zusammenhang mit der Übertragung von Vermögensgegenständen nur auszugehen, wenn die Leistungen der Versorgung des Bezugsberechtigten dienen sollen (vgl. BFH-Urteil vom 31. August 1994 X R 44/93, BFHE 176, 19, BStBl II 1996, 676). Dies gilt nicht nur, wenn dem Übertragenden eine Rente auf Lebenszeit, sondern auch begrenzt auf einen bestimmten Zeitraum zugesagt wird.
Die Rechtsprechung, die dem Veräußerer im Rahmen der Betriebsveräußerung bei wagnisbehafteten wiederkehrenden Bezügen ein Wahlrecht zwischen Sofortversteuerung und Zuflussversteuerung des Veräußerungsgewinns gewährt (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1993, 87, m.w.N.), lässt sich jedenfalls im Streitfall nicht zugunsten einer Einordnung als Rente i.S. von § 8 Nr. 2 GewStG a.F. dienstbar machen. Denn wagnisbehaftet sind wiederkehrende Bezüge nur, wenn sie mit Risiken verbunden sind, die über die zeitlich gestreckte Umschichtung und die damit verbundene Gefahr einer Geldentwertung hinausgehen (BFH-Urteil in BFHE 114, 79, BStBl II 1975, 173). Dies ist nach der Rechtsprechung der Fall, wenn sie lebenslang zu zahlen sind oder bei fester Laufzeit von mehr als 10 Jahren primär der Versorgung oder bei besonders langer Zeit mindestens auch der Versorgung des Berechtigten dienen (BFH-Urteile vom 30. Januar 1974 IV R 80/70, BFHE 111, 477, BStBl II 1974, 452; vom 26. Juli 1984 IV R 137/82, BFHE 141, 525, BStBl II 1984, 829; vgl. auch BFH-Beschlüsse vom 29. März 2007 XI B 56/06, BFH/NV 2007, 1306; vom 12. Mai 1999 IV B 52/98, BFH/NV 1999, 1330; Schmidt/ Wacker, a.a.O., § 16 Rz 222, m.w.N.).
cc)
Da im Streitfall die Erbbauzinszahlungen weder eine Gegenleistung für die Übertragung eines Betriebes darstellen noch der Versorgung der Erbbaurechtsbestellerin dienen, liegt eine Rente i.S. des § 8 Nr. 2 GewStG a.F. nicht vor. Ob bei einem nach Zeit und Höhe bestimmten Kapitalbetrag als Gegenleistung für die Übertragung eines (Teil-)Betriebes angesichts des Beschlusses des Großen Senats des BFH vom 19. Juli 1993 GrS 2/92 (BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897) überhaupt noch von einer Zeitrente auszugehen ist oder ob auch in diesem Fall nunmehr Kaufpreisraten anzunehmen sind (vgl. Schmidt/Wacker, a.a.O., § 16 Rz 225 a.E.; Richter/Richter, Der Betrieb 1995, 1098), kann im Streitfall offenbleiben.
4.
Die Sache ist spruchreif. Die Höhe des in den Erbbauzinszahlungen enthaltenen Zinsanteils ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben und die Klage vollen Umfangs abzuweisen.
Ende der Entscheidung
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