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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 05.11.1998
Aktenzeichen: I R 90/97
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 120 Abs. 1 Nr. 1
FGO § 124 Abs. 1 Satz 2
FGO § 56
FGO § 56 Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) legten gegen das ihnen am 8. August 1997 zugestellte Urteil des Finanzgerichts (FG) am 21. August 1997 Revision ein. Mit Schriftsatz vom 14. Oktober 1997, eingegangen beim Bundesfinanzhof (BFH) am 16. Oktober 1997, beantragten sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist und begründeten zugleich ihre Revision.

Ihr Prozeßbevollmächtigter sei an der Einhaltung der Revisionsbegründungsfrist schuldlos verhindert gewesen. Es liege ein Büroversehen vor. Für die Überwachung der Einhaltung von Rechtsbehelfsfristen sei in der Kanzlei ihres Beraters eine Sekretärin verantwortlich. Diese führe das Fristenkontrollbuch und vermerke die Fristen zusätzlich auf den einzelnen Ordnern, in denen die jeweiligen Prozeßakten aufbewahrt würden. Die Sekretärin, die am 7. Oktober 1997 aus dem Urlaub zurückgekehrt sei, habe den Prozeßbevollmächtigten am 8. Oktober 1997 auf den Fristablauf hingewiesen. Daraufhin habe der Prozeßbevollmächtigte am 8. Oktober 1997 gegen 16 Uhr einen Antrag auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 20. November 1997 unterzeichnet und die Sekretärin beauftragt, den Fristverlängerungsantrag sofort dem BFH per Fax zu übermitteln. Anschließend habe er sein Büro wegen einer Dienstreise verlassen.

Entgegen den erteilten Anweisungen habe die Sekretärin versehentlich den Vorgang zusammen mit einer leeren Unterschriftmappe weggesperrt, so daß es am 8. Oktober 1997 nicht mehr zu einer Übermittlung des Antrags per Fax gekommen sei. Das Versehen sei erst am 10. Oktober 1997 entdeckt worden.

Da die Fristversäumnis nicht auf einem Organisationsmangel des Prozeßbevollmächtigten beruhe, liege ein bloßes Büroversehen vor. Ein Prozeßbevollmächtigter dürfe sich darauf verlassen, daß konkrete Einzelanweisungen von seinem sonst zuverlässigen Personal befolgt würden. Zur Glaubhaftmachung werde der Entwurf sowie das Original des Fristverlängerungsantrages, eine eidesstattliche Erklärung der Sekretärin und eine Hotelrechnung zum Nachweis der Dienstreise vorgelegt.

Mit Schreiben vom 30. Juni 1998 wurde der Prozeßbevollmächtigte gebeten, zur Organisation der Fristenkontrolle einschließlich Ausgangskontrolle Stellung zu nehmen und die Eintragungen im Fristenkontrollbuch vorzulegen. Es wurde zugleich nahegelegt, vorsorglich den Vortrag glaubhaft zu machen. Dem daraufhin in Kopie vorgelegten Auszug aus dem Fristenkontrollbuch ist zu entnehmen, daß als Fristablauf der 8. Oktober 1997 eingetragen wurde, wobei allerdings --entgegen der offensichtlichen Übung-- als Tag der Erinnerung ebenfalls der 8. Oktober 1997 eingetragen wurde. Diese Eintragung erhält die Bezeichnung "Fristverlängerung" unter der Rubrik Aufgabe zur Post ist der Eintrag "Fax 8.10.1997" enthalten. Auch der Fristaustrag trägt das Datum 8. Oktober 1997.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) beantragt, die Revision wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist als unzulässig zu verwerfen.

II. Die Revision ist als unzulässig zu verwerfen, weil, was unstreitig ist, die Revision nicht innerhalb der Frist des § 120 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) begründet wurde (§ 124 Abs. 1 Satz 2 FGO). Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO kann nicht gewährt werden.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt voraus, daß die Kläger bzw. ihr Prozeßbevollmächtigter ohne Verschulden gehindert waren, die Revisionsbegründungsfrist einzuhalten, und die hierfür erheblichen Tatsachen spätestens innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses schlüssig dargetan werden (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 26. November 1997 X R 78/97, BFH/NV 1998, 711, m.w.N., und vom 16. Oktober 1996 II R 3/96, BFH/NV 1997, 358; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 56 Rdnr. 50). Eine schuldlose Verhinderung wurde von den Klägern nicht schlüssig dargetan, insbesondere fehlt es an Darlegungen zur Art und Weise der Ausgangskontrolle in der Kanzlei ihres Prozeßbevollmächtigten, obgleich der Klägervertreter hierzu ausdrücklich mit Schreiben vom 30. Juni 1998 aufgefordert worden ist.

Auf ein entschuldbares Büroversehen können sich Personen, die die Rechtsberatung berufsmäßig ausüben, nur berufen, wenn sie ihren Bürobetrieb so organisieren, daß Fristversäumnisse ausgeschlossen sind. Dazu ist es --grundsätzlich-- unerläßlich, daß ein Fristenkontrollbuch geführt wird und eine Ausgangskontrolle stattfindet. Die Ausgangskontrolle muß in einer Art und Weise geschehen, daß sie ausreichende Gewähr dafür bietet, daß fristwahrende Schriftsätze nicht liegen bleiben. Fristen dürfen im Fristenkontrollbuch erst auf der Grundlage der Eintragung im Postausgangsbuch gelöscht werden (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 7. Februar 1997 III B 146/96, BFH/NV 1997, 674; vom 13. Oktober 1993 X R 112/92, BFH/NV 1994, 328; vom 25. April 1995 VIII R 86/94, BFH/NV 1995, 1002; vom 17. Februar 1993 VIII R 61/91, BFH/NV 1993, 614; vom 9. April 1987 V B 111/86, BFHE 149, 146, BStBl II 1987, 441; BFH-Urteil vom 7. Dezember 1988 X R 80/87, BFHE 155, 275, BStBl II 1989, 266).

Daß diese Kriterien in der Kanzlei des Prozeßbevollmächtigten beachtet werden, ist darzulegen. Der Klägervertreter hat jedoch trotz entsprechender Aufforderung weder zur Organisation der Ausgangskontrolle in seiner Kanzlei noch zu der Frage Stellung genommen, aus welchen Gründen der fehlende Ausgang des Fristverlängerungsantrags nicht durch eine Ausgangskontrolle am 8. Oktober 1997 aufgedeckt wurde. Damit fehlt es an der schlüssigen Darlegung einer ordnungsgemäßen Büroorganisation. Die bloße Führung eines Fristenkontrollbuchs genügt, wie der Streitfall zeigt, nicht für eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle, wenn im Fristenkontrollbuch der Eintrag zur "Aufgabe zur Post" ohne Kontrolle des tatsächlichen Absendungsverlaufs vorgenommen wird.

Es kann dahingestellt bleiben, ob eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle allein dadurch gewährleistet sein kann, daß die mit der Bearbeitung des Fristenkontrollbuchs beauftragte Angestellte bei Übermittlung von Schriftsätzen per Fax angewiesen ist, den Fristenaustrag erst vorzunehmen, wenn eine Faxbestätigung vorliegt. Selbst wenn der Senat dies zugunsten der Kläger bejahen würde, so würde es insoweit an der Glaubhaftmachung der entsprechenden Anweisungen fehlen (§ 56 Abs. 2 Satz 2 FGO). Dem Klägervertreter wurde ausdrücklich mit Schreiben vom 30. Juni 1998 nahegelegt, seinen Vortrag glaubhaft zu machen.

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