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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 28.06.2006
Aktenzeichen: I R 92/05
Rechtsgebiete: AO 1977, DBA-Bulgarien, DBA-Jugoslawien, DBA-Kasachstan, EStG, OECDMustAbk


Vorschriften:

AO 1977 § 8
DBA-Bulgarien Art. 13
DBA-Bulgarien Art. 22 Abs. 1 Buchst. a
DBA-Jugoslawien Art. 15
DBA-Jugoslawien Art. 24 Abs. 1 Buchst. a
DBA-Kasachstan Art. 14
DBA-Kasachstan Art. 23 Abs. 2 Buchst. a
EStG § 2 Abs. 1 Nr. 3
EStG § 18
OECDMustAbk Art. 5 Abs. 1
OECDMustAbk Art. 7
OECDMustAbk Art. 14
Einem selbständig Tätigen steht im anderen Vertragsstaat für die Ausübung seiner Tätigkeit gewöhnlich eine feste Einrichtung i.S. von Art. 13 DBA-Bulgarien, Art. 14 DBA-Kasachstan und Art. 15 DBA-Jugoslawien zur Verfügung, wenn ihm von seinem Auftraggeber im Tätigkeitsstaat Räume überlassen werden, die er über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten hinweg immer wieder für mehrere Tage nutzt, sofern die Räume auch während seiner Abwesenheit dazu bestimmt sind, seiner selbständigen Tätigkeit zu dienen.
Gründe:

I.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die für das Streitjahr 2001 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden.

Der Kläger ist als Unternehmensberater tätig. Er arbeitete in den Jahren 2000 bis 2002 für die X in Bosnien und Herzegowina, für die Y, die ihrerseits Auftragnehmerin der X war, in Bulgarien, und für die Z in Serbien und Montenegro (2001 bis 2002).

Im Streitjahr 2001 hielt der Kläger sich an insgesamt 62 Tagen in Bosnien und Herzegowina, an 77 Tagen in Bulgarien und an 33 Tagen in Serbien und Montenegro, dort im Kosovo, auf. Die einzelnen Aufenthalte erstreckten sich über das gesamte Jahr und betrugen zwischen 7 und 33 Tagen. Im Jahr 2002 hielt er sich insgesamt an 145 Tagen im Kosovo auf.

In Bosnien und Herzegowina war der Kläger federführend im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft der X für das Projekt "Industrielle Modernisierung und wirtschaftspolitische Beratung" tätig. Projektbüros befanden sich in Sarajevo und Banja Luka. Nach dem Vertrag vom 23. August 2000 mit der X sollte der Kläger Beratungsleistungen in der Zeit vom 17. August 2000 bis 30. Juni 2003 erbringen. Der Einsatz des Klägers in Bosnien und Herzegowina war mit 5,5 Monaten, der Einsatz im Inland mit 1,5 Monaten vorgesehen. Der tatsächliche Einsatz des Klägers erstreckte sich von August 2000 bis Ende Juli 2001; ein Büro stand ihm bereits während eines vorhergehenden Projekts seit Februar 2000 zur Verfügung. Mitarbeiter der Arbeitsgemeinschaft nutzten die Projektbüros noch bis Juni 2002. Nach einem weiteren Vertrag mit der X sollte der Kläger in der Zeit vom 17. Mai 2001 bis 30. November 2001 im Rahmen einer Entwicklungsstudie für die Schuh- und Lederindustrie in Bosnien und Herzegowina tätig werden.

In Bulgarien war der Kläger Leiter des Projekts "Förderung der Baukeramikbranche/Verbandsaufbau/Training von Branchenberater/ innen". Dem Team stand ein Projektbüro in Sofia ununterbrochen zur Verfügung. Nach dem Vertrag von 7. Februar 2001 sollte der Kläger Leistungen von Februar 2001 bis 15. Dezember 2001 erbringen, davon mindestens 80 v.H. in Bulgarien. Der tatsächliche Einsatz des Klägers war mit 2,5 Monaten veranschlagt, er erstreckte sich auf die Zeit von April 2000 bis Oktober 2001. Andere Fachexperten nutzten das Projektbüro von Ende April 2000 bis zur Jahresmitte 2002.

Im Kosovo war der Kläger beratend als "Valuation Expert" tätig. Vertraglich waren der Zeitraum vom 18. November 2001 bis 31. Juli 2002 und ein tatsächlicher Einsatz von sieben Monaten bestimmt. Tatsächlich erbrachte der Kläger seine Beratungsleistungen vom 18. November 2001 bis zum 15. Juni 2002. Ihm stand ein Projektbüro in Pristina ununterbrochen zur Verfügung.

Die im Streitjahr vom Kläger erzielten Einnahmen entfielen zum Teil auf eine im Jahre 1998 im Auftrag der W in Kasachstan ausgeübte Tätigkeit. Diese Einnahmen behandelte der Kläger als nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kasachstan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-Kasachstan) vom 26. November 1997 (BStBl I 1998, 1030) steuerfrei. In gleicher Weise verfuhr er mit den Einnahmen aus seiner Tätigkeit in Bosnien, in Bulgarien und im Kosovo.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) vertrat die Auffassung, das Besteuerungsrecht liege bei der Bundesrepublik Deutschland.

Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf gab der gegen den entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheid erhobenen Klage mit Urteil vom 14. September 2005 7 K 6293/04 E, veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 52, statt.

Mit seiner Revision rügt das FA eine Verletzung materiellen Rechts.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass einem Steuerpflichtigen auch dann gewöhnlich eine feste Einrichtung im anderen Vertragsstaat zur Verfügung steht, wenn diese für weniger als sechs Monate besteht. Die tatsächlichen Feststellungen des FG lassen keine abschließende Beantwortung der Frage zu, ob Deutschland oder die jeweiligen Tätigkeitsstaaten die Beraterhonorare aus den streitbefangenen Verträgen besteuern dürfen.

1. Der Kläger hatte im Streitjahr seinen Wohnsitz (§ 8 der Abgabenordnung --AO 1977--) in Deutschland und war deshalb hier unbeschränkt steuerpflichtig. In sachlicher Hinsicht unterliegen der unbeschränkten Steuerpflicht alle in § 2 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) genannten Einkünfte. Dazu gehören auch die Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 2 Abs. 1 Nr. 3, § 18 EStG). Allerdings sehen Art. 22 Abs. 1 Buchst. a des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Bulgarien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-Bulgarien) vom 2. Juni 1987 (BGBl II 1988, 771, BStBl I 1988, 390), Art. 24 Abs. 1 Buchst. a des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen vom 26. März 1987 (BGBl II 1988, 745; zur Fortgeltung s. BGBl II 1997, 961) --DBA-Jugoslawien--, sowie Art. 23 Abs. 2 Buchst. a DBA-Kasachstan eine Steuerbefreiung hinsichtlich der Einkünfte vor, die in dem anderen Vertragsstaat besteuert werden können.

2. Nach Art. 13 DBA-Bulgarien wird das Besteuerungsrecht für Einkünfte aus einem freien Beruf oder aus sonstiger selbständiger Tätigkeit grundsätzlich dem Wohnsitzstaat zugewiesen. Jedoch können Einkünfte im anderen Vertragsstaat besteuert werden, wenn der Person dort für die Ausübung ihrer Tätigkeit gewöhnlich eine feste Einrichtung zur Verfügung steht. Dies gilt jedoch nur insoweit, als die Einkünfte dieser festen Einrichtung zugerechnet werden können.

Art. 15 DBA-Jugoslawien und Art. 14 DBA-Kasachstan enthalten dieselbe Regelung. Ferner können nach Art. 15 Abs. 1 Buchst. b DBA-Jugoslawien die Einkünfte, die aus der im anderen Staat ausgeübten Tätigkeit stammen, auch dann im anderen Vertragsstaat besteuert werden, wenn sich die Person dort insgesamt 183 Tage oder länger während des betreffenden Steuerjahres aufhält. Hält sich eine in einem Vertragsstaat ansässige natürliche Person insgesamt länger als 183 Tage innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten, der während des betreffenden Steuerjahres beginnt oder endet, im anderen Vertragsstaat auf, gilt sie nach Art. 14 Abs. 1 Satz 3 DBA-Kasachstan für diese Zwecke als eine Person, der im anderen Vertragsstaat gewöhnlich eine feste Einrichtung zur Verfügung steht.

3. Art. 13 DBA-Bulgarien stimmt wörtlich mit Art. 14 des OECD-Musterabkommens (OECDMustAbk) überein, der am 29. April 2000 aus dem Musterabkommen gestrichen wurde. Seitdem werden Unternehmensgewinne und Einkünfte aus selbständigem Arbeitseinkommen nach Art. 7 OECDMustAbk nach einheitlichen Maßstäben behandelt. Trotz der unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen der Art. 14 a.F. OECDMustAbk und Art. 7 OECDMustAbk sind jedoch auch für die Zeit vor 2000 die Begriffe der Betriebsstätte, durch die ein Unternehmen i.S. des Art. 7 Abs. 1 OECDMustAbk seine Tätigkeit ausübt, und der festen Einrichtung, die einer Person für die Ausübung ihrer selbständigen Arbeit zur Verfügung steht, weitgehend deckungsgleich (Nr. 1.1 des Kommentars zum OECDMustAbk --OECD-MK-- zu Art. 5, Nr. 3 zu Art. 14 OECDMustAbk; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 14 MA Rz. 8; Krüger, Internationales Steuerrecht --IStR-- 1998, 104, 107). Wie aus der Definition des Begriffs der Betriebsstätte in Art. 5 Abs. 1 OECDMustAbk ersichtlich, liegt eine feste Einrichtung demnach vor, wenn eine bestimmte selbständige unternehmerische Tätigkeit durch eine Geschäftseinrichtung mit einer festen örtlichen Bindung ausgeübt wird (Senatsurteile vom 2. Dezember 1992 I R 77/91, BFHE 170, 126, zum Begriff der "ständigen" Einrichtung in Art. 12 Abs. 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und Grundsteuern vom 21. Juli 1959, BGBl II 1961, 398, i.d.F. vom 9. Juni 1969, BGBl II 1970, 719, --DBA-Frankreich--, und vom 3. Februar 1993 I R 80-81/91, BFHE 170, 263, BStBl II 1993, 462).

a) Eine feste Einrichtung erfordert nicht nur eine Einrichtung, die Grundlage einer Unternehmertätigkeit sein kann (Senatsurteil in BFHE 170, 263, BStBl II 1993, 462). Die Geschäftseinrichtung oder Anlage muss vielmehr auch in zeitlicher Hinsicht von gewisser Dauer sein. Denn durch den Begriff der festen Einrichtung drückt sich eine besonders intensive Verwurzelung der selbständigen Arbeit mit dem Ort ihrer Ausübung aus. Eine entsprechende Verwurzelung kann aber nur angenommen werden, wenn der Bezug der Tätigkeit zum Ort ihrer Ausübung auf eine gewisse Dauer angelegt ist. Eine Einrichtung, die nur vorübergehend der selbständigen Tätigkeit zu dienen bestimmt ist, ist nicht "fest" (Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 14 MA Rz. 70). Nach der Rechtsprechung des Senats ist hierfür eine Zeitspanne von mindestens sechs Monaten anzusetzen (Senatsurteil vom 19. Mai 1993 I R 80/92, BFHE 171, 297, BStBl II 1993, 655 hinsichtlich des gleichbedeutenden Merkmals "fester Mittelpunkt" in Art. 7 Abs. 1 des Abkommens zwischen dem Deutschen Reiche und Italien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Regelung anderer Fragen auf dem Gebiete der direkten Steuern vom 31. Oktober 1925 --DBA-Italien 1925--, RGBl 1925, 1145; zustimmend Österreichischer Verwaltungsgerichtshof, Erkenntnis vom 21. Mai 1997 96/14/0084, IStR 1999, 633 zum DBA-Österreich-Schweiz; OECD-MK zu Art. 5 Nr. 6; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 14 MA Rz. 70; Züger in Gassner/Lang/Lechner, Die Betriebsstätte im Recht der Doppelbesteuerung, S. 51 f.: Richtwert 12 Monate; Prokisch in Vogel/ Lehner, DBA, 4. Aufl., Art. 14 Rz. 24; Krüger, IStR 1998, 104, 108, jeweils weniger als sechs Monate).

An dieser Auffassung hält der Senat --jedenfalls für den Regelfall-- fest. Sie entspricht dem Zweck von Art. 14 a.F. OECDMustAbk, der dem anderen Vertragsstaat nur dann das Besteuerungsrecht zuweist, wenn der selbständig Tätige eine intensive wirtschaftliche Bindung mittels einer festen örtlichen Einrichtung zu diesem Staat unterhält (vgl. Prokisch in Vogel/Lehner, a.a.O., Art. 14 Rz. 22; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 14 MA Rz. 67). Eine derartige Bindung liegt aber nicht vor, wenn der selbständig Tätige für weniger als sechs Monate eine Geschäftseinrichtung im anderen Vertragsstaat unterhält.

b) Da dem anderen Vertragsstaat das Besteuerungsrecht schon dann zusteht, wenn der Person die feste Einrichtung "gewöhnlich" zur Verfügung steht, ist für die Annahme einer festen Einrichtung nicht erforderlich, dass sie dauernd benutzt wird (OECD-MK zu Art. 5 Nr. 6.1; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 14 MA Rz. 68; Prokisch in Vogel/Lehner, a.a.O., Art. 14 Rz. 26). Es genügt, dass sie dem Unternehmer für seine Tätigkeit ständig zur Verfügung steht. Sie muss jedoch --auch während seiner Abwesenheit-- dazu bestimmt sein, der jeweiligen Berufstätigkeit zu dienen (Senatsurteil vom 12. Oktober 1978 I R 69/75, BFHE 126, 209, BStBl II 1979, 64; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 14 MA Rz. 67; anderer Ansicht Prokisch in Vogel/Lehner, a.a.O., Art. 14 Rz. 26). Das ist nicht der Fall, wenn die Geschäftseinrichtung während der Abwesenheit des selbständig Tätigen der gewerblichen oder freien Tätigkeit eines anderen Unternehmers zuzuordnen ist.

c) Art. 15 Abs. 1 Buchst. b DBA-Jugoslawien und Art. 14 Abs. 1 Sätze 2 und 3 DBA-Kasachstan weisen das Besteuerungsrecht auch dann dem Quellenstaat zu, wenn sich die Person an mindestens 183 Tagen (Jugoslawien) oder mehr als 183 Tage (Kasachstan) in diesem Staat aufhält. Entgegen der Auffassung des FG (gleicher Ansicht Prokisch in Vogel/Lehner, a.a.O., Art. 14 Rz. 24; Krüger, IStR 1998, 104, 108) ist hieraus nicht zu folgern, dass die Annahme einer festen Geschäftseinrichtung an andere zeitliche Voraussetzungen als eine sechsmonatige Dauer geknüpft sein muss. Da eine feste Geschäftseinrichtung --wie ausgeführt-- keine ständige Anwesenheit des Unternehmers erfordert, haben beide Merkmale unterschiedliche Voraussetzungen: Das Besteuerungsrecht des anderen Vertragsstaates erfordert entweder eine feste örtliche Verwurzelung des Selbständigen von mindestens sechs Monaten Dauer oder dessen Anwesenheit an mindestens 183 Tagen innerhalb eines Jahres (Jugoslawien) oder an mehr als 183 Tagen in einander folgenden Jahren (Art. 14 Abs. 1 Satz 3 DBA-Kasachstan) im anderen Vertragsstaat. Diese Doppelbesteuerungsabkommen knüpfen das Besteuerungsrecht des anderen Vertragsstaates folglich neben dem ortsbezogenen Merkmal der Geschäftseinrichtung alternativ an das personenbezogene Merkmal der Anwesenheit des Unternehmers im Quellenstaat an mindestens (oder mehr als) 183 Tagen, bei dem eine vergleichbar enge wirtschaftliche Bindung an den Tätigkeitsstaat unterstellt wird.

4. Nach den Feststellungen des FG nutzte der Kläger in Sofia, Sarajewo, Banja Luka und Pristina für seine Tätigkeit Büros, die ihm entweder von seinen Auftraggebern zur Verfügung gestellt oder von ihm selbst angemietet wurden. Dort befanden sich Telefon, PC, Internet- und Faxanschlüsse. Dem Kläger standen demnach jeweils Büroräume zur Verfügung, die so ausgestattet waren, dass er seine Tätigkeit dort ausüben konnte (Senatsurteil in BFHE 170, 263, BStBl II 1993, 462). Die Feststellungen des FG reichen aber nicht aus, um beurteilen zu können, ob der Kläger in den jeweiligen Ländern im Streitjahr über eine feste Einrichtung verfügt hat.

Der Kläger war im Streitjahr im Februar 11 Tage, im März 13 Tage, im Mai und Juni insgesamt 20 Tage, im August 19 Tage und im Oktober und November insgesamt 14 Tage in Bulgarien. In Bosnien und Herzegowina arbeitete er im Februar und März insgesamt 14 Tage, im März und April 20 Tage, im Juni 13 Tage, im Juli sieben und erneut mit Unterbrechung acht Tage und im Kosovo im November und Dezember 33 Tage. Feststellungen zu seiner Tätigkeit in Kasachstan im Jahr 1998 fehlen.

Der Kläger hat sich demnach sowohl in Jugoslawien als auch in Bulgarien jeweils weniger als sechs Monate aufgehalten. Feste Geschäftseinrichtungen, die dem Kläger für seine selbständige Tätigkeit gewöhnlich zur Verfügung standen, unterhielt er in diesen Ländern nur, wenn diese Büros, und zwar jedes für sich betrachtet, auch während seiner Abwesenheit dazu bestimmt waren, seiner selbständigen Tätigkeit für mindestens sechs Monate zu dienen. Das wäre der Fall, wenn diese Büros entweder ausschließlich für ihn vorgehalten wurden oder wenn die Einkünfte, die dort während seiner Abwesenheit erwirtschaftet wurden, seiner selbständigen Arbeit zuzurechnen wären.

Wurden die Büros während seiner Abwesenheit auch von anderen --deutschen oder lokalen-- Fachexperten benutzt, die ebenfalls von seinen Auftraggebern beschäftigt oder beauftragt wurden, wäre deren Tätigkeit nicht der selbständigen Arbeit des Klägers zuzuordnen. Vielmehr handelte es sich in diesem Fall um Tätigkeiten auf Rechnung der jeweiligen Auftraggeber oder Fachexperten und damit entweder um Geschäftseinrichtungen seiner Auftraggeber oder um solche der anderen Fachexperten, und zwar auch dann, wenn diese für das gleiche Projekt wie der Kläger arbeiteten und der Kläger hierfür federführend gewesen sein sollte. Allein ein sachlicher Zusammenhang zwischen seinen Beraterverträgen und der dort ausgeübten Tätigkeit genügt für die Zurechnung einer festen Geschäftseinrichtung ebenso wenig wie ein gelegentliches Verweilen in Räumen, die dem Unternehmer von seinem Auftraggeber zur Verfügung gestellt wurden (vgl. Senatsurteil vom 11. Oktober 1989 I R 77/88, BFHE 158, 499, BStBl II 1990, 166).

5. Das FG ist von anderen rechtlichen Grundsätzen ausgegangen. Seiner Auffassung nach kann ein selbständig Tätiger auch dann über eine feste Einrichtung im anderen Vertragsstaat verfügen, wenn diese für weniger als sechs Monate besteht. Das Urteil ist daher aufzuheben und mangels Spruchreife an das FG zurückzuverweisen.

Sollte das FG zu dem Ergebnis kommen, dass der Kläger im Streitjahr in den jeweiligen Staaten über feste Einrichtungen verfügt hat, weil entweder ein speziell ihm vorbehaltenes Büro vorhanden war oder in den Projektbüros während seiner Abwesenheit Subunternehmer oder Arbeitnehmer des Klägers beschäftigt waren, steht das Besteuerungsrecht für die hier streitigen Einkünfte insoweit den Tätigkeitsstaaten zu, als sie den festen Einrichtungen zugerechnet werden können.

Einer festen Einrichtung sind diejenigen Einkünfte zuzurechnen, für die sie bei wirtschaftlicher Betrachtung vollständig oder zumindest ganz überwiegend ursächlich geworden ist. Es kommt folglich nicht allein darauf an, an welchem Ort die selbständige Arbeit ausgeübt wird (so aber Prokisch in Vogel/Lehner, a.a.O., Art. 14 Rz. 10). Wird eine selbständige Arbeit in einer festen Einrichtung verrichtet, spricht aber eine Vermutung dafür, dass die hierdurch veranlassten Einnahmen der festen Einrichtung zuzurechnen sind. Ergänzend können die vertraglichen Regelungen herangezogen werden. Hat der Selbständige --wie hier-- seine Leistungen teils im Wohnsitzstaat, teils im anderen Vertragsstaat zu erbringen, kann dies einen wesentlichen Anhalt für eine Aufteilung bieten. Jedoch kann aus einer hiervon abweichenden Vertragsdurchführung auch eine andere Zuordnung folgen. Maßgeblich ist letztlich, mit Hilfe welcher festen Einrichtung der Selbständige seine Leistung erbringt (Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 14 MA Rz. 81). Dabei ist zu beachten, dass ein Teil des erzielten Gewinns stets dem Bereich der Geschäftsleitung zuzuordnen ist (Senatsurteile vom 19. November 2003 I R 3/02, BFHE 204, 145, BStBl II 2004, 932 a.E.; vom 9. Juli 2003 I R 4/02, BFH/NV 2004, 83). Im Zweifel kommt dem Wohnsitzstaat der Vorrang zu.



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