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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 24.01.2001
Aktenzeichen: I S 10/00
Rechtsgebiete: KStG, FGO, ZPO


Vorschriften:

KStG § 27 Abs. 3 Satz 2
KStG § 8 Abs. 3 Satz 2
FGO § 69 Abs. 3 Satz 1
FGO § 69 Abs. 2 Satz 2
FGO § 118 Abs. 2
FGO § 155
ZPO § 294
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. 1. An der Antragstellerin, Klägerin und Revisionsklägerin (Antragstellerin) waren in den Streitjahren zwei Gesellschafter mit 40 % und ein dritter Gesellschafter mit 20 % beteiligt. Die ersteren waren zugleich Geschäftsführer. Sie erhielten ursprünglich ein monatliches Bruttogehalt von 2 000 DM, ab 1983 von 5 000 DM, zudem stand ihnen ein 13. Monatsgehalt zu. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) zahlte die Antragstellerin die Gehälter ab 1983 wegen schlechter Liquiditätslage unregelmäßig und teilweise erheblich verspätet aus. Für rückständige Gehaltszahlungen bildete sie Rückstellungen. In den Streitjahren zahlte die Antragstellerin die vollen Gehälter aus, 1994 allerdings nur bis zum Monat Juni. Die dafür erforderlichen Mittel stammten aus Darlehen von Schwestergesellschaften der Antragstellerin, an denen ihre Geschäftsführer ebenfalls beteiligt waren.

Der Antragsgegner, Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) behandelte die Geschäftsführergehälter der Streitjahre als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) und, soweit abgeflossen, als andere Ausschüttungen i.S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG).

Die Klage, mit der sich die Antragstellerin letztlich gegen die Behandlung der ausbezahlten Gehälter als vGA wendet, hatte teilweise Erfolg.

Das FG führte aus, dem FA sei zwar in dessen Ausgangspunkt zu folgen, dass Zahlungen aufgrund einer nicht ernstlich gemeinten Gehaltsvereinbarung als vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG zu beurteilen seien. Hinsichtlich der in den Streitjahren ausgezahlten Gehälter fehle es aber nicht an einer ernstlich gewollten Gehaltsvereinbarung. Diese genüge dem Maßstab des Fremdvergleichs. Die steuerliche Beurteilung einer Vereinbarung als ernstlich gewollt könne für einzelne Gehaltsteile gesondert erfolgen.

Angesichts der Ertragssituation der Antragstellerin erschienen die Gehaltsbezüge für die Streitjahre allerdings überhöht. Aus der Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers wäre ein Jahresgehalt in der vereinbarten Höhe von 65 000 DM bei Beschäftigung nur eines Geschäftsführers noch gerechtfertigt gewesen. Bei der Anstellung zweier Geschäftsführer könne nach dem Maßstab des Fremdvergleichs unter Würdigung aller Umstände des Falles jedem Geschäftsführer nur die Hälfte des vereinbarten Gehalts zustehen. Die darüber hinausgehenden Teile der Gehaltszahlungen stellten vGA dar.

Das FG hatte die Vollziehung der angefochtenen Bescheide einschließlich Zinsen und Solidaritätszuschlägen in vollem Umfange (insgesamt in Höhe von 187 491 DM) ausgesetzt. Nach Abschluss des Klageverfahrens hat die Antragstellerin beim FA die weitere Aussetzung der Vollziehung (AdV) der Bescheide beantragt. Dies lehnte das FA mit Bescheid vom 7. Juni 2000 und Einspruchsentscheidung vom 28. Juli 2000 insoweit (damit in Höhe von insgesamt 93 616 DM) ab, als das FG die Klage abgewiesen hat. Es erhob Säumniszuschläge ab 17. Mai 2000.

2. Die Antragstellerin hat --neben dem FA-- gegen die Vorentscheidung Revision eingelegt. Zudem hat sie die vom FA abgelehnte AdV der angefochtenen Bescheide in Höhe von 93 616 DM sowie, soweit vom beschließenden Senat AdV gewährt werden sollte, die Aufhebung des Beschlusses über die Erhebung von Säumniszuschlägen beantragt.

Die Antragstellerin macht geltend, das FG habe mit seiner Entscheidung den Rechtsbegriff der Schätzung verkannt. Es sei nicht erkennbar, ob es sich vom Gedanken einer angemessenen Gewinnaussicht der Antragstellerin habe leiten lassen. Das FG habe zwar den Maßstab des Fremdvergleichs unter Würdigung der Umstände des Falles herangezogen, ohne dies allerdings näher zu begründen.

Die Höhe der Geschäftsführergehälter habe trotz der kritischen wirtschaftlichen Situation der Antragstellerin unterhalb der Angemessenheitsgrenze gelegen. Abzustellen sei auf den Zeitpunkt des Abschlusses einer Gehaltsvereinbarung. Die Gehälter seien seit dem Jahr 1983 nicht mehr erhöht worden. Bei einer jährlichen Erhöhung von nur 5 % hätten sich die monatlichen Gehälter 1992 auf 7 387 DM und 1994 auf 8 144 DM belaufen. Die tatsächlich bezahlten Gehälter von 5 000 DM lägen noch unter dem Durchschnittseinkommen aller Arbeitnehmer im Bundesgebiet, das derzeit mit etwa 5 200 DM monatlich zu beziffern sei. Es handele sich dabei um dem Durchschnittslohn eines Facharbeiters. Damit könne die Entlohnung des Geschäftsführers einer GmbH, die Immobiliengeschäfte betreibe, nicht verglichen werden. Zudem hätten die Geschäftsführer weder eine Pensionszusage erhalten noch sei ihnen eine Tantieme gewährt worden.

Die Antragstellerin habe in früheren Jahren gut verdient und noch im Jahre 1989 bei einem Umsatz von ca. 450 000 DM einen Gewinn von ca. 230 000 DM ausgewiesen. Die seit 1991 beginnende Immobilienkrise, die heute noch nicht beendet sei, habe positive Ergebnisse nicht mehr zugelassen. Immerhin habe die Antragstellerin 1996 bei einem Umsatz von ca. 171 000 DM den Vorjahresverlust von ca. 160 000 DM auf ca. 23 700 DM drücken und dabei die Darlehensforderung einer Schwestergesellschaft um ca. 100 000 DM zurückführen können. Zwar seien die Geschäftsführer auch bei zwei Schwestergesellschaften als solche tätig gewesen und hätten Gehälter in Höhe von jeweils 130 000 DM zugesagt bekommen. Allerdings hätten sie seit Januar 1996 auf die Gehälter verzichtet.

Die Vollziehung der angefochtenen Bescheide würde zudem eine unbillige Härte darstellen, da der Antragstellerin mit der Vollziehung nicht nur wirtschaftliche Nachteile, sondern auch eine akute Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Existenz drohen würden. Mangels jeglicher Rücklagen wäre sie nicht in der Lage, die aufgrund einer vGA nachveranlagte Körperschaftsteuer zu entrichten. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der eingelegte Rechtsbehelf offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe.

Das FA beantragt die Zurückweisung des Antrags.

Das von der Antragstellerin angeführte "gute" Jahr 1989 sei das einzige gewesen, in dem sie geschäftlich erfolgreich gewesen sei. In den sonstigen Jahren seien beträchtliche Verluste erwirtschaftet und Umsätze erzielt worden, die regelmäßig die Höhe der Gehaltsaufwendungen nicht erreicht hätten. Im Jahr 1996 seien keine Gehälter mehr bezahlt worden. Wäre dies geschehen, wären Verluste in ähnlicher Höhe wie in den sonstigen Jahren entstanden. Da die Geschäftsführer der Antragstellerin auch für andere Gesellschaften tätig geworden seien, könne davon ausgegangen werden, dass sie ihre Arbeitskraft nicht in vollem Umfang der Antragstellerin hätten zur Verfügung stellen können; dies sei zusätzlich bei der Prüfung der Angemessenheit der Gehälter zu berücksichtigen.

II. Der Antrag war abzulehnen.

Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Beide Voraussetzungen liegen nicht vor.

1. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen, wenn --bei summarischer Prüfung-- gewichtige Umstände Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4. Mai 1977 I R 162-163/76, BFHE 123, 3, BStBl II 1977, 765). Ist der Verwaltungsakt --wie im Streitfall-- bereits Gegenstand eines anhängigen Revisionsverfahrens, können ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit nur anerkannt werden, wenn unter Berücksichtigung der besonderen Voraussetzungen des Revisionsverfahrens und der beschränkten Prüfungsmöglichkeiten des Revisionsgerichts, insbesondere seiner Bindung an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz (§ 118 Abs. 2 FGO), ernstlich mit der Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts gerechnet werden kann. Die Erfolgsaussichten sind auf der Grundlage der sich im Revisionsverfahren stellenden Rechtsfragen zu prüfen (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 69 Anm. 87, m.w.N.).

Hiervon ausgehend bestehen an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide keine ernstlichen Zweifel.

a) Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG sind bei einer Kapitalgesellschaft Vermögensminderungen oder verhinderte Vermögensvermehrungen zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind, sich auf die Höhe des Einkommens auswirken und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung stehen (BFH-Urteil vom 22. Februar 1989 I R 44/85, BFHE 156, 177, BStBl II 1989, 475). Eine Veranlassung der Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis ist regelmäßig anzunehmen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (BFH-Urteil vom 16. März 1967 I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626).

Für die Angemessenheit der Bezüge eines Gesellschafter-Geschäftsführers gibt es keine festen Regeln (BFH-Urteil vom 5. Oktober 1977 I R 230/75, BFHE 124, 164, BStBl II 1978, 234). Die obere Grenze ist im Einzelfall durch Schätzung zu ermitteln. Innerbetriebliche und außerbetriebliche Merkmale können einen Anhaltspunkt für die Schätzung bieten. Beurteilungskriterien sind Art und Umfang der Tätigkeit, die künftigen Ertragsaussichten des Unternehmens, das Verhältnis des Geschäftsführergehaltes zum Gesamtgewinn und zur verbleibenden Kapitalverzinsung sowie Art und Höhe der Vergütungen, die gleichartige Betriebe ihren Geschäftsführern für entsprechende Leistungen gewähren.

b) Die Schätzung obliegt grundsätzlich dem FG (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO). Würdigt das FG die Umstände des Einzelfalles dahin gehend, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter die streitigen Aufwendungen nicht getätigt hätte, liegt darin eine tatsächliche Feststellung, an die der BFH gemäß § 118 Abs. 2 FGO regelmäßig gebunden ist (Senatsbeschlüsse vom 18. Mai 1999 I B 140/98, BFH/NV 1999, 1516; vom 21. Mai 1997 I B 6/97, BFH/NV 1997, 904). Der BFH ist als Revisionsinstanz zwar nicht gehindert, die Auslegung des FG daraufhin zu überprüfen, ob die gesetzlichen Auslegungsregeln, die Denkgesetze und mögliche Erfahrungssätze zutreffend angewandt worden sind. Auf diesen Rahmen ist die revisionsrechtliche Überprüfung jedoch beschränkt (vgl. BFH-Urteile vom 4. Juli 1984 I R 13, 14 und 65/84 nicht veröffentlicht; vom 6. Februar 1985 I R 80/81, BFHE 143, 426, BStBl II 1985, 420; vom 1. Juli 1992 I R 78/91, BFHE 168, 293, BStBl II 1992, 975).

c) Das FG hat vorliegend seine Schätzungsbefugnis dem Grunde nach nicht verkannt. Es hat sich an dem Beurteilungsmaßstab eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters orientiert. Das FG hat erkennbar entscheidend auf die schlechte Ertragssituation und mangelnde Liquidität der Antragstellerin nicht nur in den Streitjahren, sondern bereits ab dem Jahr 1983 als Jahr der Vereinbarung der in den Streitjahren bezahlten Gehälter abgestellt. Die von ihm dabei herangezogenen Umstände des Streitfalles sind seinen dazu getroffenen Feststellungen im Tatbestand der Vorentscheidung zu entnehmen und geeignet, in die Beurteilung der Angemessenheit von Gehältern durch einen ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter Eingang zu finden. Diese Feststellungen sind für den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend. Zulässige und begründete Revisionsrügen dagegen hat die Antragstellerin nicht vorgebracht. Dass das FG bei seiner Würdigung der Gesamtumstände des Falles Denkgesetze und mögliche Erfahrungssätze verletzt hat, ist nicht erkennbar. Dies gilt insbesondere auch, soweit es berücksichtigt hat, dass für die Antragstellerin zwei Geschäftsführer tätig geworden sind. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist vorliegend nicht entscheidend auf die Höhe einer funktionsbezogenen Vergütung abzustellen. Aufgabe eines Erwerbsunternehmens ist, Gewinne zu erzielen (vgl. BFH-Urteile vom 16. April 1980 I R 75/78, BFHE 133, 19, BStBl II 1981, 492; vom 10. Juni 1987 I R 149/83, BFHE 150, 524, BStBl II 1988, 25). Mit dieser Aufgabenstellung ist eine rein leistungsorientierte Entlohnung der Geschäftsführer jedenfalls dann nicht vereinbar, wenn sie der Gesellschaft selbst keine angemessene Gewinnteilhabe ermöglicht (vgl. auch BFH-Urteile vom 23. Mai 1984 I R 294/81, BFHE 141, 266, BStBl II 1984, 673; vom 5. Oktober 1977 I R 230/75, BFHE 124, 164, BStBl II 1978, 234). Unter diesem Aspekt kann auch der von der Antragstellerin angestellte Vergleich mit Durchschnittsgehältern oder Gehältern von Facharbeitern nicht entscheidend sein. Gleiches gilt für ihren Hinweis, dass die Gehälter ihrer Geschäftsführer seit 1983 nicht mehr erhöht worden sind.

2. Ob die nach vorstehenden Grundsätzen zu beurteilenden Erfolgsaussichten der beabsichtigten Revision im Streitfall auch einer AdV wegen unbilliger Härte entgegenstehen, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn die Antragstellerin hat lediglich geltend gemacht, dass die Vollziehung der angefochtenen Bescheide eine unbillige Härte zur Folge hätte, weil sie zu einer Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Existenz führen würde. Sie hat diese Voraussetzungen indessen nicht wie erforderlich (vgl. BFH-Beschluss vom 3. Dezember 1998 III S 11/98, BFH/NV 1999, 826) i.S. von § 155 FGO i.V.m. § 294 der Zivilprozeßordnung durch präsente Beweismittel dargelegt. Insbesondere hat sie keine Vermögensübersicht eingereicht und keine Angaben über bestehende Kreditmöglichkeiten gemacht.



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