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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 18.06.2008
Aktenzeichen: I S 13/07 (PKH)
Rechtsgebiete: EStG, FGO, ZPO


Vorschriften:

EStG § 1 Abs. 3
EStG § 1a
FGO § 119 Nr. 1
FGO § 126a
FGO § 134
FGO § 142 Abs. 1
ZPO §§ 114 ff.
ZPO §§ 578 ff.
ZPO § 579 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Antragsteller sind Eheleute, die in den Jahren 1999 und 2000 (Streitjahre) weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatten. Auf ihren Antrag hin wurden sie gemäß § 1 Abs. 3, § 1a des Einkommensteuergesetzes (EStG) als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt und zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Antragsteller erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Mit ihren beim Finanzgericht (FG) erhobenen Klagen gegen die Einkommensteuerbescheide 1999 und 2000 wandten sich die Antragsteller gegen die steuerliche Erfassung von geldwerten Vorteilen im Zusammenhang mit Wandelschuldverschreibungen, die der Antragsteller von seinem Arbeitgeber erworben und hinsichtlich derer er in den Streitjahren sein Wandlungsrecht ausgeübt hatte.

Die auf die Feststellung der Nichtigkeit des Einkommensteuerbescheids 1999 gerichtete Klage wies das FG ab, ohne die Revision zuzulassen. Einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) zur Durchführung einer Nichtzulassungsbeschwerde lehnte der VI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) ab (Beschluss vom 5. Oktober 2004 VI S 6/04 (PKH), BFH/NV 2005, 13). Die eingereichte Beschwerdeschrift fasste er mit Einverständnis der Antragsteller als "beabsichtigte" Nichtzulassungsbeschwerde auf und löschte das zunächst unter dem Aktenzeichen VI B 132/04 geführte Beschwerdeverfahren ohne förmliche Entscheidung. Hinsichtlich eines zunächst eingereichten und unter dem Aktenzeichen VI S 7/04 geführten Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wies er auf seine instanzielle Unzuständigkeit hin und löschte das Verfahren ebenfalls mit Einverständnis der Antragsteller ohne förmliche Entscheidung.

Die gegen den Einkommensteuerbescheid 2000 gerichtete Klage wies das FG unter Zulassung der Revision ab. Einen Antrag auf Bewilligung von PKH wegen Durchführung eines Revisionsverfahrens lehnte der VI. Senat ab (Beschluss vom 20. Juli 2005 VI S 5/04 (PKH), BFH/NV 2005, 2000). Eine hiergegen gerichtete Anhörungsrüge wies er als unbegründet zurück (Beschluss vom 19. September 2005 VI S 14/05, BFH/NV 2005, 2248). Einen weiteren Antrag auf Bewilligung von PKH lehnte er ebenfalls ab (Beschluss vom 15. März 2006 VI S 2/06 (PKH), BFH/NV 2006, 1097). Auch eine hiergegen gerichtete Anhörungsrüge wies er als unbegründet zurück (Beschluss vom 4. Mai 2006 VI S 6/06). Schließlich wies er mit Beschluss vom 15. März 2006 VI R 41/04 gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Revision als unbegründet zurück ebenso wie eine dagegen gerichtete Anhörungsrüge (Beschluss vom 4. Mai 2006 VI S 5/06, BFH/NV 2006, 1337).

Die Antragsteller begehren die Bewilligung von PKH zur Durchführung eines Antrags auf Wiederaufnahme der vorgenannten Verfahren gemäß § 134 FGO i.V.m. § 578 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO). In dem eingereichten Entwurf des Antrags auf Wiederaufnahme machen sie einen Nichtigkeitsgrund gemäß § 134 FGO i.V.m. § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO geltend. Das erkennende Gericht sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen, da nach dem Geschäftsverteilungsplan des BFH nicht der VI. Senat, sondern der I. Senat zur Entscheidung berufen gewesen sei.

II. Der Antrag war abzulehnen. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH gemäß § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO liegen nicht vor.

1. Die Bewilligung von PKH erfordert neben dem Vorliegen bestimmter persönlicher Voraussetzungen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Rechtsverfolgung bietet dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn für dessen Eintritt bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht (vgl. Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 142 Rz 39, m.w.N. aus der Rechtsprechung). Für den Erfolg des von den Antragstellern beabsichtigten Wiederaufnahmeverfahrens besteht eine derartige Wahrscheinlichkeit nicht.

Es kann dahinstehen, inwieweit und hinsichtlich welcher der von den Antragstellern angeführten Verfahren der beabsichtigte Antrag auf Wiederaufnahme zulässig ist. In jedem Fall ist dieser nämlich offensichtlich unbegründet. Der von den Antragstellern geltend gemachte Nichtigkeitsgrund gemäß § 134 FGO i.V.m. § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO liegt ersichtlich nicht vor.

a) Die Regelung des § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO stimmt mit dem absoluten Revisionsgrund des § 119 Nr. 1 FGO überein (vgl. Bergkemper in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 134 FGO Rz 43). Ebenso wie dort liegt eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung des erkennenden Gerichts nur dann vor, wenn durch eine die Besetzung des Gerichts betreffende Maßnahme zugleich die Garantie des gesetzlichen Richters gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) verletzt ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 29. Januar 1992 VIII K 4/91, BFHE 165, 569, BStBl II 1992, 252; vom 19. Mai 1992 VII S 5-6/92, BFH/NV 1993, 302; vom 16. Februar 1993 XI S 20/92, BFH/NV 1993, 613). Maßnahmen und Entscheidungen eines Gerichts verletzen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nur dann Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wenn sie willkürlich sind. Von Willkür kann nur dann die Rede sein, wenn die Entscheidung eines Gerichts sich bei der Auslegung und Anwendung einer Zuständigkeitsnorm so weit von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt hat, dass sie nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (vgl. etwa BVerfG-Beschlüsse vom 30. Juni 1970 2 BvR 48/70, BVerfGE 29, 45, 48 f.; vom 3. November 1992 1 BvR 137/92, BVerfGE 87, 282, 284 f.; hierzu auch Senatsbeschluss vom 3. Mai 2006 I S 2/06, juris).

b) Dies ist hinsichtlich der von den Antragstellern angeführten Verfahren nicht der Fall. Aus dem Inhalt der Akten sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der VI. Senat bewusst vom Geschäftsverteilungsplan des BFH abgewichen ist. Aus dem pauschalen Vorbringen der Antragsteller ergibt sich nichts anderes. Die Bejahung der Zuständigkeit war auch in objektiver Hinsicht nicht offensichtlich unhaltbar. Nach dem Geschäftsverteilungsplan des BFH in den für die betreffenden Verfahren geltenden Fassungen war die Entscheidung über die Einkommensteuer betreffend der --in den Verfahren in Rede stehenden-- Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit grundsätzlich dem VI. Senat zugewiesen. Hiervon war zwar u.a. die Konstellation der beschränkten Steuerpflicht einschließlich der Fälle des § 1 Abs. 3 sowie --wie ab dem Jahr 2006 klarstellend eingefügt-- des § 1a EStG ausgenommen und dem I. Senat zugewiesen. Nach Abschn. I.7. der "Ergänzenden Regelungen" des Geschäftsverteilungsplans wurde eine Zuständigkeit der einzelnen Senate für die ihnen zugewiesenen Rechtsgebiete jedoch nur dann begründet, wenn Fragen aus diesen Rechtsgebieten streitig waren. Verstünde man dies "eng", könnte für die Zuständigkeit des I. Senats zu verlangen sein, dass gerade die Auslegung und Anwendung der § 1 Abs. 3, § 1a EStG streitig sein muss, was vorliegend nicht der Fall war. Der VI. Senat ist daher nicht von einer Zuständigkeit ausgegangen, die nach dem Geschäftsverteilungsplan offensichtlich nicht bestehen konnte. Vielmehr kam seine Zuständigkeit ernsthaft in Betracht.

Hieran ändert sich nichts dadurch, dass die Zuständigkeitsregelung --wie nunmehr sowohl der VI. Senat als auch der beschließende Senat annehmen-- tatsächlich anders zu verstehen ist und es allein darauf ankommt, ob --wie es vorliegend der Fall ist-- die Besteuerung eines unter § 1 Abs. 3, § 1a EStG fallenden Steuerpflichtigen streitig ist. Die lediglich irrtümliche Abweichung des VI. Senats vom Geschäftsverteilungsplan, der bei objektiver Betrachtung kein offensichtlich unhaltbares Verständnis zugrunde lag, begründet keinen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. hierzu auch Senatsbeschluss vom 3. Mai 2006 I S 2/06, juris; Beschlüsse des Bundesgerichtshofs vom 5. Oktober 1982 X ZB 4/82, BGHZ 85, 116; vom 9. März 1976 X ZB 17/74, Neue Juristische Wochenschrift 1976, 1688).

2. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen, da das Verfahren keine Gerichtsgebühr auslöst.

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