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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 03.11.2000
Aktenzeichen: I S 3/00
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 160
FGO § 69 Abs. 6 Satz 2
FGO § 69 Abs. 3 Satz 1
FGO § 69 Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über die Rechtmäßigkeit einer Aufforderung zur Benennung eines Zahlungsempfängers gemäß § 160 der Abgabenordnung (AO 1977).

Die Antragstellerin ist eine 1977 gegründete GmbH, deren alleiniger Geschäftsführer in den Streitjahren (1982 bis 1990) Herr X war. Ihr Unternehmensgegenstand ist der "Import und Export, Kauf und Vertrieb sowie Vermietung und Leasing von ...". Die Geschäftsleitung der Antragstellerin befand sich zunächst in Y; seit 1990 befindet sie sich in Z.

Die für die Besteuerung der Antragstellerin zuständigen Finanzämter erkannten bei den Veranlagungen für die Streitjahre bestimmte Betriebsausgaben, die mit Zahlungen an die liechtensteinische A-AG zusammenhingen, nicht als abzugsfähig an. Dem lag zu Grunde, dass es sich bei der A-AG nach den Feststellungen der Oberfinanzdirektion (OFD) um eine Domizilgesellschaft handelte und dass die Antragstellerin trotz Aufforderung die Geschäftsverhältnisse der A-AG nicht offengelegt hatte. Der später für die Antragstellerin zuständig gewordene Antragsgegner (das Finanzamt --FA--) wies die Einsprüche gegen die entsprechenden Bescheide zurück. Die daraufhin erhobene Klage der Antragstellerin wies das Finanzgericht (FG) ab, ohne die Revision zuzulassen. Die deswegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hat der Senat mit Beschluss vom heutigen Tage als unzulässig verworfen. Eine ebenfalls eingelegte Revision gegen das FG-Urteil hat die Antragstellerin bislang nicht begründet.

Im Verlauf des erstinstanzlichen Klageverfahrens beantragte die Antragstellerin beim FG, die Vollziehung der angefochtenen Bescheide auszusetzen. Diesen Antrag lehnte das FG ab; die Beschwerde gegen seine Entscheidung ließ es nicht zu. Nach Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde stellte die Antragstellerin erneut einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV), den sie nunmehr an den Bundesfinanzhof (BFH) richtete. Dieser Antrag ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Die Antragstellerin macht geltend, aus ihren Ausführungen im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ergebe sich, dass die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide ernstlich zweifelhaft sei. Zudem führe die sofortige Vollziehung der Bescheide zu einer unbilligen Härte, da die Steuerforderungen der Höhe nach geeignet seien, ihren --der Antragstellerin-- Geschäftsbetrieb in Frage zu stellen. Außerdem habe das FA gegenüber X einen Haftungsbescheid erlassen, aus dem es nunmehr vollstrecke, wodurch die wirtschaftliche Existenz des X bedroht sei. Der an den BFH gerichtete Antrag sei gemäß § 69 Abs. 6 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässig, nachdem das FG die mit der Nichtzulassungsbeschwerde geschilderten Umstände nicht berücksichtigt habe.

Die Antragstellerin beantragt, die Vollziehung der angefochtenen Bescheide bis zur Rechtskraft der Entscheidung im Hauptsacheverfahren auszusetzen und zugleich rückwirkend auf den Zeitpunkt der Fälligkeit der festgesetzten Steuern aufzuheben.

Das FA beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

II. Der Antrag kann keinen Erfolg haben. Es mag dahingestellt bleiben, ob er nicht schon deshalb unzulässig ist, weil die Antragstellerin die nunmehr geltend gemachten Tatsachen und Erwägungen schon im AdV-Verfahren vor dem FG vorgetragen hat oder hätte vortragen können (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 13. Oktober 1999 I S 4/99, BFHE 190, 34, BStBl II 2000, 86, m.w.N.). Jedenfalls kann die Antragstellerin die begehrte AdV deshalb nicht erhalten, weil nach Aktenlage die sachlich-rechtlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen:

1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO kann die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. Bei der Beurteilung dieses Merkmals ist nach gefestigter Rechtsprechung des BFH indessen nicht nur die materielle Rechtmäßigkeit des zu beurteilenden Bescheids, sondern zugleich zu berücksichtigen, inwieweit dieser Bescheid unter verfahrensrechtlichen Gesichtspunkten noch geändert werden könne. Dieser Grundsatz gilt namentlich dann, wenn es um Bescheide geht, die Gegenstand eines Revisionsverfahrens oder einer Nichtzulassungsbeschwerde sind. Deshalb kann in einem solchen Fall eine AdV nur dann gewährt werden, wenn auch bei Beachtung der beschränkten Überprüfungsmöglichkeiten des BFH ernstlich mit einer Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts gerechnet werden kann (BFH-Beschlüsse vom 16. Juli 1997 III S 10/96, BFH/NV 1998, 178; vom 11. Februar 1999 XI S 14/98, BFH/NV 1999, 926; Gosch in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 69 FGO Rz. 156, m.w.N.). Ob eine solche Situation vorliegt, ist anhand einer summarischen Prüfung zu beurteilen, bei der nur die aus den Akten erkennbaren Umstände und die dem Gericht zur Verfügung stehenden ("präsenten") Beweismittel berücksichtigt werden können (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Auflage, § 69 Rz. 104 f., m.w.N.).

2. Im Streitfall sind die angefochtenen Bescheide durch das FG bestätigt worden. Darüber hinaus hat der Senat die Nichtzulassungsbeschwerde der Antragstellerin verworfen. Bei diesem Sachstand ist nicht ernstlich damit zu rechnen, dass die Bescheide noch zu Gunsten der Antragstellerin geändert werden können. Eine solche Änderungsmöglichkeit könnte sich lediglich dann ergeben, wenn die noch nicht beschiedene Revision der Antragstellerin Erfolg hätte. Hierfür bestehen zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber schon deshalb keine hinreichenden Anhaltspunkte, weil die Revision bisher nicht begründet worden ist. Demgemäß ist bei der erforderlichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage eine Änderung der angefochtenen Bescheide nicht zu erwarten, so dass unter diesem Gesichtspunkt die von der Antragstellerin begehrte AdV nicht gewährt werden kann.

3. Eine AdV kann nach den genannten Vorschriften ferner dann erfolgen, wenn die sofortige Vollziehung der Bescheide zu einer unbilligen Härte führen würde, die nicht durch überwiegende öffentliche Interessen geboten wäre. Diese Voraussetzung liegt jedoch im Streitfall ebenfalls nicht vor. Für die Antragstellerin selbst ergibt sich eine unbillige Härte schon deshalb nicht, da sie nach dem unwidersprochenen Vortrag des FA ihren Geschäftsbetrieb bereits eingestellt hat und liquidiert werden soll. Die von der Antragstellerin angeführte Vollstreckung gegenüber X könnte allenfalls in dessen Person, nicht aber für die Antragstellerin zu einer unbilligen Härte führen; einer solchen könnte nur durch eine AdV des Haftungsbescheids gegenüber X, nicht aber im vorliegenden Verfahren Rechnung getragen werden. Abgesehen davon hat die Antragstellerin die behauptete Bedrohung der Existenz des Geschäftsführers weder substantiiert dargestellt noch gar in der gebotenen Form (hierzu Gosch, a.a.O., § 69 FGO Rz. 161) glaubhaft gemacht.



Ende der Entscheidung

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