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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 07.01.2004
Aktenzeichen: I S 6/03 (PKH)
Rechtsgebiete: FGO, ZPO, EStG


Vorschriften:

FGO § 73 Abs. 1 Satz 1
FGO § 142 Abs. 1
ZPO § 114
EStG § 2a
EStG § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
I S 5/03 (PKH) I S 6/03 (PKH)

Gründe:

I. Der Kläger und Antragsteller (Kläger) wird für die Jahre 1989 und 1990 mit seiner Ehefrau, mit der er seit Ende 1988 verheiratet ist, zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Im März 1989 zog die Ehefrau aus der Türkei, wo sie bis dahin berufstätig war, zu dem Kläger nach X (Deutschland). In Deutschland war sie ab 20. August 1989 nichtselbständig tätig. Im Sommer 1989 schloss der Kläger einen Vertrag über den Kauf eines Grundstücks und eines noch im Jahr 1989 zu errichtenden Wohngebäudes in einer Ferienhaussiedlung in der Türkei. Der Vertrag wurde 1994 rückabgewickelt, da das Gebäude bis dahin noch nicht fertig gestellt worden war.

In der Einkommensteuererklärung für 1989 machten die Eheleute Kosten des Umzugs der Ehefrau aus der Türkei nach X in Höhe von ca. 1 300 DM als Werbungskosten der Ehefrau in Zusammenhang mit deren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und einen Verlust aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von ca. 11 000 DM geltend, der dem Kläger seinen Angaben nach durch die Fremdfinanzierung des Kaufpreises des Objektes in der Türkei, Fahrtkosten zur Besichtigung des Grundstücks und Absetzungen für Abnutzung entstanden war. Auch für 1990 erklärte der Kläger einen Verlust aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von etwa 11 000 DM aus dem Objekt in der Türkei.

Der Beklagte, Antragsgegner und Beschwerdegegner (das für die Einkommensteuerveranlagungen zuständige Finanzamt --FA--) berücksichtigte bei den Einkommensteuerveranlagungen weder die Umzugskosten noch die Verluste aus Vermietung und Verpachtung. Die u.a. deshalb erhobenen Klagen, mit denen der Kläger vortrug, die Umzugskosten seien beruflich veranlasst und die Verluste aus dem Objekt in der Türkei seien bei der Besteuerung zu berücksichtigende inländische Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, wies das Finanzgericht (FG) ab. Die Revision ließ das FG nicht zu.

Mit Schreiben vom 21. und 24. Juni 2003 hat der Kläger beantragt, ihm Prozesskostenhilfe (PKH) für die beabsichtigten Beschwerden wegen Nichtzulassung der Revision gegen die FG-Urteile zu bewilligen.

Das FA beantragt, die Anträge auf Bewilligung von PKH zurückzuweisen.

II. Der beschließende Senat hat es für zweckmäßig gehalten, gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die beiden Verfahren wegen Bewilligung von PKH zur gemeinsamen Entscheidung zu verbinden.

III. Die Anträge des Klägers waren abzulehnen. Die Bewilligung von PKH setzt gemäß § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung u.a. voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Diese Voraussetzung ist für die vom Kläger beabsichtigten Beschwerden nicht gegeben.

1. Zu den Umzugskosten hat das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Aufwendungen im März 1989 durch einen Umzug der Ehefrau des Klägers aus der Türkei zu ihrem Ehemann nach X entstanden sind und dass die spätere Arbeitsaufnahme der Ehefrau in Deutschland im Zeitpunkt des Umzugs noch nicht konkretisiert war. An diese Feststellungen des FG wäre der beschließende Senat im Beschwerde- und im anschließenden Revisionsverfahren gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Sie werden vom Kläger nicht angegriffen und hinsichtlich der im Zeitpunkt des Umzugs noch fehlenden Konkretisierung der späteren Berufstätigkeit durch den Vortrag des Klägers im Einspruchsverfahren bestätigt, seine Ehefrau habe nach ihrem Umzug nicht sofort dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestanden und wegen der Arbeitslosenquote von seinerzeit 9 % sei es ihr auch erst nach einigen Monaten gelungen, ein Stellenangebot zu erhalten.

Aus seinen tatsächlichen Feststellungen hat das FG den Schluss gezogen, der Umzug habe ausschließlich der Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft gedient und daher seien die Umzugskosten allein durch die private Lebensführung veranlasst; eine Veranlassung durch die spätere Berufstätigkeit der Ehefrau sei ausgeschlossen; die Umzugskosten seien daher nicht als Aufwendungen zur Erwerbung von Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit (s. § 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) zu beurteilen.

Diese Schlussfolgerungen sind entgegen der Auffassung des Klägers mit den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 4. Dezember 2002 2 BvR 400/98 und 1735/00 (BStBl II 2003, 534, 541) zur verfassungsrechtlich gebotenen Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit und dem Schutz von Ehe und Familie vereinbar. Nach diesem Beschluss kommt es für die steuermindernde Berücksichtigung von Aufwendungen nicht nur auf die Unterscheidung zwischen beruflichem oder privatem Veranlassungsgrund an, sondern auch auf die Unterscheidung zwischen freier oder beliebiger Einkommensverwendung einerseits und zwangsläufigem, pflichtbestimmtem Aufwand andererseits. Die unterschiedlichen Gründe, die den Aufwand veranlassten, sind auch dann im Lichte betroffener Grundrechte differenzierend zu würdigen, wenn solche Gründe ganz oder teilweise der Sphäre der allgemeinen (privaten) Lebensführung zuzuordnen sind.

Daraus folgt zwar, dass die FÄ und die Gerichte die durch die private Lebensführung eines Steuerpflichtigen veranlassten Aufwendungen, wie z.B. Aufwendungen für die Ernährung und die Wohnung, steuermindernd berücksichtigen müssen, wenn und soweit diese Aufwendungen für den Steuerpflichtigen zwangsläufig entstehen, um seine Berufstätigkeit ausüben zu können. Dies ändert aber nichts daran, dass Aufwendungen, die --wie im Streitfall die Umzugskosten der Ehefrau des Klägers-- bereits vor Aufnahme der Berufstätigkeit entstanden sind, nur dann als sog. vorweggenommene Werbungskosten zu berücksichtigen sind, wenn sie einen hinreichend klaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der späteren Berufstätigkeit aufweisen (s. Bundesfinanzhof --BFH--, Urteile vom 18. April 1996 VI R 5/95, BFHE 180, 357, BStBl II 1996, 482; vom 13. Juni 1996 VI R 89/95, BFH/NV 1997, 98). Diesen hinreichend konkretisierten Zusammenhang wiesen die im Streitfall zu beurteilenden Umzugsaufwendungen nach den tatsächlichen Feststellungen des FG nicht auf.

2. Zu den Verlusten aus Vermietung und Verpachtung hat das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass sie durch den Kauf eines in der Türkei belegenen Grundstücks und eines auf dem Grundstück noch zu errichtenden Ferienhauses entstanden sind und dass der Kläger plante, das Grundstück mit Haus an einen gewerblichen Zwischenmieter zu vermieten und dadurch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen. Die Verluste, deren Höhe das FG als nicht entscheidungserheblich ansah und die es deshalb auch nicht festgestellt hat, sind gemäß § 2a EStG in der in den Veranlagungszeiträumen 1989 und 1990 geltenden Fassung (EStG a.F.) nach den zutreffenden rechtlichen Überlegungen des FG bei den Einkommensteuerveranlagungen des Klägers nicht zu berücksichtigen (s. BFH-Urteil vom 17. Oktober 1990 I R 182/87, BFHE 162, 307, BStBl II 1991, 136).

Der beschließende Senat hat zwar --abweichend von seinem Urteil in BFHE 162, 307, BStBl II 1991, 136-- in seiner Entscheidung vom 13. November 2002 I R 13/02 (BFHE 201, 73, BStBl II 2003, 795) die Auffassung vertreten, § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG a.F. verstoße gegen die Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 52 und 73b des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft --EGVtr-- (= Art. 43 und 56 nach der Zählung des Vertrages von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften --EG--, sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte). Diese Entscheidung betrifft aber die Anwendung des § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG a.F. auf Verluste aus einem im EG-Ausland belegenen und vom Steuerpflichtigen für eigene Wohnzwecke genutzten Grundstück. Auf Verluste aus in der Türkei belegene und durch Vermietung und Verpachtung zu nutzende Immobilien ist sie nicht übertragbar.

Die Niederlassungsfreiheit nach Art. 52 EGVtr gilt nicht im Verhältnis zu der Türkei, da diese kein Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft ist. Art. 73b EGVtr, der abweichend von Art. 67 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. März 1957 --EWGVtr-- (BGBl II 1957, 766, 816) und Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Art. 67 EWGVtr (Richtlinie 88/361/EWG) --sog. Kapitalverkehrsrichtlinie-- Beschränkungen des Kapitalverkehrs auch zwischen den Mitgliedstaaten der EU und dritten Ländern verbietet, gilt erst ab 1994.

Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich eine Geltung der Grundfreiheiten des EWGVtr in Bezug auf die Immobilie in der Türkei auch nicht aus dem Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei vom 12. September 1963 --Assoziierungsabkommen-- (BGBl II 1964, 509 f.). In Art. 13 dieses Abkommens haben die Vertragsparteien zwar u.a. vereinbart, sich von den Art. 52 bis 56 und 58 EWGVtr leiten zu lassen, um untereinander die Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit aufzuheben. Diese Vereinbarung hat aber im Wesentlichen Programmcharakter und ist keine in der innerstaatlichen Rechtsordnung der Mitgliedstaaten der Europäischen Union unmittelbar anwendbare Vorschrift (vgl. Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, Urteil vom 30. September 1987 Rs. 12/86 "Demirel/Stadt Schwäbisch Gmünd", Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofs 1987 S. 3719, 3747, Rz. 25; Schwarze, EU-Kommentar, 2000, Art. 43 EGVtr Rz. 8). Dies gilt auch für die Art. 14 und 16 des Abkommens, auf die sich der Kläger außerdem beruft. Zudem betreffen diese Vorschriften die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs und die Bestimmungen des EGVtr über die Wettbewerbsregeln, die steuerlichen Vorschriften und die Angleichung der Rechtsvorschriften, die in den Streitfällen durch die Anwendung des § 2a EStG a.F. offensichtlich nicht berührt werden. Die Verordnung (EWG) Nr. 2760/72 des Rates vom 19. Dezember 1972 und das Zusatzprotokoll vom 23. November 1970 zum Assoziierungsabkommen (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1972 Nr. L 293) haben an dieser Rechtslage in Bezug auf den Kauf der durch eine nicht gewerbliche Vermietung und Verpachtung zu nutzenden Immobilie nichts geändert.

3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Ende der Entscheidung

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