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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 13.07.2009
Aktenzeichen: II B 10/09
Rechtsgebiete: HGB, AO, FGO


Vorschriften:

HGB § 128 S. 1
AO § 191 Abs. 1
FGO § 60 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Klägerin, ein geschlossener Immobilienfonds in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, erwarb im Jahre 1995 ein Erbbaurecht an einem unbebauten Grundstück. In der Folgezeit hatte die Gründungsgesellschafterin der Klägerin einen Emissionsprospekt herausgegeben, der die Errichtung einer Wohnanlage auf dem Erbbaugrundstück vorsah. Diese Wohnanlage ist später von der Klägerin tatsächlich errichtet worden. Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) ist der Klägerin im Jahr 1995 als Gesellschafter mit einem Zeichnungsbetrag von 100 000 DM beigetreten.

Der Beklagte (das Finanzamt --FA--) nahm an, es liege hinsichtlich des Erwerbs des Erbbaurechts durch die Klägerin sowie der von ihr errichteten Wohnanlage ein einheitlicher Erwerbsgegenstand vor, und setzte, letztmalig durch Einspruchsentscheidung vom 10. Dezember 2004, die Grunderwerbsteuer gegen die Klägerin auf 793 159,88 EUR fest. Hiergegen richtet sich die von der Klägerin erhobene Klage, über die das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden hat.

Den Antrag des Antragstellers, ihn im Hinblick auf seine gesamtschuldnerische Haftung als Gesellschafter der Klägerin für die gegen diese festgesetzte Grunderwerbsteuer zu diesem Klageverfahren beizuladen, lehnte das FG ab. Die Interessen des Antragstellers seien durch die Entscheidung nicht i.S. des § 60 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) berührt. Das vom Antragsteller behauptete Haftungsrisiko bei einem Obsiegen des FA im Hauptverfahren werde dadurch widerlegt, dass in der Gesellschafterversammlung der Klägerin vom 12. November 2005 die Anforderung von Nachschüssen angekündigt worden sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, der das FG nicht abgeholfen hat.

II.

Die Beschwerde ist begründet. Die Voraussetzungen einer --im Streitfall allein in Betracht kommenden-- einfachen Beiladung des Antragstellers gemäß § 60 Abs. 1 FGO sind erfüllt. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat die Entscheidung des FG über die Beiladung vollinhaltlich zu überprüfen und eigenes Ermessen auszuüben (BFH-Beschluss vom 14. Oktober 1997 IV B 147/96, BFH/NV 1998, 345, unter 2., m.w.N.; Spindler in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, --HHSp--, § 60 FGO Rz 104).

1.

Gemäß § 60 Abs. 1 FGO kann das FG von Amts wegen oder auf Antrag andere beiladen, deren rechtliche Interessen nach den Steuergesetzen durch die Entscheidung berührt werden, insbesondere solche, die nach den Steuergesetzen neben dem Steuerpflichtigen haften.

a)

Das FG hat zutreffend erkannt, dass der Antragsteller bei einem Unterliegen der Klägerin in dem anhängigen Verfahren wegen Grunderwerbsteuer gemäß § 191 Abs. 1 der Abgabenordnung i.V.m. dem entsprechend anzuwendenden § 128 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden kann (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 9. Mai 2006 VII R 50/05, BFHE 213, 194, BStBl II 2007, 600, m.w.N.; Loose in Tipke/ Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Vor § 69 AO Rz 43 ff.). Damit sind auch die rechtlichen Interessen des Antragstellers durch die Entscheidung i.S. des § 60 Abs. 1 FGO "berührt". Dieses Merkmal ist erfüllt, wenn der Dritte möglicherweise als Haftender in Betracht kommt (BFH-Beschluss vom 23. April 1996 VII B 240/95, BFH/NV 1996, 828) und daher die Möglichkeit besteht, dass die anstehende Entscheidung des FG rechtlich geschützte Positionen des Beizuladenden positiv oder negativ beeinflusst (BFH-Beschluss vom 16. März 2001 II B 83/00, BFH/NV 2001, 1275; Brandis in Tipke/Kruse, a.a.O., § 60 FGO Rz 15 f.).

b)

Im Streitfall kann die Beiladung nicht --wie vom FG angenommen-- deshalb unterbleiben, weil es an einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme des Antragstellers als Haftungsschuldner fehlt. Ob eine Beiladung gemäß § 60 Abs. 1 FGO eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür voraussetzt, dass durch ein Unterliegen des Hauptbeteiligten die rechtlichen Interessen des Dritten berührt werden (so etwa Brandis in Tipke/Kruse, a.a.O., § 60 FGO Rz 17; Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 60 Rz 17), oder ob es für eine Beiladung ausreichte, wenn die Folgen des Rechtsstreits den Antragsteller wirtschaftlich wegen möglicher Nachschusspflichten treffen könnten, kann für den Streitfall offen bleiben. Die Möglichkeit der Haftung des Antragstellers für die etwaige Grunderwerbsteuerschuld der Klägerin ist jedenfalls nicht schon deshalb entfallen, weil in dem Protokoll der Gesellschafterversammlung der Klägerin vom 12. November 2005 auf die Notwendigkeit der Forderung von Nachschüssen verwiesen wurde. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach dem Protokoll dieser Gesellschaftsversammlung (Punkt 4b der Tagesordnung) die rechtliche Wirksamkeit einer Nachschusspflicht jedenfalls als nicht abschließend geklärt angesehen wurde und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine zivilgerichtliche Klärung dieser Frage durch die Gerichte in Aussicht genommen ist. Unter Berücksichtigung dieser Umstände sowie der in dem Protokoll der Gesellschafterversammlung ausdrücklich angesprochenen ungünstigen wirtschaftlichen Lage der Klägerin kann keinesfalls von einer nur theoretisch oder nur entfernt möglichen Berührung des Antragstellers in seinen rechtlichen Interessen gesprochen werden.

c)

Andere gegen eine Beiladung des Antragstellers sprechende Gesichtspunkte werden nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich. Insbesondere hat die Klägerin im Beschwerdeverfahren keine Bedenken gegen eine Beiladung des Antragstellers geäußert; in entsprechender Weise hat sich das FA bereits im Klageverfahren eingelassen.

2.

Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen. Über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ist im Rahmen der Entscheidung über die Hauptsache zu befinden (BFH-Beschluss vom 4. August 1988 VIII B 82/87, BFH/NV 1989, 249; Spindler in HHSp, § 60 FGO Rz 106).

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