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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 22.11.2000
Aktenzeichen: II B 105/99
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
AO 1977 § 182 Abs. 2
AO 1977 § 30
FGO § 60 Abs. 1
FGO § 60
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Mit Bescheid vom 5. Juni 1997 setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) den Einheitswert des Grundstücks des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) auf den 1. Januar 1995 auf 33 900 DM und die Grundstücksart Einfamilienhaus fest. Der Kläger erhob gegen die Art- und Wertfortschreibung Einspruch. Mit Einspruchsentscheidung vom 29. September 1998 setzte das FA den Einheitswert im Tenor auf 28 500 DM herab, berechnete hingegen in den Gründen der Einspruchsentscheidung einen Betrag von 28 600 DM. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Klage vor dem Finanzgericht (FG).

Vor Klageerhebung erließ das FA --nach seinem Vorbringen versehentlich-- den Bescheid vom 23. Oktober 1998, mit dem es --gestützt auf § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977)-- den Einheitswert auf 28 600 DM heraufsetzte. Nach Einspruch des Klägers hob das FA diesen Bescheid am 22. April 1999 wieder auf.

Am ... 1999 erhielt die Beigeladene im Wege der Zwangsversteigerung den Zuschlag für das Grundstück. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 9. Juni 1999 IV 367/98 lud deshalb das FG die Erwerberin des Grundstücks gemäß § 60 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Verfahren bei.

Die vorliegende Beschwerde des Klägers richtet sich gegen den Beiladungsbeschluss des FG vom 9. Juni 1999. Der Kläger bestreitet, dass das Grundstück der Beigeladenen zugeschlagen worden ist. Ferner trägt er vor, die Voraussetzungen der Beiladung hätten nicht vorgelegen, weil die rechtlichen Interessen der Beigeladenen nicht berührt seien. Außerdem verletze der Beiladungsbeschluss das Steuergeheimnis.

Der Kläger beantragt, den Beiladungsbeschluss des FG aufzuheben.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

Gemäß § 60 Abs. 1 FGO kann das FG von Amts wegen oder auf Antrag andere beiladen, deren rechtliche Interessen nach den Steuergesetzen durch die Entscheidung berührt werden. Das Vorliegen dieser Voraussetzung hat das FG zutreffend bejaht.

1. Das rechtliche Interesse der Beigeladenen ist nach den Steuergesetzen berührt, weil gemäß § 182 Abs. 2 AO 1977 ein Feststellungsbescheid über einen Einheitswert auch gegenüber dem Rechtsnachfolger wirkt, auf den der Gegenstand der Feststellung nach dem Feststellungszeitpunkt mit steuerlicher Wirkung übergeht. Die Beigeladene hat das Grundstück im Wege der Zwangsversteigerung am ... 1999, d.h. nach dem Feststellungszeitpunkt 1. Januar 1995, erworben und ist damit Rechtsnachfolgerin des Klägers geworden. Die diesbezügliche Feststellung des FG beruht auf einer bei den Akten des FG befindlichen Ausfertigung des Zuschlagsbeschlusses des Amtsgerichts. Das unsubstantiierte Bestreiten des Zuschlags durch den Kläger ist demgegenüber unbeachtlich. Die Art- und Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1995 wirkt demnach auch gegenüber der Beigeladenen.

2. Die Aufhebung des Einheitswertbescheides vom 23. Oktober 1998 durch Bescheid vom 22. April 1999 berührt --entgegen der Ansicht des Klägers-- nicht die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beiladungsbeschlusses vom 9. Juni 1999. Das FA hat den Bescheid vom 23. Oktober 1998 als Änderungsbescheid verstanden, was sich aus dem Hinweis auf § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 als Rechtsgrundlage ergibt. Der Änderungsbescheid wurde nach Ergehen der Einspruchsentscheidung über den Erstbescheid (vom 5. Juni 1997 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 29. September 1998) und vor der Klageerhebung erlassen. Mit Aufhebung des Änderungsbescheids nach Klageerhebung gegen den Erstbescheid entfiel die Suspendierung des Erstbescheids (zum Verhältnis von Erstbescheid und Änderungsbescheid vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. Oktober 1972 GrS 1/72, BFHE 108, 1, BStBl II 1973, 231; vom 11. Februar 1994 III B 127/93, BFHE 173, 14, BStBl II 1994, 658); dieser blieb Gegenstand des Klageverfahrens, in dem der angefochtene Beiladungsbeschluss ergangen ist.

3. Der Beiladungsbeschluss verletzt nicht das in § 30 AO 1977 geregelte Steuergeheimnis. Zu den nach Abs. 4 Nr. 1 dieser Vorschrift zulässigen Fällen der Offenbarung von amtlich erlangten Kenntnissen gehört auch die Hinzuziehung oder Beiladung Dritter aufgrund des allgemeinen Verfahrensrechts oder des Prozessrechts (zur Beiladung nach § 174 Abs. 5 AO 1977 vgl. BFH-Beschlüsse vom 6. Dezember 1979 IV B 56/79, BFHE 130, 1, BStBl II 1980, 314, unter 2.; vom 20. April 1989 V B 153/88, BFHE 156, 389, BStBl II 1989, 539, unter 3.). Die Beiladung nach § 60 FGO ist Voraussetzung dafür, dass die steuergesetzlich begründeten rechtlichen Interessen Dritter an der gerichtlichen Entscheidung angemessen berücksichtigt werden können. Dies ist insbesondere erforderlich in den Fällen des § 182 Abs. 2 AO 1977, in denen ein Feststellungsbescheid über einen Einheitswert auch gegenüber dem Rechtsnachfolger wirkt.



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