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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 07.12.1999
Aktenzeichen: II B 117/99
Rechtsgebiete: AO 1977, BGB


Vorschriften:

AO 1977 § 169 Abs. 2 Nr. 2
AO 1977 § 170 Abs. 1
AO 1977 § 181 Abs. 3 Satz 1
AO 1977 § 171 Abs. 1
BGB § 203 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Für das Betriebsgrundstück der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), einer KG i.L., war auf den 1. Januar 1987 ein Einheitswert von ... DM festgestellt. Der jetzige Prozessbevollmächtigte erhielt seine Bestellung zum Liquidator im März 1996, nachdem sein Vorgänger tödlich verunglückt war. Er stellte im Januar 1997 beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) den Antrag, den Einheitswert wegen der vorhandenen Bodenverunreinigung auf den 1. Januar 1992 auf 0 DM festzustellen. Zum Zeitpunkt der (späten) Antragstellung gab er an, erst im Dezember 1996 durch eine Umbuchungsmitteilung von einer Grundsteuerschuld und über diese von dem hohen Einheitswert erfahren zu haben.

Das FA lehnte die Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1992 durch Bescheid vom 26. Februar 1998 wegen Ablaufs der vierjährigen Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 170 Abs. 1 (richtig: § 181 Abs. 3 Satz 1) der Abgabenordnung (AO 1977) ab. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Verpflichtungsklage auf Wertfortschreibung zum 1. Januar 1992, mit der sich die Klägerin auf eine Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 1 AO 1977 wegen höherer Gewalt berief, blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) war der Ansicht, die Vorschrift sei nur bei einer auf die Finanzbehörden einwirkenden höheren Gewalt anwendbar.

Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin geltend, der Rechtssache komme grundsätzliche Bedeutung wegen der Frage zu, ob § 171 Abs. 1 AO 1977 auch auf Sachverhalte anwendbar sei, bei denen die höhere Gewalt den Steuerpflichtigen an der erforderlichen Mitwirkung an der zutreffenden Steuerfestsetzung gehindert habe.

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die aufgeworfene Rechtsfrage ist für den Streitfall nicht entscheidungserheblich (vgl. dazu Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 1. Februar 1994 VII B 127/93, BFH/NV 1994, 873).

Durch Urteil des BFH vom 7. Mai 1993 III R 95/88 (BFHE 172, 1, BStBl II 1993, 818) ist höchstrichterlich entschieden, dass eine Ablaufhemmung wegen höherer Gewalt gemäß § 171 Abs. 1 AO 1977 --die Vorschrift gilt nach § 181 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 sinngemäß auch für gesonderte Feststellungen-- nur in Betracht kommt, wenn die höhere Gewalt den davon Betroffenen hindert, seinen Willen in die Tat umzusetzen. Dazu ist erforderlich, dass der Betroffene den Willen zum Tätigwerden hat. Konnte ein solcher Wille nicht entstehen, weil der Betroffene keine Kenntnis von dem Sachverhalt hatte, der ein Tätigwerden verlangte, kommt eine Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 1 AO 1977 selbst dann nicht in Betracht, wenn diese Unkenntnis die Folge höherer Gewalt ist. Sollte § 171 Abs. 1 AO 1977 mit dem Kläger und gegen den Wortlaut der Vorschrift auch bei einer auf den Steuerpflichtigen einwirkenden höheren Gewalt anwendbar sein, wäre gleichermaßen auf den Willen und nicht auf die Unkenntnis des Steuerpflichtigen abzustellen. Für eine unterschiedliche Behandlung der Finanzbehörden einerseits und des Steuerpflichtigen andererseits gäbe es dann keine sachliche Rechtfertigung; zumal der BFH in dem genannten Urteil zur weiteren Begründung seiner Auffassung auf § 203 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches und damit auf eine Vorschrift verweist, die nicht auf Hoheitsträger, sondern allgemein auf Berechtigte zugeschnitten ist.

Demgemäß scheidet im Streitfall eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 1 AO 1977 von vornherhein aus, ohne dass es auf die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage ankommt. Der Prozessbevollmächtigte als Liquidator der Klägerin war nicht durch höhere Gewalt gehindert, einen vorhandenen Willen, die Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1992 zu beantragen, in die Tat umzusetzen; vielmehr fehlten ihm die Kenntnisse, aufgrund derer sich ein Wille zur Antragstellung hätte herausbilden können. Soweit für die Unkenntnis der Unfall des Vorgängers ursächlich gewesen ist, ist dies ebenso unbeachtlich, wie in dem genannten Urteil des BFH die Tatsache, dass die Unkenntnis des FA auf der Vernichtung der Akten durch einen Brand beruhte.

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