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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 17.04.2002
Aktenzeichen: II B 120/00
Rechtsgebiete: GrEStG, AO 1977, FGO
Vorschriften:
GrEStG § 16 | |
GrEStG § 16 Abs. 1 | |
GrEStG § 16 Abs. 2 | |
GrEStG § 16 Abs. 3 | |
GrEStG § 16 Abs. 1 Nr. 1 | |
GrEStG § 16 Abs. 2 Nr. 2 | |
AO 1977 §§ 172 ff. | |
AO 1977 § 175 Abs. 1 Nr. 2 | |
FGO § 115 Abs. 2 | |
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3 a.F. | |
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1 a.F. | |
FGO § 115 Abs. 3 Satz 3 a.F |
Gründe:
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) kaufte am 21. Oktober 1997 mit notariell beurkundetem Vertrag das Grundstück in A, Flurstück X zur Größe von 14 753 qm zum Kaufpreis von ... DM. Auf dem Grundstück befanden sich Gebäude und eine Abfallsortieranlage. Im Grundbuch waren Grundschulden in Höhe von insgesamt ... DM eingetragen. Die Abfallsortieranlage war der Grundschuldgläubigerin zur Sicherheit übereignet worden.
Nach § 7 des Kaufvertrages durfte die Klägerin vom Vertrag zurücktreten, wenn
1. die Grundschuldgläubigerin die Löschungsbewilligungen nicht oder nur gegen eine den Kaufpreis übersteigende Ablösesumme erteilte,
2. eine Einigung über den Erwerb der Sortieranlage nicht zustande kam.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) setzte mit bestandskräftigem Bescheid vom 9. Dezember 1997 Grunderwerbsteuer gegen die Klägerin fest.
Durch Vertrag vom 4. November 1998 hoben die Klägerin und der Verkäufer den Vertrag vom 21. Oktober 1997 einvernehmlich auf. In der Urkunde erklärte der Verkäufer, dass er das Grundstück (Flurstück X) mit Vertrag vom selben Tage an eine KG verkaufe. Der Vertrag vom 4. November 1998 war aufschiebend bedingt und sollte erst mit der Eintragung der KG als Eigentümerin im Grundbuch Wirksamkeit erlangen. Die Klägerin beantragte und bewilligte die Löschung der zu ihren Gunsten im Grundbuch eingetragenen Auflassungsvormerkung. Der beurkundende Notar wurde angewiesen, den Löschungsantrag und die Löschungsbewilligung dem Grundbuchamt frühestens mit dem Antrag auf Umschreibung des Eigentums auf die KG vorzulegen.
Mit einem weiteren Vertrag vom 4. November 1998 verkaufte der Verkäufer das Grundstück Flurstück X sowie ein weiteres Grundstück Flurstück Y (45 000 qm groß) zum Gesamtkaufpreis von ... DM an die KG. In dieser Urkunde verkaufte zugleich der Sequester/Verwalter einer (in Gesamtvollstreckung befindlichen) GmbH, deren Gesellschafter der Grundstücksverkäufer war, bewegliches Anlagevermögen der GmbH, d.h. im Wesentlichen die Abfallsortieranlage, zum Gesamtkaufpreis von ... DM (inkl. Umsatzsteuer).
Den Antrag der Klägerin, den Grunderwerbsteuerbescheid gemäß § 16 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) aufzuheben, lehnte das FA mit der Begründung ab, es liege keine tatsächliche Rückabwicklung, sondern ein Weiterverkauf vor. Der Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab und führte zur Begründung aus: Die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG lägen nicht vor, da der Verkäufer das Grundstück auf Verlangen und im Interesse der Klägerin an die KG verkauft habe. Dies ergebe sich daraus, dass die Klägerin die Löschung der Auflassungsvormerkung, die ihren Anspruch auf das Grundstück sicherte, von der Eintragung der KG als Eigentümerin im Grundbuch abhängig gemacht habe.
Eine niedrigere Festsetzung der Grunderwerbsteuer gemäß § 16 Abs. 3 GrEStG im Hinblick darauf, dass der Kaufpreis im Vertrag vom 21. Oktober 1997 Grundstück und Sortieranlage abgegolten haben könnte und später im Kaufvertrag vom 4. November 1998 auf das mitverkaufte Grundstück Flurstück X ein niedrigerer Kaufpreisanteil entfalle als im Kaufvertrag vom 21. Oktober 1997 vereinbart worden sei, komme nicht in Betracht. Denn die Klägerin und der Verkäufer hätten im Vertrag vom 4. November 1998 nicht den im Vertrag vom 21. Oktober 1997 vereinbarten Kaufpreis herabgesetzt, sondern vielmehr den Anspruch des Verkäufers auf die Gegenleistung in vollem Umfang aufgehoben. Die Vereinbarung eines niedrigeren Kaufpreises betreffe nur das Verhältnis des Verkäufers zur KG.
Auch die Aufhebung der Steuerfestsetzung gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG komme nicht in Betracht. Zum einen sei das Eigentum nicht auf die Klägerin übergegangen. Darüber hinaus lägen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Vertrag zwischen dem Verkäufer und der Klägerin deshalb nichtig gewesen sein könnte, weil der Verkäufer wegen der Sicherungsübereignung nicht zur Verfügung über die Sortieranlage berechtigt gewesen sein könnte. Denn Gegenstand des Kaufvertrages sei allein das Grundstück, nicht jedoch die Sortieranlage gewesen.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, die sie auf Verfahrensfehler, grundsätzliche Bedeutung und Divergenz stützt.
II. 1. Der Erfolg der Beschwerde beurteilt sich nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.d.F. vor Änderung durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757). Denn gemäß Art. 4 2.FGOÄndG richtet sich die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs gegen eine gerichtliche Entscheidung nach den bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Vorschriften, wenn die Entscheidung vor dem 1. Januar 2001 verkündet oder von Amts wegen anstelle einer Verkündung zugestellt worden ist. Dies ist hier der Fall; das Urteil des FG ist am 26. September 2000 zugestellt worden.
2. Die Beschwerde ist unbegründet.
a) Sie ist nicht wegen eines Verfahrensmangels i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO a.F. zuzulassen.
Die Klägerin rügt Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO). Nach ihrer Auffassung hätte das FG von Amts wegen über die Frage Beweis erheben müssen, ob Gegenstand des Kaufvertrages vom 21. Oktober 1997 neben dem Grundstück und den Gebäuden vor allem auch die Sortieranlage gewesen sei und ob der Kaufpreis im Wesentlichen von dem Wert der Sortieranlage geprägt gewesen sei. Nach Vernehmung der Kaufvertragsparteien und der an den Verhandlungen beteiligten Personen hätte das FG die Beweisfrage bejahen müssen. Das FG hätte dann im Rahmen der Prüfung des § 16 GrEStG zu einer anderen Entscheidung kommen müssen. Zumindest aber hätte das FG den Grunderwerbsteuerbescheid gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) aufheben oder ihn gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 ändern müssen.
Mit diesem Vorbringen ist die Sachaufklärungsrüge unbegründet. Es liegt kein Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO vor.
aa) Bei der Prüfung, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, ist der materiell-rechtliche Standpunkt des FG zugrunde zu legen (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rz. 79, m.N.). Es kann dem FG nicht vorgeworfen werden, es habe die von der Klägerin angebotenen Beweise nicht erhoben, wenn es nach dem materiell-rechtlichen Standpunkt des FG auf die damit zu beweisenden Tatsachen nicht ankommt.
Das FG hat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 GrEStG mit der Begründung verneint, es liege keine tatsächliche Rückabwicklung des Kaufvertrages vor, weil der Verkäufer das Grundstück auf Verlangen und im Interesse der Klägerin an die KG verkauft habe. Für diese Rechtsansicht des FG ist es unerheblich, ob Gegenstand des Kaufvertrages nur das Grundstück oder daneben auch die Sortieranlage gewesen ist.
bb) Die Anwendung des § 16 Abs. 3 GrEStG hat das FG abgelehnt, weil der Kaufpreis für das Grundstück nicht herabgesetzt worden ist. Auch insoweit ist die Frage nach dem Gegenstand des Kaufvertrages nicht entscheidungserheblich.
cc) Die Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 GrEStG lagen nach Ansicht des FG (zutreffend) bereits deshalb nicht vor, weil das Eigentum nicht auf die Klägerin übergegangen ist. Das FG hat in diesem Zusammenhang zwar Ausführungen zum Gegenstand des Kaufvertrages gemacht, wonach sich dieser nur auf das Grundstück bezogen habe. Die Klägerin wurde hierdurch zu der irrigen Annahme veranlasst, die Frage sei für die Entscheidung des Rechtsstreits von Bedeutung. Die Ausführungen des FG tragen sein Urteil jedoch nicht. Selbst wenn das FG bejaht hätte, dass der Kaufvertrag sich auch auf die Sortieranlage erstreckte, hätte es (bereits) mangels des von ihm verneinten Eigentumsübergangs nicht zur Anwendung des § 16 Abs. 2 GrEStG kommen können. Die Zulassungsvoraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO sind daher nicht gegeben, weil das Urteil des FG nicht auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen kann. Denn die Revision darf nur zugelassen werden, wenn die Möglichkeit besteht, dass das Urteil bei richtigem Verfahren anders ausgefallen wäre (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., 5. Aufl., § 115 Rz. 96, m.N.).
dd) Das übrige Vorbringen der Klägerin, bei Bejahung der Beweisfrage hätte das FG den Bescheid nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 aufheben oder ihn gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 ändern müssen, läuft leer. Das FG hatte nur die Entscheidung des FA zu überprüfen, der Grunderwerbsteuerbescheid sei nicht gemäß § 16 Abs. 1 GrEStG aufzuheben. Der Anspruch aus § 16 GrEStG ist neben dem Steueranspruch ein selbständiger gegenläufiger Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 9. August 1989 II R 145/86, BFHE 158, 11, BStBl II 1989, 981). Er steht als Vergünstigungsvorschrift eigener Art (Sack in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 14. Aufl., § 16 Rdnr. 282) neben den Änderungsvorschriften nach §§ 172 ff. AO 1977. Über diese hat weder das FA noch das FG im vorliegenden Verfahren befunden.
b) Die Klägerin stützt ihr Zulassungsbegehren ferner auf grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO a.F. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. dieser Vorschrift, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache kommt daher nur wegen einer klärungsbedürftigen und im Revisionsverfahren klärbaren Rechtsfrage in Betracht. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es insbesondere, wenn sich die streitige Rechtsfrage aus dem Gesetz und der vorliegenden Rechtsprechung beantworten lässt und keine Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erforderlich machen.
aa) Die Klägerin wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf, ob eine Veräußerung auf Verlangen und im Interesse des Erwerbers auch dann die Anwendung des § 16 Abs. 1 GrEStG hindert, wenn das Grundstück zu einem anderen Preis und zusammen mit einem anderen Grundstück weiterverkauft wird. Diese Rechtsfrage lässt sich aus dem Gesetz und der vorliegenden Rechtsprechung beantworten. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats liegt eine (begünstigte) Rückgängigmachung nur dann vor, wenn die Vertragspartner vollständig aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen werden, wenn daher die Verfügungsmöglichkeit des Erwerbers über das Grundstück beseitigt wird und der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtstellung in Bezug auf das Grundstück wiedererlangt (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 6. Oktober 1976 II R 131/74, BFHE 120, 557, BStBl II 1977, 253, und vom 7. Oktober 1987 II R 123/85, BFHE 152, 193, BStBl II 1988, 296; Sack in Boruttau, a.a.O, § 16 Rdnr. 61, m.w.N.). Das FG ist davon ausgegangen, dass diese Voraussetzung nicht gegeben ist, weil das Grundstück auf Verlangen und im Interesse der Klägerin an die KG weiterveräußert worden ist. Es ist ohne weiteres ersichtlich, dass insoweit nicht von Bedeutung sein kann, ob das Grundstück zu den gleichen Bedingungen wie im aufgehobenen Kaufvertrag und/oder zusammen mit einem anderen Grundstück weiterveräußert wird.
bb) Die Klägerin wirft sinngemäß die weitere Rechtsfrage auf, ob eine Weiterveräußerung auf Verlangen und im Interesse des Erwerbers die Anwendung des § 16 GrEStG dann nicht hindert, wenn die Weiterveräußerung und ihre Bedingungen maßgeblich durch einen Grundpfandrechtsgläubiger beeinflusst werden. Auch diese Rechtsfrage führt nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Das Gesetz und die vorliegende Rechtsprechung stellen für die Anwendung des § 16 Abs. 1 GrEStG maßgeblich auf die Beseitigung der Verfügungsmöglichkeit des Erwerbers über das Grundstück ab. Hierfür spielt es keine Rolle, wenn auch der Grundpfandrechtsgläubiger bei der Weiterveräußerung (mit-)entscheidenden Einfluss ausübt.
c) Die gesetzlichen Anforderungen an die Begründung einer Divergenzrüge (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F.) erfüllt die Klägerin nicht. Sie hat keine Divergenz bezeichnet. Denn sie legt keine sich widersprechenden abstrakten Rechtssätze aus dem vorinstanzlichen Urteil und dem angeführten Urteil des BFH dar.
Ende der Entscheidung
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