Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 27.01.2004
Aktenzeichen: II B 120/02
Rechtsgebiete: FGO, ZPO, AO 1977, BNotO


Vorschriften:

FGO § 82
FGO § 84
ZPO § 386 Abs. 1
ZPO § 386 Abs. 3
ZPO § 387
AO 1977 § 102 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b
BNotO § 18 Abs. 1
BNotO § 18 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Das Finanzgericht (FG) hatte in dem Rechtsstreit der Kläger gegen das beklagte Finanzamt (FA) wegen Grunderwerbsteuer mit Verfügung des Vorsitzenden Richters des zuständigen Senats vom 17. Juni 2002 den Rechtsanwalt und Notar X (Beschwerdeführer) zu der auf den 17. Juli 2002 anberaumten mündlichen Verhandlung als Zeugen geladen. Nach der am 21. Juni 2002 mit Postzustellungsurkunde bekannt gegebenen Ladung sollte der Beschwerdeführer dazu vernommen werden, ob "die in der Urkunde ... enthaltene Formulierung, ... , dem seinerzeit zum Ausdruck gebrachten Willen des Anbietenden" entspreche.

Mit Schreiben vom 12. Juli 2002, welches am 15. Juli 2002 beim FG einging, berief sich der Beschwerdeführer auf sein Auskunftsverweigerungsrecht als Notar und kündigte an, er werde zur Beweisaufnahme nicht erscheinen. Er sei nur dann zur Aussage bereit, wenn die Vertragsbeteiligten ihn von der Verschwiegenheitspflicht entbinden oder die Notarkammer mitteile, dass es einer Verschwiegenheitsentbindung nicht bedürfe.

Der Senatsvorsitzende teilte dem Beschwerdeführer daraufhin am 15. Juli 2002 per Fax mit, dass nach Auffassung des Gerichts zu dem in der Ladung angegebenen Beweisthema eine Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht nicht erforderlich sei.

Zum Termin am 17. Juli 2002 erschien der Beschwerdeführer nicht.

Das FG setzte gegen den Beschwerdeführer mit Beschluss vom 25. Juli 2002 ein Ordnungsgeld in Höhe von 250 €, ersatzweise eine Ordnungshaft von einem Tag fest. Das FG begründet seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer ordnungsgemäß als Zeuge geladen worden sei und sein Ausbleiben nicht genügend entschuldigt habe. Denn selbst wenn dem Beschwerdeführer ein Zeugnisverweigerungsrecht zugestanden hätte, hätte ihn dieses gleichwohl nicht davon befreit, zu dem Termin zu erscheinen.

Der Beschwerdeführer hat Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, der Ordnungsgeldbeschluss sei sachlich und rechtlich nicht begründet.

II. Die Beschwerde ist begründet. Das FG hat zu Unrecht gegen den Beschwerdeführer ein Ordnungsgeld festgesetzt. Das FG hat den Beschwerdeführer zwar ordnungsgemäß geladen; dieser war aber nach § 82 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 386 Abs. 3 der Zivilprozessordnung (ZPO) nicht verpflichtet, in dem zur Vernehmung bestimmten Termin zu erscheinen. Nach dieser Vorschrift ist ein Zeuge trotz ordnungsgemäßer Ladung von seiner Pflicht zu erscheinen befreit, wenn er seine Zeugnisverweigerung ordnungsgemäß nach § 386 Abs. 1 ZPO vor dem Termin schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt hat.

Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Der Beschwerdeführer hat dem FG vor dem Termin schriftlich mitgeteilt, dass er im Hinblick auf das ihm mitgeteilte Beweisthema als seinerzeit amtierender Notar ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 84 FGO i.V.m. § 102 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b der Abgabenordnung (AO 1977) habe und Angaben hierzu nur machen könne, wenn die Vertragsbeteiligten ihn von seiner Verschwiegenheitspflicht nach § 18 Abs. 1 und 2 der Bundesnotarordnung (BNotO) befreiten. Diese Erklärung reichte aus, um den Beschwerdeführer davon zu befreien, vor Gericht zu erscheinen. Denn dem FG waren damit alle Umstände bekannt und glaubhaft gemacht, aus denen der Beschwerdeführer sein Auskunftsverweigerungsrecht herleitete. Anhaltspunkte dafür, dass das geltend gemachte Zeugnisverweigerungsrecht nicht die gesamte Beweisfrage erfasste, sind nicht ersichtlich. Diese zielte darauf ab festzustellen, ob das vom Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Notar Beurkundete dem wirklichen Willen der Vertragsparteien (hier des Anbietenden) entsprochen hat. Zu dieser Beweisfrage konnte der Beschwerdeführer nur beitragen, wenn er berechtigt war, die vor und bei der Beurkundung abgegebenen und ihm damit bei Ausübung seines Amtes bekannt gewordenen (§ 18 Abs. 1 BNotO) Erklärungen der Vertragsparteien zu offenbaren.

Die Frage, ob die vom Beschwerdeführer angegebene Begründung tatsächlich zur Auskunftsverweigerung berechtigte, hat im Übrigen keinen Einfluss auf seine Erscheinenspflicht. Vielmehr bleibt der Zeuge, der sich nach § 386 Abs. 1 ZPO ordnungsgemäß auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen hat, solange von seiner Pflicht, vor Gericht zu erscheinen befreit, bis im Zwischenstreit über die Zeugnisverweigerung nach § 387 ZPO rechtskräftig sein Verweigerungsgrund für unberechtigt erklärt und er sodann erneut als Zeuge geladen ist (vgl. hierzu: Damrau in Münchner Kommentar zur Zivilprozessordnung, 2. Aufl., § 386 Rdnr. 7). Die bloße Mitteilung des Senatsvorsitzenden, nach Auffassung des Gerichts sei eine Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht nicht erforderlich, führte deshalb nicht dazu, dass der Beschwerdeführer vor Gericht zu erscheinen hatte. Entgegen der Auffassung des FG bedarf es in den Fällen des § 386 Abs. 3 ZPO auch keiner "anders lautenden Mitteilung des Gerichts". Ein Zeuge, der sich nach § 386 Abs. 1 ZPO ordnungsgemäß auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen hat, kann auch ohne ausdrückliche Genehmigung des Gerichts dem Termin fernbleiben.

Das FG beruft sich im Übrigen zu Unrecht auf den Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 4. August 1993 II B 25/93 (BFH/NV 1994, 640). Anders als im Streitfall fehlte es in dem dort entschiedenen Fall an einer ordnungsgemäßen Zeugnisverweigerung i.S. von § 386 ZPO.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen in sinngemäßer Anwendung des § 46 Abs. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten i.V.m. § 467 der Strafprozessordnung der Staatskasse zur Last (vgl. BFH-Beschluss vom 10. Januar 1986 IX B 5/85, BFHE 145, 314, BStBl II 1986, 270).

Ende der Entscheidung

Zurück