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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 23.08.2004
Aktenzeichen: II B 122/03
Rechtsgebiete: GrEStG
Vorschriften:
GrEStG § 1 Abs. 3 a.F. | |
GrEStG § 1 Abs. 3 Nr. 1 a.F. | |
GrEStG § 6 Abs. 2 |
Gründe:
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Vorschrift des § 1 Abs. 3 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes in der für das Streitjahr (1999) geltenden Fassung (GrEStG a.F.) begründen nicht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift bereits geklärt. Eine erneute Prüfung in einem Revisionsverfahren ist nicht aufgrund abweichender Ansichten in Literatur oder Rechtsprechung geboten. Neue gewichtige Gesichtspunkte haben sich insoweit nicht ergeben.
Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG a.F. unterliegt der Grunderwerbsteuer ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile an einer Gesellschaft begründet, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört, wenn durch die Übertragung alle Anteile an dieser Gesellschaft in der Hand des Erwerbers oder in der Hand von herrschenden und abhängigen Unternehmen vereinigt werden würden. Die Steuerpflicht wird allein durch den Erwerb des letzten Anteils ausgelöst. Dabei ist der Vorgang, der zum Erwerb dieses Anteils führt, zwar das die Steuer auslösende Moment; Gegenstand der Steuer ist jedoch nicht der Anteilserwerb als solcher, sondern die durch ihn begründete Zuordnung aller Anteile in einer Hand. Mit dem Anteilserwerb wird grunderwerbsteuerrechtlich derjenige, in dessen Hand sich die Anteile vereinigen, so behandelt, als habe er die Grundstücke von der Gesellschaft erworben, deren Anteile sich in seiner Hand vereinigen (Senatsurteile vom 8. August 2001 II R 66/98, BFHE 195, 427, BStBl II 2002, 156, und vom 5. November 2002 II R 23/00, BFH/NV 2003, 505).
Bei den in § 1 Abs. 3 GrEStG a.F. geregelten Ersatztatbeständen fingiert das Gesetz --zivilrechtlich nicht vorhandene-- grundstücksbezogene Erwerbsvorgänge und trägt damit dem Umstand Rechnung, dass demjenigen, der alle Anteile an einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft in seiner Hand vereinigt, eine dem zivilrechtlichen Eigentum an einem Grundstück vergleichbare Rechtszuständigkeit an dem Gesellschaftsgrundstück zuwächst. Es geht nicht um die Besteuerung gesellschaftsrechtlicher Vorgänge (Senatsurteile vom 26. Juli 1995 II R 68/92, BFHE 178, 231, BStBl II 1995, 736, und vom 13. September 1995 II R 80/92, BFHE 178, 468, BStBl II 1995, 903; vgl. ferner Senatsurteil vom 15. Januar 2003 II R 50/00, BFHE 200, 430, BStBl II 2003, 320).
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluss vom 10. Juni 1963 1 BvR 345/61 (BVerfGE 16, 203, BStBl I 1963, 620) die Verfassungsmäßigkeit einer früheren vergleichbaren grunderwerbsteuerrechtlichen Vorschrift mit der Begründung bejaht, die Besteuerung der Anteilsvereinigung sei als solche verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Wer, statt ein Grundstück zu erwerben, alle Anteile der Gesellschaft erwerbe, der das Grundstück gehöre, werde wirtschaftlich Eigentümer des Grundstücks. Es sei gerecht, ihn wie einen Grundstückserwerber zur Grunderwerbsteuer heranzuziehen. Erwerbe er die Anteile nacheinander, so werde beim Erwerb des letzten Anteils die Steuerpflicht für die übrigen Erwerbsvorgänge "nachgeholt".
Die vom Kläger angeführten Gründe machen es nicht erforderlich, diese verfassungsrechtliche Würdigung in einem Revisionsverfahren und ggf. mit einer Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) einer erneuten Prüfung zu unterwerfen.
Insbesondere verstößt es nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), dass § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG a.F. unabhängig davon anwendbar ist, ob der Anteilserwerber bereits zuvor beherrschender Gesellschafter war oder nicht. Dass in anderen Steuerarten für beherrschende Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft besondere Regelungen gelten, zwingt aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht dazu, dass dies auch bei der Grunderwerbsteuer so sein müsse. Die Grunderwerbsteuer unterliegt eigenständigen Regelungen. Der Gesetzgeber hatte sich mit § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG a.F. dafür entschieden, die Grunderwerbsteuerpflicht erst an die Vereinigung aller Anteile der grundbesitzenden Gesellschaft in einer Hand zu knüpfen und dem bloßen Erlangen einer beherrschenden Stellung in der Gesellschaft keine grunderwerbsteuerrechtliche Bedeutung beizumessen. Die Besteuerung erst beim Erwerb des letzten Anteils war sachgerecht und wirkte sich bis zur Vereinigung aller Anteile in einer Hand zugunsten der Steuerpflichtigen aus. Dem allgemeinen Gleichheitssatz hätte es hingegen widersprochen, wenn das Gesetz das Erlangen einer beherrschenden Stellung in der grundbesitzenden Gesellschaft nicht der Grunderwerbsteuer unterworfen und die spätere Vereinigung aller Anteile der Gesellschaft in der Hand des beherrschenden Gesellschafters von der Grunderwerbsteuerpflicht nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG a.F. ausgenommen hätte. Für eine solche gesetzliche Regelung hätte es keinen sachlichen Grund gegeben.
Dass § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG a.F. eine Vereinigung aller Anteile voraussetzte und die Vereinigung nahezu aller Anteile nicht zur Steuerpflicht führte (Senatsurteil vom 31. Juli 1991 II R 157/88, BFH/NV 1992, 57), begründete ebenfalls nicht die Verfassungswidrigkeit der Vorschrift. Aufgrund dieser Regelung konnte zwar in vielen Fällen der Anfall von Grunderwerbsteuer durch entsprechende Gestaltungen vermieden werden. Der Gesetzgeber ist aber verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, Besteuerungstatbestände so auszugestalten, dass ihre Erfüllung nicht vermieden werden kann. Im Übrigen handelt es sich insoweit um ausgelaufenes Recht. Nach der nunmehr geltenden Fassung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG genügt bereits die Vereinigung von mindestens 95 v.H. der Anteile der Gesellschaft.
Der vom Kläger geltend gemachte Verstoß des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG a.F. gegen die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) bedarf ebenfalls keiner Prüfung in einem Revisionsverfahren. Dass bei einem grunderwerbsteuerpflichtigen Erwerb des Grundstücks durch die Kapitalgesellschaft bereits Grunderwerbsteuer angefallen ist und sich der in den Fällen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG a.F. als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer anzusetzende Wert des Grundstücks (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 10 GrEStG a.F.) durch Aufwendungen der Gesellschaft erhöht haben kann, war dem BVerfG und dem Senat bei der bisherigen Rechtsprechung, in der die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift bejaht wurde, bekannt und begründet keine erneute Prüfungsbedürftigkeit.
2. Die Verfassungsmäßigkeit der Beschränkung der Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 2 GrEStG auf Gesamthandsgemeinschaften wurde bereits durch den Senat und das BVerfG geprüft und bejaht (Senatsurteil vom 22. Juni 1966 II 165/62, BFHE 86, 520, 523 f., BStBl III 1966, 554; Senatsbeschluss vom 17. Oktober 1973 II B 38/73, BFHE 110, 377, BStBl II 1974, 41; BVerfG-Beschluss vom 16. Mai 1969 1 BvR 600/66, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1969, 398). Gründe, die eine erneute Prüfung dieser Frage veranlassen könnten, insbesondere abweichende Ansichten in Literatur oder Rechtsprechung, hat der Kläger nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich.
Ende der Entscheidung
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