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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 15.07.1998
Aktenzeichen: II B 129/97
Rechtsgebiete: BewG, FGO


Vorschriften:

BewG § 11 Abs. 2 Satz 2
FGO § 115 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob bei der Schätzung des gemeinen Werts der Anteile gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) im Stuttgarter Verfahren zur Ermittlung des Ertragshundertsatzes der Jahresertrag gemäß Abschn. 78 Abs. 2 der Vermögensteuer-Richtlinien (VStR) 1983/86 um 30 v.H. zu kürzen ist.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betreibt die Installation und Montage von Sanitär- und Elektroanlagen. In den Jahren 1983 bis 1988 beliefen sich die Gewinne, die Lohnsumme ohne Sozialabgaben sowie das Gehalt des einzigen Geschäftsführers, eines Gesellschafters der Klägerin, auf folgende Beträge:

Gewinn Lohnsumme Geschäftsführergehalt DM DM DM _______ _________ _____________

1983 56 038 190 990 53 561 1984 90 193 243 907 60 473 1985 105 504 281 973 65 624 1986 15 078 322 793 57 387 1987 147 057 345 750 73 877 1988 75 424 385 144 72 239

Die Einheitswerte des Betriebsvermögens der Klägerin betrugen zum 1. Januar 1986 und 1989 231 000 DM bzw. 259 000 DM.

Durch Bescheide vom 2. November 1988 und 6. November 1991 verweigerte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) den Abschlag nach Abschn. 78 Abs. 2 VStR 1983/86 und stellte den gemeinen Wert der Anteile der Klägerin je 100 DM des Stammkapitals auf den 31. Dezember 1985 und 1988 auf 725 DM bzw. 814 DM fest. Einsprüche und Klage, mit denen die Klägerin geltend gemacht hatte, die Ertragsstärke ihres Betriebes beruhe auf dem außerordentlichen Einsatz ihres Gesellschafter-Geschäftsführers sowie der unentgeltlichen Mitarbeit der Ehefrau als einzige Bürokraft, blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) berief sich auf die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 18. August 1993 II R 102/90 (BFHE 172, 219, BStBl II 1994, 9) sowie vom 5. April 1994 II R 113/91 (BFH/NV 1995, 864). Die Klägerin habe nicht zur Überzeugung des Gerichts dargelegt, daß die erzielten überdurchschnittlichen Erträge ausschließlich und unmittelbar auf der Tätigkeit ihres Gesellschafter-Geschäftsführers und seiner Ehefrau beruhten. Die Tätigkeit der Eheleute sei nur eine von mehreren Ursachen für die Ertragsstärke des Betriebes. Weitere Ursachen seien, daß die Klägerin stets mehrere Gesellen und andere Arbeitnehmer beschäftigt sowie beträchtliche Betriebsmittel eingesetzt habe. Von 1985 bis 1988 hätten sich das Anlagevermögen und die Vorräte auf 110 000 DM bis 570 000 DM belaufen.

Auch die hilfsweise begehrte Berücksichtigung kalkulatorischer Gehälter für den Geschäftsführer und dessen Ehefrau --ausgerichtet an der angeblich üblichen Entlohnung für die von diesen geleistete Arbeit-- scheide aus, weil dies bei einer Schätzung auf der Grundlage des Stuttgarter Verfahrens nicht vorgesehen sei. Im übrigen dürften die Leistungen der Gesellschafter-Geschäftsführer häufig einen höheren Wert haben, als in dem tatsächlich gezahlten Gehalt zum Ausdruck komme. Von daher handele es sich dabei nicht um gesondert gelagerte Einzelfälle.

Die Überzeugung, ob der nach dem Stuttgarter Verfahren ermittelte Anteilswert dem gemeinen Wert entspreche, brauche sich das Gericht angesichts der Methodenvielfalt bei der Unternehmensbewertung nur innerhalb des Stuttgarter Verfahrens zu bilden.

Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie mangelnde Sachaufklärung geltend. Außerdem wendet sie sich gegen die Höhe des vom FG festgesetzten Streitwerts.

Grundsätzliche Bedeutung mißt sie zwei Fragen zu:

Zum einen geht es ihr um die Frage, ob und auf welche Weise dann, wenn die Tätigkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers nicht oder zu gering entlohnt werde, dies im Rahmen einer Anteilsbewertung mit Hilfe des Stuttgarter Verfahrens bei der Ermittlung des Ertragshundertsatzes zu berücksichtigen ist, und zum anderen darum, ob die Anwendung des Abschn. 78 Abs. 2 VStR 1983/86 durch Bevorzugung der freiberuflich tätigen GmbH gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 des Grundgesetzes (GG) verstoße. Auch bei einer derartigen GmbH könnten Angestellte in einem Ausmaß beschäftigt werden, daß Lohnsumme und Gewinn den Verhältnissen vergleichbar seien, die sie, die Klägerin, aufweise.

Eine mangelhafte Sachaufklärung sei darin zu sehen, daß das FG nicht geprüft habe, ob das Stuttgarter Verfahren im Streitfall ausnahmsweise zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führe, wie sie, die Klägerin, in der mündlichen Verhandlung vorgetragen habe. Bereits in der Klageschrift habe sie angeboten, durch eine Stellungnahme der Handwerkskammer zu den üblichen Unternehmensverkaufswerten Beweis dafür anzutreten, daß die streitigen Anteilswerte einen Unternehmenswert ergeben, der mehr als das Zweifache des tatsächlichen Marktwerts ausmache.

Die Streitwertfestsetzung sei fehlerhaft, weil sich das FG statt an den streitigen Anteilswerten an dem unstreitigen Einheitswert des Betriebsvermögens ausgerichtet habe.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Eine mangelnde Sachaufklärung ist nicht schlüssig dargelegt.

1. Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, inwieweit die Entlohnung des Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH Auswirkungen auf die Anteilsbewertung habe, läßt sich ohne weiteres aus dem Wortlaut des Abschn. 78 Abs. 2 VStR 1983/86 (nunmehr Abschn. 7 Abs. 2 VStR 1995) beantworten. Sie ist daher nicht klärungsbedürftig. Wenn es in Abschn. 78 Abs. 2 Satz 1 VStR 1983/86 heißt, daß ein Abschlag vom Jahresertrag solcher Kapitalgesellschaften zu machen sei, bei denen ohne Einsatz eines größeren Betriebskapitals der Ertrag ausschließlich und unmittelbar von der persönlichen Tätigkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers abhängt, ohne daß dies bereits durch ein entsprechendes Entgelt abgegolten wird, ergibt sich aus dem letzten Nebensatz ohne weiteres, daß bei fehlender oder zu geringer Entlohnung des Gesellschafter-Geschäftsführers --bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen-- ein derartiger Abschlag in Betracht kommt. Das Fehlen einer Entlohnung oder eine zu geringe Entlohnung ist danach Grundvoraussetzung für einen Abschlag gemäß Abschn. 78 Abs. 2 VStR 1983/86. Auch die weitere Frage, wie einer fehlenden oder zu geringen Entlohnung Rechnung zu tragen ist, ergibt sich ohne weiteres aus dem Wortlaut der Richtlinien. Unter dem Vorbehalt, daß die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind, hat dies durch einen Abschlag vom Jahresertrag und nicht etwa durch eine Kürzung des Jahresertrages in Höhe eines kalkulatorischen Lohns für den Gesellschafter-Geschäftsführer und seine mitarbeitenden Familienangehörigen zu geschehen.

Die weiter aufgeworfene Rechtsfrage nach der Gleichbehandlung freiberuflich tätiger und handwerklich tätiger Kapitalgesellschaften bedarf ebenfalls keiner Klärung, weil offensichtlich ist, daß die freiberuflich tätige GmbH, bei der eingesetztes Kapital, Lohnsumme und Ertrag im selben Verhältnis stehen wie bei einer handwerklich tätigen GmbH, der ein Abschlag nach Abschn. 78 Abs. 2 VStR 1983/86 zu versagen ist, gleichermaßen diesen Abschlag nicht erhalten kann. Die beispielhafte Nennung freiberuflich tätiger Kapitalgesellschaften einerseits und handwerklich tätiger Gesellschaften andererseits in Abschn. 7 Abs. 2 VStR 1995 bedeutet nicht, daß die Gesellschaften bei sonst gleichem Verhältnis der genannten Faktoren nur aufgrund ihrer unterschiedlichen Tätigkeit unterschiedlich zu behandeln seien.

2. Auch die Rüge mangelnder Sachaufklärung greift nicht durch. Das schlüssige Erheben einer solchen Verfahrensrüge setzt die Darlegung dessen voraus, was sich bei weiterer Sachaufklärung ergeben und inwieweit das Ergebnis vom materiell-rechtlichen Standpunkt des FG aus zu einer anderen Entscheidung geführt hätte (vgl. Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, § 120 Anm. 40). Das FG war im Streitfall der materiell-rechtlichen Ansicht, wegen der unüberschaubaren Methodenvielfalt bei der Unternehmensbewertung brauche es sich seine Überzeugung von der Richtigkeit des im Stuttgarter Verfahren ermittelten Anteilswerts nicht in anderer Weise als eben mit Hilfe dieser Methode zu bilden. Von diesem Standpunkt aus kam es auf einen Vergleich mit tatsächlichen Unternehmensverkäufen nicht an. Diese Ansicht ist im übrigen zutreffend; sie entspricht der vom BFH zuletzt im Urteil vom 6. Februar 1991 II R 77/88 (BFHE 163, 471, BStBl II 1991, 459) vertretenen Auffassung. Auch insoweit der BFH in diesem ausgesprochen hat, daß die nach dem Stuttgarter Verfahren ermittelten Werte (nur) dann nicht Besteuerungsgrundlage sein können, wenn sie aus besonderen Gründen des Einzelfalls offensichtlich unrichtig seien, läßt sich daraus nicht schließen, der im Stuttgarter Verfahren ermittelte Wert sei durch einen Vergleich mit den Erlösen, die bei der Veräußerung von Anteilen an anderen Kapitalgesellschaften oder von anderen Unternehmen erzielt worden sind, auf seine Angemessenheit zu überprüfen und ggf. durch einen derartigen Vergleichswert zu ersetzen. Dem steht § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG entgegen, wonach die Anteilswerte unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der konkreten Kapitalgesellschaft zu schätzen sind (vgl. BFH-Urteil vom 24. Januar 1975 III R 4/73, BFHE 115, 58, BStBl II 1975, 374). Eine in Ausnahmefällen vorzunehmende Korrektur des im Stuttgarter Verfahren ermittelten Werts kann nur im Rahmen dieser gesetzlichen Vorgaben erfolgen.

3. Mit dem Vorbringen, die Streitwertfestsetzung sei fehlerhaft, wird kein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend gemacht.

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