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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 02.04.2004
Aktenzeichen: II B 13/02
Rechtsgebiete: FGO, AO 1977
Vorschriften:
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative | |
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3 | |
AO 1977 § 127 |
Gründe:
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) errichtete auf seinem Grundstück ein im Jahre 1989 bezugsfertig gewordenes Gebäude mit Schwimmhalle und Büroteil. Eine vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) für erforderlich gehaltene Besichtigung des Gebäudes wurde vom Kläger verweigert. Das FA beantragte aufgrund seines Verdachts, der Kläger habe zur Finanzierung der Gebäudeerrichtung nicht versteuerte Einnahmen verwendet, beim Amtsgericht (AG) X einen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss. Das AG X ordnete durch Beschluss die Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des Klägers sowie der vermieteten Räume des fraglichen Gebäudes zum Zweck der Besichtigung durch einen Bausachverständigen an.
Das FA stellte aufgrund der im Rahmen der Durchsuchung vom Bausachverständigen getroffenen Feststellungen durch Einheitswertbescheide vom 15. Dezember 1994 und 1. Februar 1996 den Einheitswert auf den 1. Januar 1990 auf ... DM und auf den 1. Januar 1991 auf ... DM fest. Ferner setzte das FA den Grundsteuermessbetrag auf den 1. Januar 1990 auf ... DM und auf den 1. Januar 1991 auf ... DM fest. Im Verlauf des Einspruchsverfahrens hob das Landgericht Y den Durchsuchungsbeschluss des AG X auf, weil sich der Anfangsverdacht auf Steuerhinterziehung nicht bestätigt habe. Für Zwecke der Einheitsbewertung habe die strafprozessuale Maßnahme der Wohnungsdurchsuchung nicht eingesetzt werden dürfen. Das FA setzte durch Einspruchsentscheidung vom 25. Januar 1996 den Einheitswert auf den 1. Januar 1996 auf ... DM und den Grundsteuermessbetrag auf ... DM herab; im Übrigen blieb der Einspruch ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) hat den Einheitswert auf den 1. Januar 1990 auf ... DM und auf den 1. Januar 1991 auf ... DM sowie den Grundsteuermessbetrag auf den 1. Januar 1990 auf ... DM und auf den 1. Januar 1991 auf ... DM herabgesetzt; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger grundsätzliche Bedeutung, Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sowie Verfahrensmängel geltend.
II. Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, weil ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht.
1. Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) setzt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage voraus, deren Klärung im Interesse der Allgemeinheit erforderlich und die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärungsbedürftig ist. Dazu muss sich der Beschwerdeführer mit der zu der herausgestellten Rechtsfrage vorhandenen Rechtsprechung und Literatur auseinander setzen. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
a) Für die vom Kläger aufgeworfene Frage der Nichtigkeit eines Einheitswert- oder Steuerbescheids, der auf vom FA im Vollzug eines rechtswidrigen Durchsuchungsbeschlusses gewonnenen Erkenntnissen beruht, fehlt es an einer schlüssigen Darlegung der Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit. Die Beschwerde macht die Nichtigkeit dieser Bescheide geltend, ohne sich damit auseinander zu setzen, dass Verfahrensfehler beim Zustandekommen eines Verwaltungsakts grundsätzlich nicht zur Nichtigkeit eines Verwaltungsakts führen (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 125 AO 1977 Rz. 22, m.w.N.). Es fehlt jede Erörterung der Rechtsprechung des BFH, die hinsichtlich der rechtlichen Folgen einer nicht ordnungsgemäßen Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen für die Steuerfestsetzung den Rechtsgedanken des § 127 der Abgabenordnung (AO 1977) heranzieht und insoweit keine Nichtigkeit der Steuerfestsetzung annimmt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 25. November 1997 VIII R 4/94, BFHE 184, 255, BStBl II 1998, 461, m.w.N.). Im Streitfall kommt noch hinzu, dass sich der Kläger nicht mit der Rechtsprechung zum Verwertungsverbot bei erstmaliger Veranlagung bzw. Feststellung (vgl. unten zu 2. b) auseinander gesetzt hat, obwohl es sich vorliegend um eine erstmalige Feststellung handelt. Aus den vorstehenden Gründen ist die Beschwerde auch insoweit unzulässig, als sie als rechtsgrundsätzlich die Nichtigkeit (bzw. Rechtswidrigkeit) des Einheitswertbescheids aufgrund der für eine Besichtigung durch den Bausachverständigen fehlenden Rechtsgrundlage behauptet.
b) Zu der weiter als rechtsgrundsätzlich aufgeworfenen Frage der Nichtigkeit eines Einheitswertbescheids, weil die Finanzverwaltung unter Verstoß gegen das Grundgesetz (GG) "generell die Grundlagen für die Einheitswerte im Sachwertverfahren durch Besichtigung der Wohnräume" ermittle, fehlen bereits schlüssige Darlegungen zur Klärungsfähigkeit. Denn das Urteil des FG enthält keine Feststellungen über die vom Kläger behauptete generelle Praxis. Ferner fehlen hinreichende Darlegungen zur Klärungsbedürftigkeit. Die bloße Behauptung des Klägers, eine Besichtigung von Wohnräumen für Zwecke der Einheitsbewertung verstoße gegen Art. 13 GG, reicht nicht aus.
2. Hinsichtlich des Zulassungsgrundes der Erforderlichkeit einer BFH-Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) fehlt es ebenfalls an einer schlüssigen Darlegung. Hierzu hätte es Ausführungen dazu bedurft, inwiefern über eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage unterschiedliche Auffassungen bei den Gerichten bestehen oder welche sonstigen Gründe eine höchstrichterliche Entscheidung gebieten. Wird eine Abweichung von Entscheidungen des BFH gerügt, so muss der Beschwerdeführer tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (BFH-Beschluss vom 7. Oktober 2003 X B 52/03, BFH/NV 2004, 80, m.w.N.).
a) Hinsichtlich der behaupteten Abweichung des FG-Urteils von dem BFH-Urteil vom 26. Juni 1981 III R 3/79 (BFHE 133, 437, BStBl II 1981, 643) macht die Beschwerdebegründung lediglich geltend, das FG habe den Streitfall nicht an dieser Entscheidung gemessen. Dies genügt nicht den Darlegungsanforderungen (BFH-Beschluss vom 18. Juni 1993 III B 233/92, BFH/NV 1994, 322). Auch hat der Kläger nicht dargelegt, dass die Vorentscheidung hinsichtlich des dort versagten Abschlags auf den Gebäudenormalherstellungswert auf der behaupteten Abweichung beruht und die Anwendungsvoraussetzungen des BFH-Urteils in BFHE 133, 437, BStBl II 1981, 643 vorliegen. Insbesondere fehlt eine Auseinandersetzung mit den im vorinstanzlichen Urteil näher ausgeführten Unklarheiten und Widersprüchen, die gegen die vom Kläger selbst errechneten Gebäudeherstellungskosten bestehen.
b) Die behauptete Abweichung des FG-Urteils von den BFH-Urteilen vom 11. Juli 1979 I B 10/79 (BFHE 128, 170, BStBl II 1979, 704) und vom 27. Juli 1983 I R 210/79 (BFHE 139, 221, BStBl II 1984, 285) ist ebenfalls nicht schlüssig dargelegt. Die Beschwerdebegründung beschränkt sich auf die bloße Behauptung, das vorinstanzliche Urteil sei von der vorzitierten Rechtsprechung abgewichen. Der Kläger hat keinen aus der Vorentscheidung gewonnenen abstrakten Rechtssatz herausgearbeitet, der der Rechtsprechung des BFH widerspricht.
Nach den beiden vorzitierten BFH-Urteilen besteht zwar ein Verwertungsverbot, wenn die Rechtswidrigkeit der Ermittlungsmaßnahme eines Finanzamts von einem Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit festgestellt wurde oder --bei rechtswidrig erlangten Außenprüfungsergebnissen-- der Steuerpflichtige erfolgreich gegen die Rechtswidrigkeit der betreffenden Prüfungsmaßnahme vorgegangen ist. Gleichzeitig hat jedoch die Rechtsprechung des BFH ein allgemeines gesetzliches Verwertungsverbot für Tatsachen, die unter Verletzung von Verfahrensvorschriften ermittelt worden sind, abgelehnt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 184, 255, BStBl II 1998, 461, m.w.N.). Eine Einschränkung des allgemeinen verfahrensrechtlichen Verwertungsverbots gilt --worauf das FG zutreffend hinweist-- insbesondere bei einer erstmaligen Veranlagung, weil der Finanzbehörde bei der Aufklärung des Sachverhalts unterlaufene verfahrensrechtliche Verstöße, selbst wenn sie ein Verwertungsverbot zur Folge hätten, bei der vollständigen neuen Sach- und Rechtsprüfung im Einspruchsverfahren geheilt werden können (BFH-Urteile vom 27. Juni 1991 V R 9/86, BFHE 165, 10, BStBl II 1991, 822; in BFHE 184, 255, BStBl II 1998, 461; vgl. ferner BFH-Beschluss vom 17. Juli 2003 X B 19/03, BFH/NV 2003, 1594, m.w.N.). Unter Berücksichtigung dieser auch vom FG herangezogenen Rechtsprechung fehlen Darlegungen zur Entscheidungserheblichkeit der behaupteten Abweichung.
c) Eine Abweichung von dem BFH-Urteil vom 7. März 1978 VII R 47/77 (BFHE 124, 569, BStBl II 1978, 418) ist nicht i.S. von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt. Der Kläger rügt lediglich, dass das FG falsch entschieden und aus dem vorstehenden BFH-Urteil "nicht die von der Verfassung und Rechtsprechung vorgegebenen Konsequenzen" gezogen habe. Ein solcher allgemeiner Angriff gegen die Richtigkeit der Vorentscheidung rechtfertigt nicht die Revisionszulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO (BFH-Beschlüsse vom 15. März 2002 V B 33/01, BFH/NV 2002, 1040; vom 12. Dezember 2002 X B 99/02, BFH/NV 2003, 496).
d) Schließlich ist auch eine Abweichung von dem BFH-Urteil vom 20. Oktober 1972 III R 145/71 (BFHE 108, 244, BStBl II 1973, 258) nicht schlüssig dargetan. Der Kläger beschränkt sich auch insoweit auf die Rüge, das FG habe fehlerhaft entschieden.
3. Die Beschwerde ist auch insoweit unzulässig, als der Kläger Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) rügt, ohne diese hinreichend darzulegen.
a) Die sinngemäß erhobene Rüge, das FG hätte mit der von ihm angenommenen Teilwirkung des Holzschutzmittels seine Sachaufklärungspflicht verletzt, ist unschlüssig. Der Kläger hätte u.a. darlegen müssen, aus welchen konkreten Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung auch ohne entsprechenden Antrag hätte aufdrängen müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, § 120 Rz. 70). Dies ist nicht geschehen.
b) Die Rüge, das FG habe eine Überraschungsentscheidung getroffen, ist nicht ordnungsgemäß erhoben. Eine Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt gestützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der alle oder einzelne Beteiligte nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 24. April 1990 VIII R 170/83, BFHE 160, 256, BStBl II 1990, 539; Gräber/Ruban, a.a.O., 5. Aufl., § 119 Rz. 10 a und 16, m.w.N.). Für eine schlüssige Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs hätte der Kläger darlegen müssen, was er bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte und inwiefern dieses Vorbringen möglicherweise zu einer anderen Entscheidung des Gerichts hätte führen können (BFH-Beschluss vom 20. Januar 2000 III B 57/99, BFH/NV 2000, 861; Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rz. 14). Daran fehlt es.
Ende der Entscheidung
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