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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 23.10.2003
Aktenzeichen: II B 131/00
Rechtsgebiete: FGO, GG


Vorschriften:

FGO § 74
FGO § 128 Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) hat gegen die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) Vermögensteuer auf die Stichtage 1. Januar 1990 bis 1. Januar 1996 festgesetzt. Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage machten die Kläger geltend, angesichts der individuellen Gesamtsteuerbelastung verstoße die Festsetzung der Vermögensteuer gegen das verfassungsrechtliche Übermaßverbot bzw. gegen den im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BverfG) vom 22. Juni 1995 2 BvL 37/91 (BVerfGE 93, 121 ff.) genannten "Halbteilungsgrundsatz".

Das Finanzgericht (FG) hat durch Beschluss vom 22. März 1999 das Klageverfahren "bis zur Entscheidung des BVerfG im Verfahren 1 BvR 2136/98" ausgesetzt. Durch Beschluss vom 10. November 2000 hat das FG das ausgesetzte Verfahren wieder aufgenommen, nachdem das BVerfG in dem Verfahren 1 BvR 2136/98 die Beschwerde nicht zur Entscheidung angenommen hatte.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Kläger machen geltend, das Verfahren sei weiterhin nunmehr im Hinblick auf das beim BVerfG anhängige Verfahren 2 BvR 2194/99 auszusetzen.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

1. Nach § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht, wenn die Entscheidung ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits auszusetzen sei. Diese Voraussetzungen hat das FG zutreffend im Hinblick auf das seinerzeit vor dem BVerfG noch anhängige Verfahren 1 BvR 2136/98 als gegeben angesehen. Denn es handelte sich um ein Musterverfahren, welches die Verfassungsmäßigkeit einer im Streitfall entscheidungserheblichen gesetzlichen Regelung zum Gegenstand hatte und insoweit für das vorliegende Steuerrechtsverhältnis vorgreiflich i.S. des § 74 FGO war.

Ist ein finanzgerichtliches Klageverfahren --wie im Streitfall-- bis zur Entscheidung eines anderen Verfahrens ausgesetzt, so findet die Aussetzung mit der Entscheidung des anderen Verfahrens ihr Ende, ohne dass es einer weiteren FG-Entscheidung bedarf (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. September 1990 I R 143/87, BFHE 162, 208, BStBl II 1991, 101).

Die Aussetzung des Klageverfahrens war demnach bereits mit der Entscheidung des BVerfG im Verfahren 1 BvR 2136/98 beendet. Dem mit der Beschwerde angefochtenen Beschluss des FG über die Aufnahme des Verfahrens vom 10. November 2000 kommt deshalb lediglich deklaratorische Bedeutung zu.

Die Beschwerde ist gleichwohl gemäß § 128 Abs. 1 FGO statthaft. Sie ist auch nicht mangels eines Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Denn aus der Sicht der Kläger liegt eine förmliche Gerichtsentscheidung vor, die ihrem Begehren um eine weitere Aussetzung des Klageverfahrens entgegen steht und sie soweit formell beschwert (vgl. auch BFH-Beschlüsse vom 28. März 1990 II B 163/89, BFHE 159, 486, BStBl II 1990, 503; vom 6. April 1992 IV B 167/91, BFH/NV 1992, 681, und vom 7. Juli 1995 III B 8/95, BFH/NV 1996, 149, 150).

2. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

a) Soweit der angefochtene Beschluss des FG vom 10. November 2000 keine Begründung enthält, ist dies kein Grund für eine Aufhebung der Entscheidung (vgl. BFH-Beschluss vom 10. März 1999 II B 70/98, BFH/NV 1999, 1225).

b) Das FG hatte das Klageverfahren bis zur Entscheidung des BVerfG im Verfahren 1 BvR 2136/98 ausgesetzt. Da das BVerfG in diesem Verfahren durch Beschluss vom 20. Januar 1999 die Verfassungsbeschwerde nicht angenommen hat, hat die angeordnete Aussetzung des Verfahrens --ohne dass es eines Antrags der Beteiligten bedurft hätte-- ihr Ende gefunden.

Gründe, die die weitere Aussetzung des Verfahrens rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Insbesondere ist das von den Klägern genannte Verfahren 2 BvR 2194/99 für die Entscheidung des Streitfalls nicht vorgreiflich. Denn die Frage, ob eine Belastung mit Einkommen- und Gewerbesteuer von über 50 v.H. des zu versteuernden Einkommens wegen Verstoßes gegen den sogenannten "Halbteilungsgrundsatz" verfassungswidrig ist, berührt die im vorliegenden Verfahren maßgebliche Frage der Verfassungsmäßigkeit der Vermögensteuer bei einem Verstoß gegen den Halbteilungsgrundsatz nicht. Denn das BVerfG hat die Weitergeltung jedenfalls des Vermögensteuergesetzes (VStG) bis Ende 1996 auch insoweit angeordnet, als der weitere Vollzug des Gesetzes im Einzelfall die vom Gericht dargelegte Obergrenze der Belastung überschreitet. Die Anordnung in BVerfGE 93, 121, BStBl II 1995, 655 unter C. III. 3., wonach die Regelungen zur Vermögensbesteuerung bis Ende 1996 weiterhin angewendet werden dürfen, ist nicht nur ungeachtet des festgestellten Verstoßes gegen den Gleichheitssatz infolge der unterschiedlichen Bewertungsmaßstäbe erfolgt, sondern auch ungeachtet dessen, dass diese Regelungen den aufgestellten Belastungsobergrenzen (noch) keine Rechnung tragen (so BFH-Entscheidungen vom 29. Oktober 1997 II B 67/97, BFH/NV 1998, 361; vom 19. Mai 1998 II B 14/98, BFH/NV 1998, 1275; vom 6. August 1998 II B 53/98, BFH/NV 1999, 228; vom 30. September 1998 II R 47/97, BFH/NV 1999, 452; vom 30. Juni 1999 II B 110/98, BFH/NV 1999, 1653, sowie vom 23. Oktober 2000 II B 157/99, BFH/NV 2001, 498).

Aus der Tatsache, dass der Abschnitt C. III. 3. des genannten Beschlusses des BVerfG über die Anordnung der befristeten Weitergeltung des VStG mit dem Hinweis auf den Verstoß gegen den Gleichheitssatz eingeleitet wird, kann nicht gefolgert werden, mit der angeordneten Weitergeltung sei lediglich die Berufung auf diesen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ausgeschlossen. Ausgeschlossen ist vielmehr die Berufung auf alle in der Entscheidung beanstandeten Verstöße des bis dahin geltenden Vermögensteuerrechts gegen die Grundrechte. Der Verstoß gegen den Gleichheitssatz wird eingangs nur deshalb angesprochen, weil derartige Verstöße nach der Rechtsprechung des BVerfG in der Regel nicht zur Nichtigkeit der gerügten Norm(en), sondern nur zum Ausspruch ihrer Unvereinbarkeit mit dem GG i.V.m. der Anordnung ihrer befristeten Weitergeltung führen. Regelmäßig bestehen nämlich mehrere Möglichkeiten, den Verstoß gegen den Gleichheitssatz zu beheben. Die Entscheidung für eine dieser Möglichkeiten soll dem Gesetzgeber überlassen werden (vgl. dazu Urteil des BFH vom 24. Mai 2000 II R 25/99, BFHE 191, 240, BStBl II 2000, 378, unter II. 1., m.w.N.).

Dieses Verständnis der Weitergeltungsanordnung wird durch die nachfolgenden Ausführungen des BVerfG bestätigt, mit denen dem Gesetzgeber bei einer Neuregelung für die Dauer der durchzuführenden Neubewertung des Vermögens --längstens für fünf Jahre-- zugestanden wird, die vermögensteuerrechtliche Belastung mit Hilfe von Übergangsregelungen schrittweise den dargelegten verfassungsrechtlichen Maßstäben anzunähern. Mit diesen Maßstäben sind zumindest auch die Ausführungen des BVerfG zur einzuhaltenden Obergrenze der Belastung gemeint.

Ende der Entscheidung

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