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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 27.10.2004
Aktenzeichen: II B 147/03
Rechtsgebiete: GrStG, GrStDV, FGO, ZPO


Vorschriften:

GrStG § 41
GrStDV § 29
GrStDV § 33
GrStDV § 30
GrStDV § 31
GrStDV § 32
FGO § 155
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
ZPO § 227
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erwarb im Dezember 1995 eine noch fertigzustellende Eigentumswohnung in Mecklenburg-Vorpommern, für die mit Bescheid vom 29. August 2000 im Wege der Nachfeststellung nach den Wertverhältnissen vom 1. Januar 1935 ein Einheitswert auf den 1. Januar 1997 von 6 900 DM bestandskräftig festgestellt worden ist. Zugleich erging im Wege der Nachveranlagung auf den 1. Januar 1997 ein Grundsteuermessbescheid, mit dem der Grundsteuermessbetrag durch Anwendung einer Steuermesszahl von 8 v.T. auf den Einheitswert auf 55,20 DM festgesetzt wurde.

Einspruch und Klage gegen diesen Grundsteuermessbescheid, mit denen der Kläger verlangt hatte, eine Steuermesszahl von 2,6 v.T. anzuwenden, blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) berief sich auf § 41 des Grundsteuergesetzes (GrStG) i.V.m. den §§ 29 bis 33 der Grundsteuer-Durchführungsverordnung (GrStDV) vom 1. Juli 1937 sowie darauf, dass mit der höheren Messzahl die niedrigeren Einheitswerte nach den Wertverhältnissen von 1935 ausgeglichen werden sollen. Das Urteil des FG ist mit Postzustellungsurkunde zugestellt worden. Ihm war ein maschinell hergestelltes formularmäßiges Vorblatt vorgeheftet, das den Sinn und die Rechtsfolgen der Zustellung beschrieb, aber aufgrund eines Computerfehlers unvollständig war. Es fehlten die beiden letzten Zeilen.

Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision stellt der Kläger zur Überprüfung, ob das Urteil des FG trotz des unvollständigen Vorblatts ordnungsgemäß zugestellt ist. Sodann rügt er eine Verletzung des Rechts auf Gehör. Das FG habe die mündliche Verhandlung in Abwesenheit seines Prozessvertreters durchgeführt, obwohl dieser unter Hinweis auf eine starke Gehbehinderung um Vertagung gebeten habe. Schließlich macht er geltend, der Sache komme wegen der Anwendung einer Steuermesszahl von 8 v.T. grundsätzliche Bedeutung zu. Es sei zu klären, ob die §§ 29 bis 33 GrStDV als nationalsozialistisches Recht überhaupt angewendet werden dürfen.

II. Die Beschwerde ist hinsichtlich der geltend gemachten Verfahrensfehler unbegründet und im Übrigen unzulässig.

1. a) Das unvollständige Vorblatt hat auf die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung der Vorentscheidung keinen Einfluss, da es nicht den Vorgang der Zustellung als solchen betrifft, sondern lediglich die Nachweisfunktion der Zustellung erläutert, und sich die Frage nach der Wahrung der Rechtsmittelfrist im Streitfall nicht stellt.

b) Das Recht des Klägers auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--, § 96 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) ist durch die Ablehnung einer Vertagung der mündlichen Verhandlung nicht verletzt.

aa) Nach § 155 FGO i.V.m. § 227 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Liegen erhebliche Gründe i.S. des § 227 ZPO vor, kann sich die Ermessensausübung zur Rechtspflicht verdichten (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 1. Februar 2002 II B 38/01, BFH/NV 2002, 938; vom 8. April 1998 VIII R 32/95, BFHE 186, 102, BStBl II 1998, 676, sowie vom 23. November 2001 V B 224/00, BFH/NV 2002, 520). Die Gründe sind auf Verlangen des Vorsitzenden bzw. des Gerichts glaubhaft zu machen (§ 227 Abs. 2 ZPO). Die Erkrankung eines Beteiligten kann einen solchen erheblichen Grund darstellen.

bb) Im Streitfall begründet der Kläger die Rüge der Verletzung seines Rechts auf Gehör zwar nunmehr mit krankheitsbedingten Hindernissen in der Person seines Prozessbevollmächtigten, die der Terminswahrnehmung entgegengestanden haben sollen; auf diesen Sachverhalt aber war sein Vertagungsantrag vom 16. September 2003 nicht gestützt. Mit diesem Vertagungsantrag, der durch die Vorverlegung des Beginns der mündlichen Verhandlung am 25. September 2003 --nämlich von zunächst 15.30 Uhr auf 11.00 Uhr-- veranlasst war, verweist der Kläger nicht auf eine Krankheit, die der Wahrnehmung des Termins durch seinen Prozessbevollmächtigten unabhängig von der Uhrzeit entgegengestanden habe, sondern auf verkehrstechnische Hindernisse im Zusammenhang mit der Vorverlegung auf 11.00 Uhr. Diesem Antrag hat das FG dadurch entsprochen, dass es den Beginn der Verhandlung wieder auf 14.00 Uhr verschob. Auch in dem am Tag vor der mündlichen Verhandlung bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 24. September 2003 wird lediglich von "verkehrstechnischen und organisatorischen" Hindernissen gesprochen. Waren somit keine erheblichen Gründe i.S. des § 227 ZPO für eine Vertagung benannt, konnte die Durchführung der mündlichen Verhandlung am dafür bestimmten Tag keine Verletzung des Rechts des Klägers auf Gehör darstellen. Im Übrigen geht nicht einmal aus dem erst im Beschwerdeverfahren vorgelegten ärztlichen Attest vom 17. Februar 2004 hervor, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers noch im September 2003 nicht reisefähig gewesen ist.

2. Soweit der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage geltend macht, ob die §§ 29 bis 33 GrStDV noch angewendet werden dürfen, fehlt es an einer Begründung gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Der Hinweis auf das Entstehungsjahr der angewandten Norm reicht für sich allein nicht aus, die grundsätzliche Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfrage darzutun, zumal die Weitergeltung der Norm auf einer Entscheidung des Gesetzgebers aus nachkonstitutioneller Zeit beruht (§ 41 GrStG i.d.F. des Einigungsvertragsgesetzes vom 23. September 1990, BGBl II 1990, 885, 986).



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