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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 27.10.2008
Aktenzeichen: II B 15/08
Rechtsgebiete: FGO, AO, FGO, StPO


Vorschriften:

FGO § 96 Abs. 1 Satz 1
FGO § 96 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
Art. 103 Abs. 1
AO § 169 Abs. 2 Satz 2
AO § 229
FGO § 155
StPO § 153a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist Gesamtrechtsnachfolgerin ihres 2006 verstorbenen Ehemannes (E). Dieser war in den Jahren 1992/1993 mit einer Steuerfahndungsprüfung überzogen worden, die u.a. die Vermögensteuer 1981 bis 1990 betraf. Vermögensteuererklärungen hatte E bis dahin nicht abgegeben. Aufgrund der Prüfung erging am 11. Juli 1994 ein Vermögensteuerbescheid auf den 1. Januar 1982; die dabei festgesetzte Steuer minderte sich durch Einspruchsentscheidung vom 3. Februar 1997 auf 275 DM. Als Besteuerungsgrundlage waren angesetzt: Grundvermögen in Höhe von 63 140 DM, Sparguthaben von 240 529 DM, ein Nießbrauch an einem Grundstück im Wert von 10 393 DM, eine Rentenverpflichtung mit 77 469 DM sowie eine Darlehensschuld von 100 000 DM. Das Darlehen sollte von einer Frau X gewährt worden sein. Schriftliche Unterlagen gibt es weder über die Gewährung noch über die Rückzahlung des Darlehens. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) erkannte es daher nur zum Teil an.

Die gegen die Steuerfestsetzung erhobene Klage blieb erfolglos. Die Klägerin hatte sich gegen die Annahme gewendet, E habe eine Steuerhinterziehung begangen. Sie bestritt, dass E überhaupt gewusst habe, vermögensteuerpflichtig --und damit zu den Hauptveranlagungszeitpunkten erklärungssteuerpflichtig-- gewesen zu sein. In der mündlichen Verhandlung hatte sie den Steuerberater Y als Zeugen dafür benannt, E dahin beraten zu haben, dass keine Vermögensteuererklärungen abzugeben seien.

Das Finanzgericht (FG) bejahte den Hinterziehungsvorsatz des E, ohne den Zeugen zu hören. E sei lange gewerblich tätig und in Vermögensanlagen erfahren gewesen. Daher sei es überzeugt, dass E der Vermögensteuerfreibetrag von 70 000 DM bekannt gewesen sei und die Beratung durch den Zeugen bei ihm keinen Verbotsirrtum bewirkt habe. Außerdem sei das wahre Vermögen zwar dem E, aber nicht dem Zeugen bekannt gewesen.

Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision rügt die Klägerin Verfahrensfehler. Außerdem macht sie geltend, die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordere eine Revisionsentscheidung.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Die geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) sind entweder nicht i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO ausreichend dargelegt oder liegen nicht vor.

a) Mit der Rüge, das FG habe keinen Bezug genommen auf das Verfahren über eine einstweilige Anordnung und die dort angebotenen Beweise, obwohl bereits in der Klagebegründung erklärt worden sei, dass auf das Vorbringen in diesem Verfahren Bezug genommen werde, wird geltend gemacht, das FG habe sich seine Überzeugung nicht aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens gebildet (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) und das Recht auf Gehör verletzt (§ 96 Abs. 2 FGO, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--). Diese Mängel sind jedoch nicht schlüssig dargelegt. Für die Rüge eines Verstoßes gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO reicht es nicht aus, auf das Vorbringen in der Vorinstanz zu verweisen; vielmehr ist darzutun, dass und inwiefern der geltend gemachte Mangel für die Vorentscheidung ursächlich gewesen ist (Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl. 2006, § 116 Rz 49 sowie § 120 Rz 72). Dies ist nicht geschehen. Auch die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist unzureichend begründet. Es ist nicht angegeben, was in dem Schriftsatz gestanden haben soll, so dass nicht erkennbar ist, ob die Kausalität des Mangels für die Vorentscheidung zu vermuten ist oder hätte dargelegt werden müssen (Ruban in Gräber, a.a.O., § 119 Rz 14).

b) Auch die Rüge, das FA habe die Aussage einer Zeugin verwertet, obwohl die Klägerseite gegen sie Strafanzeige wegen Falschaussage gestellt habe, ist unschlüssig. Die Zeugin wird in der Vorentscheidung nicht erwähnt; außerdem stünde eine derartige Anzeige einer Verwertung der Aussage nicht von vornherein entgegen.

c) Die Rüge, das FG habe es unterlassen, dem FA aufzuerlegen, Abrechnungen zu korrigieren, ist unzulässig, da sie nicht erkennen lässt, welchen Einfluss dies auf die Entscheidung des FG, die die Rechtmäßigkeit einer Steuerfestsetzung betrifft, gehabt haben soll.

d) Die Rüge, das FG habe unzulässigerweise zunächst verbundene Verfahren wieder getrennt, ist ebenfalls unzulässig. Ihre Begründung lässt wiederum nicht erkennen, weshalb dieses Vorgehen fehlerhaft gewesen sein soll. Darüber geben auch die Aussagen zur Vorrangigkeit anderer Verfahren keinen Aufschluss.

e) Die Rüge, das FA habe einen 1994 begebenen Scheck des E fehlerhaft verbucht, ist unzulässig, weil nicht erkennbar ist, wie die Verbuchung des Schecks die Vorentscheidung beeinflusst haben soll. Im vorliegenden Rechtsstreit geht es nicht um die Erfüllung einer Steuerschuld, sondern darum, ob die Steuer zu Recht festgesetzt worden ist.

f) Die Rüge fehlerhafter Berechnung der Zahlungsverjährung greift nicht durch. Die Zahlungsverjährung beginnt gemäß § 229 der Abgabenordnung (AO) nicht vor Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuerfestsetzung wirksam geworden ist, aus der sich der Vermögensteueranspruch 1982 ergibt. Die Festsetzung ist erstmals 1994 erfolgt.

Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang auch eine Divergenzrüge erhebt (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO), fehlt es bereits an der Gegenüberstellung tragender Rechtssätze aus der Vorentscheidung sowie anderer gerichtlicher Entscheidungen. Soweit es sich dabei auch um Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) und des Bundesverfassungsgerichts handeln soll, fehlt es überdies an deren näherer Bezeichnung.

g) Das Vorbringen der Klägerin, das FG habe die Festsetzungsfrist für die Vermögensteuer 1982 fehlerhaft berechnet, enthält insofern eine Verfahrensrüge, als sie vorträgt, die Annahme des FG, die Festsetzungsfrist für die Vermögensteuer 1982 habe im Streitfall gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO zehn Jahre betragen, beruhe auf dem Übergehen des Beweisangebots, den Zeugen Y zu vernehmen.

Diese Rüge ist jedoch unbegründet. Laut der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 24. Januar 2008 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt, Y als Zeugen für die Behauptung zu vernehmen, er habe E steuerlich beraten und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass keine Vermögensteuererklärung abzugeben sei. Diese Behauptung hat das FG als wahr unterstellt (1. Absatz auf S. 8 der Vorentscheidung), so dass es zu Recht von einer Einvernahme des Zeugen abgesehen hat.

h) Das Vorbringen der Klägerin zur Darlehensgewährung durch Frau X enthält, soweit nicht lediglich materielle Rechtsfehler gerügt werden, ebenfalls eine Rüge mangelnder Sachaufklärung. Als solche ist die Rüge jedoch unzulässig, da die Klägerin entweder ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung auf die Erhebung der nunmehr angebotenen Beweise verzichtet hat (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung) oder nicht vorgetragen hat, weshalb das FG auch ohne entsprechendes Angebot diese Beweise hätte erheben müssen. Dies gilt angesichts des in der mündlichen Verhandlung protokollierten Beweisthemas auch hinsichtlich des Zeugen Y.

i) Der bloße Hinweis der Klägerin auf die Einstellung des Steuerstrafverfahrens gegen E gemäß § 153a der Strafprozessordnung stellt ohne nähere Darlegung ebenfalls keine zulässige Verfahrensrüge dar. Die Einstellung eines Strafverfahrens gemäß dieser Vorschrift setzt gerade eine Schuld voraus, wobei das Schuldmaß nicht als gering bewertbar sein muss, sondern durchaus durchschnittlich sein kann (so Pfeiffer, Strafprozessordnung, Kommentar, 5. Aufl. 2005, § 153a Rz 2). "Schuld" bedeutet im Streitfall angesichts des Zeitablaufs zwischen der Entstehung der Vermögensteuer 1982 und ihrer Festsetzung, dass es um Vorsatz gegangen sein muss.

j) Die Rüge der Verletzung des Grundsatzes der Öffentlichkeit dadurch, dass ein der letzten mündlichen Verhandlung vorausgegangener Erörterungs- und Beweistermin nicht ausreichend durch schriftlichen Aushang kenntlich gemacht worden sei, ist nicht ausreichend dargelegt. Dazu wäre erforderlich gewesen, Umstände darzulegen, aus denen sich ergibt, dass die Verhandlung in Räumen stattfand, zu denen während der Dauer der Verhandlung nicht grundsätzlich jedermann der Zutritt offenstand (so BFH-Beschluss vom 30. September 1992 IV R 52/92, BFH/NV 1993, 543). Abgesehen davon sind vorbereitende Erörterungs- und Beweistermine lediglich parteiöffentlich (so bei vergleichbarer Gesetzeslage Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. September 2000 2 C 5.99, Deutsches Verwaltungsblatt 2001, 726).

k) Die Rüge, die mündliche Verhandlung vom 24. Januar 2008 habe zu Unrecht vor dem Einzelrichter stattgefunden und dieser habe auch zu Unrecht in der Sache entschieden, greift nicht durch. Die angeführten Gründe ergeben nicht, dass die Übertragung der Sache auf den Einzelrichter durch Beschluss des Vollsenats vom 6. Dezember 2007 9 K 4466/07 rechtsfehlerhaft gewesen ist.

2. Die Revision ist auch nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.

a) Die gerügte Abweichung der Vorentscheidung von den auf S. 24 der Beschwerdebegründung angeführten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) sowie mehrerer Oberlandesgerichte in Strafsachen liegt nicht vor. Das FG hat nicht entgegen diesen Entscheidungen den Rechtssatz aufgestellt, E hätte sich nicht auf die Verneinung seiner Vermögensteuerpflicht durch den Steuerberater Y verlassen dürfen; es hat vielmehr ausgeführt, dass der Belehrung nur dann Bedeutung zukommen würde, wenn E dem Steuerberater zuvor sein Vermögen zutreffend offenbart hätte.

b) Soweit die Klägerin vorbringt, das FG sei den "substantiierten Behauptungen" des E bezüglich seines Kapitalvermögens nicht nachgegangen, führt sie keine tragenden Rechtssätze aus der Vorentscheidung an, die eine Abweichung von den zitierten Rechtssätzen aus den Entscheidungen des Reichsfinanzhofs sowie des BGH erkennen lassen. Die Klägerin trägt nur vor, das FG habe gegen diese Rechtssätze verstoßen. Damit rügt sie lediglich einen materiellen Rechtsfehler.

Ende der Entscheidung

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